Politik
Ermordung von Tugçe Albayrak: Was steckt hinter der sexistischen Gewalt gegen Frauen?
02.12.14 - Gestern von der Offenbacher Polizei veröffentlichte Zeugenaussagen bestätigen, dass die Studentin Tugçe Albayrak sterben musste, weil sie am 15. November anderen selbstlos zu Hilfe kam: Sie half zwei jungen Mädchen, die auf der Frauentoilette eines Offenbacher McDonalds von mehreren Männern belästigt wurden. Einer von ihnen war der Angreifer, der sie später ins Koma prügelte. Noch während er von weiteren eingreifenden Gästen aus dem Restaurant geworfen wurde, hatte er ihr gedroht: „Wir sehen uns draußen.“
Am 26. November, nur einen Tag, nachdem weltweit Menschen gegen Gewalt an Frauen demonstriert hatten, verstarb Tugçe Albayrak, Lehramtsstudentin und Tochter eines Opel-Arbeiters, an den Folgen des brutalen und feigen Angriffs des 18-jährigen Sanel M.
Mehr als 2.000 Menschen nahmen am Freitag in Offenbach Abschied von der mutigen jungen Frau. In vielen weiteren Städten gab es am Wochenende Solidaritäts- und Trauerkundgebungen. Es kann keinen Zweifel geben, dass Sanel M. mit aller Härte bestraft werden muss. Aber handelt es sich hier wirklich um die Tat eines Einzelnen? Sanel M. war ein großer Fan des Rappers Aykut Anhan, genannt "Haftbefehl", der wie viele andere „Gangsterrapper“ für seine rassistischen, extrem frauenfeindlichen Texte bekannt ist, in denen asoziales und kriminelles Verhalten, krasser Egoismus und Bereicherung auf Kosten anderer glorifiziert werden. Textprobe der Menschenverachtung: "Nachdem ich Drogen von Polen bis nach Rostock schmuggel. Lass' ich mir von paar Ostblocknutten den Bosscock lutschen. Ich komm' mit Schlagstock, deine Glasknochen gehen schnell in die Brüche wie 'ne Bierflasche. Und dein Blut spritzt auf meinen Luxussweater."
Zum Teil ist diese „Gangsterrap“-Szene mit faschistischen Gruppen verwoben. Auf Facebook haben einige Freunde von Sanel M. Solidaritätsbekundungen veröffentlicht: So etwa, Tugçe habe zu Recht Prügel bekommen, weil sie sich in "Männerangelegenheiten" eingemischt habe. So etwas könne einem "Bruder" schon mal passieren, "wenn eine Frau die Ehre beschmutzt" und "Möge Allah Dir beistehen, mein Bester". Der Berliner Rapper Denis Cuspert alias "Deso Dogg" ist in Syrien inzwischen gar in die Führungsriege der faschistisch-islamistischen Terrororganisation IS aufgestiegen und präsentiert sich im Internet stolz bei der Schändung von Leichen von Arbeitern der Gasfelder.
Manche bürgerlichen Medien und Politiker stimmen jetzt heuchlerisch in die Welle des „Mitgefühls“ mit der getöteten Tugçe ein. Zum Teil sind sie selbst aktiv beteiligt, die menschenverachtende „Kultur“ des „Gangsterrap“ und die Unterdrückung der Frau zu fördern. Ersterer wird als „rebellisch“ und „unangepasst“ präsentiert und erfüllt für die Herrschenden die Aufgabe, die Rebellion der Jugend gegen die Perspektivlosigkeit und Benachteiligung in für den Kapitalismus ungefährliche Bahnen umzuleiten.
Der Kapitalismus kann nicht ohne die bürgerliche Staats- und Familienordnung existieren. Weltweit hält deshalb ein ausgefeiltes System die besondere Unterdrückung der Frauen aufrecht. Es reicht von seinen brutalsten Formen bis zu subtilen Ketten, der Kontrolle der Sexualität, der bürgerlichen Weltanschauung von Tradition und Moral, auch in Form der verschiedenen Religionen bis zur ökonomischen Abhängigkeit vom Mann.
Die Forderung nach einem Verbot aller faschistischen Organisationen und ihrer Propaganda muss auch die Unterdrückung und Verfolgung der Träger und Hintermänner dieser menschenverachtenden „Kultur“ umfassen, die die Herzen und Hirne unserer Jugend vergiften will. Auch Aufrufe zu und Verherrlichung sexistischer Gewalt müssen unter schwere Strafen gestellt werden! Keine Chance für sexistische Gewalt gegen Frauen! Nirgendwo! Dafür gingen am 25. November weltweit Hunderttausende Frauen und auch Männer am Tag gegen Gewalt an Frauen auf die Straße.