Wirtschaft
Was ist dran am angeblichen "Fachkräftemangel"?
31.01.15 - In den letzten Wochen machten in den bürgerlichen Medien wieder einmal Klagen über die angebliche "weitere Verschärfung des Fachkräftemangels in der deutschen Wirtschaft" Schlagzeilen. Inbesondere um die Forderungen der Unternehmerverbände nach einer "Rente mit 70" auf "freiwilliger Basis" zu untermauern. In einer Studie der zum Leiharbeitskonzern Adecco S.A. gehörenden DIS AG heißt es reißerisch: "Die Not wächst. Weit mehr als jedes zweite Industrieunternehmen (65 Prozent) kann vakante Positionen im gewerblichen/handwerklichen Bereich derzeit nicht bedarfsgerecht besetzen" ("Südwestpresse", 21.1.15).
Zwar spricht auch die Arbeitsagentur in einer Studie vom November 2014 von "erheblichen Schwierigkeiten", die viele Betriebe aufgrund der "demografischen Entwicklung" in "naher Zukunft" mit der Rekrutierung der notwendigen Fachkräfte bekommen würden. Sie gibt jedoch zu, dass "aktuell von einem flächendeckenden Fachkräftemangel keine Rede sein kann".
Zweifellos werden sich die geburtenschwachen Jahrgänge auf dem Arbeitsmarkt auswirken, in erster Linie ist das Problem aber "hausgemacht". Laut Arbeitsagentur wurden für das Lehrjahr 2014/2015 rund 522.200 neue Ausbildungsverträge abgeschlossen, 7.300 weniger als im Vorjahr, was ein "neuer historischer Tiefstand ..., der niedrigste Stand im wiedervereinigten Deutschland" sei. Die größten Rückgänge werden im Bereich von Industrie und Handel verzeichnet. Allein in Nordrhein-Westfalen haben 24.000 registrierte Jugendliche bis Januar vergeblich einen Ausbildungsplatz gesucht, 60.000 weitere müssen in einer staatlich geförderten Warteschleifen verharren.
Um ihren Bedarf nach Fachkräften zu decken, setzen die Konzerne verstärkt auf "billige" gut ausgebildete Zuwanderer zum Beispiel aus Süd- und Osteuropa. Das meinen in der Regel Regierungspolitiker, wenn sie von "Deutschland als Einwanderungsland" sprechen. Ihnen geht es nicht um Hilfe für die wachsenden Flüchtlingsströme, sondern um regulierte Zuwanderung im Interesse der internationalen Monopole. Im völligen Kontrast zum Gejammer über "fehlende Fachkräfte" steht auch die Ablehnung der in der aktuellen Metall-Tarifrunde von der IG Metall geforderten Bildungsteilzeit (bezahlte Freistellung für Fortbildung) durch die Unternehmer.
Die Debatte über den "Fachkräftemangel" soll zudem davon ablenken, dass das Interesse der Masse der Jugend an einer gründlichen Ausbildung und Berufsausbildung im Kapitalismus vielfach mit Füßen getreten wird. Die Bildungsmisere soll den Jugendlichen und ihrem "mangelnden Ausbildungswillen" in die Schuhe geschoben werden.
Notwendig ist dagegen, den gemeinsamen Kampf von Jung und Alt für die Zukunftsinteressen in die eigene Hand zu nehmen. Als wirksame Maßnahmen fordern die MLPD und ihr Jugendverband REBELL schon lange eine zehnprozentige Ausbildungsquote in den großen Industrieunternehmen und eine Übernahme aller Auszubildenden entsprechend der Ausbildung. Das Problem der Massenarbeitslosigkeit und der Unterordnung der Berufsausbildung unter die Profitinteressen kann aber erst mit der Abschaffung der kapitalistischen Ausbeutung und Unterdrückung im echten Sozialismus überwunden werden.