Umwelt
"Ihr stinkt!" - Massendemonstrationen gegen die Regierung im Libanon
02.09.15 - In zahlreichen libanesischen Städten türmen sich seit dem Auslaufen der Verträge zur Müllentsorgung im Juli die Abfälle zu Müllhalden. Jeden Tag finden Demonstrationen statt. Zuletzt am Samstag in der Hauptstadt Beirut mit Zehnttausenden Teilnehmern, darunter viele Frauen mit ihren Kindern. Die "Müllkrise" ist längst zu einer offenen politischen Krise der libanesischen Regierung geworden. Der Libanon entwickelt sich zu einem neuen Brennpunkt des Kampfs für Freiheit und Demokratie. Neu und sehr bedeutsam ist, dass der Anlass für die Massenproteste und den neuen Aufschwung des Kampfs für Demokratie und Freiheit auf umweltpolitiische Fragen zurückgeht.
Das Land hat seit 18 Monaten keinen Präsidenten, und das Parlament hat zweimal Wahlen verschoben, um seine Amtszeit zu verlängern. Die neuen Aufträge zur Müllentsorgung wollten die provisorischen Minister zu überhöhten Preisen an Firmen mit Verbindungen zu bürgerlichen Politikern vergeben. Seitdem türmte sich der Müll und es entstand eine Massenbewegung mit dem Namen "Ihr stinkt". Inzwischen haben die Demonstranten ihre Forderungen erweitert. Die Proteste der Bevölkerung richten sich auch gegen Korruption und Misswirtschaft in der Verwaltung. Außerdem wächst die Unzufriedenheit über die Auswirkungen der schlechte Wirtschaftsentwicklung auf die Massen.
Zehntausende waren am Samstag zur Kundgebung auf dem Platz der Märtyrer in Beirut gekommen, als die Sprecherin des Protestbündnisses, Rascha Halabi, Forderungen verlas und ein Ultimatum verkündete, das am Dienstagabend ablaufen soll. Unter anderem verlangte sie den Rücktritt von Umweltminister Mohammad Machnuk. Das Parlament, das seine 2014 ausgelaufene Amtsperiode zuletzt eigenständig bis 2017 verlängert hatte, müsse neu gewählt werden. Zudem müsse Innenminister Nohad Machnuk für die Gewalt gegen Demonstranten in der vergangenen Woche zur Rechenschaft gezogen werden. "Wir geben der Regierung 72 Stunden Zeit", sagte sie. "Wenn unsere Forderungen bis Dienstag nicht erfüllt werden, gibt es eine Eskalation."
Am Dienstag wurde das Umweltministerium von Demonstranten besetzt. Der Forderungskatalog erweiterte sich abermals neben der vorgezogenen Parlamentswahl um die Übertragung der Zuständigkeit für die Müllentsorgung auf die Kommunen und die strafrechtliche Verfolgung von Gewalt gegen Demonstranten. Demonstranten erklärten auf "Facebook", Polizisten hätten mehrere Aktivisten geschlagen.
Marwan Maalouf ist einer der Organisatoren von "Ihr stinkt". Er erklärte: "Das Ganze hat ein Maß erreicht, in dem nicht nur der Müll in unseren Städten, sondern auch unsere Politiker stinken."
Im Libanon leben auch Tausende palästinensische Flüchtlinge in Flüchtlingscamps, die für ein befreites Palästina kämpfen. Bis zu 500.000 syrische Flüchtlinge sind seit dem Krieg in Syrien im Libanon aufgenommen worden. Auch viele Kurden leben im Libanon. Diese Kämpfe können sich verbinden mit dem Freiheitskampf der Kurden in Rojava. Damit wird auch der Libanon zu einem neuen bedeutenden Brennpunkt des Kampfs für Freiheit und Demokratie im Nahen und Mittleren Osten.