International
Wie Seehofer und Gauck Stimmung für weitgehende Einschnitte im Asylrecht machen
30.09.15 - Nach 105.000 Flüchtlingen im August erwartet die Bundesregierung einen erneuten Rekordmonat im September und bis zu einer Million Asylbewerber im gesamten Jahr 2015, die vor Kriegen, Umweltzerstörung, faschistischem Terror und Massenelend fliehen. Angesichts der breiten Kritik an der menschenverachtenden Politik gegenüber den Flüchtlingen und der beispiellosen Welle der Hilfsbereitschaft versuchten Kanzlerin Angela Merkel und andere bürgerliche Politiker mit ihrer "Willkommenskultur" und Betonung, dass es keine Obergrenze im Asylgesetz gibt, von der bisherigen reaktionären Asylpolitik abzulenken. Publikumswirksam wurde erklärt, dass genug Geld für Flüchtlinge da sei, und den Kommunen, die die Hauptlast tragen, mehr Geld zugesagt.
Nachdem Mitte September bereits die Grenzkontrollen wieder eingeführt wurden, will die Berliner Regierung nun mit einem Gesetzespaket weitreichende Einschnitte in das Aufenthalts-, Asyl- und Sozialrecht im Schnellverfahren durchpeitschen (siehe "rf-news"-Bericht). "Pro Asyl" und Solidaritätsorganisationen wie "Solidarität International" (SI) kritisierten den Gesetzesentwurf als ein Programm zur Abschottung, Abschreckung, Diskriminierung und Obdachlosigkeit. Kirchen, Wohlfahrtsverbände, DGB und Menschenrechtsorganisationen lehnen den Entwurf ebenfalls entschieden ab. Die MLPD kritisiert darüber hinaus prinzipiell die reaktionäre Flüchtlings- und Migrantenpolitik von Bundesregierung und EU, die sowohl auf rigorose Abschottung gegen Flüchtlinge als auch auf die Auslese solcher Menschen abzielt, die für den kapitalistischen Arbeitsmarkt von Interesse sind.
Mit der praktischen Aushebelung des Bleiberechts, der Ausdehnung des Verbleibs in Erstaufnahmeeinrichtungen, der Einführung von Sachleistungen statt Bargeld, der dauerhaften Kasernierung der Asylsuchenden bis zur Abschiebung verschärft die Bundesregierung die entwürdigende Behandlung der Flüchtlinge. Statt mit einer Verkürzung der Asylverfahren müssen die Betroffenen mit monatelangen unerträglichen Warteschleifen rechnen.
Begleitet wird dieser Prozess durch reaktionäre Töne aus der CDU, z.B. vom stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Hans Peter Friedrich, von Innenminister Thomas de Maizière und der früheren Vertriebenenverbands-Vorsitzenden Erika Steinbach, die mit der Kritik an Merkel einen noch schärferen Kurs fordern. Ganz offen will der ultrarechte Scharfmacher und CSU-Chef Horst Seehofer eine Zusage zur Aushebelung des Asylgesetzes mit der Begrenzung der Flüchtlingszahlen und erwägt einen Alleingang. Er dankte Bundespräsident Joachim Gauck, der in seiner Rede zum Auftakt der "Interkulturellen Woche" in Mainz von "Grenzen der Aufnahmefähigkeit" gesprochen hatte.
Gauck lobte die Hilfsbereitschaft vieler Helfer, um gleichzeitig subtil einfließen zu lassen, "dass die Möglichkeiten endlich sind". Damit macht er sich mit zum Träger des Versuchs, die Hilfsbereitschaft, Solidarität und das wachsende internationalistische Bewusstsein zu zersetzen. Dabei ist die These der begrenzten Kapazität völlig unsinnig. Allein nach dem II. Weltkrieg wurden etwa zwölf Millionen Ausgebombte und Vetriebene aufgenommen und das in einer wirtschaftlich erheblich schlechteren Zeit. Auch das Argument, "das waren alles Deutsche mit unserer Sprache und Kultur", hat kein Gewicht angesichts der heutigen Möglichkeiten der Schulsysteme, der Sprachausbildung der Flüchtlinge und nicht zuletzt der reichhaltigen Sprachenvielfalt der hier lebenden Migranten.
Nicht zuletzt muss der Schürung von Ängsten und Vorurteilen in Zusammenhang mit Ausschreitungen in Flüchtlingsunterkünften entgegengetreten werden, die auf sozialem Stress in völlig überbelegten Unterkünften aufgrund einer völlig gescheiterten Flüchtlingspolitik der Regierung beruhen. Ein Gegenstück zur Politik der Abschottung und herzlosen Behandlung ist das im Thüringer Wald geplante Projekt "Haus der Solidarität", das viele Unterstützer gemeinsam mit Flüchtlingen unter dem Motto "Refugees Welcome" aufbauen (mehr dazu: www.solidaritaet-international.de).