Politik

Interview mit Rechtsanwalt Frank Jasenski zu den Rechten von Flüchtlingen

11.11.15 - "rf-news" sprach mit dem Gelsenkirchener Rechtsanwalt Frank Jasenski über Hintergründe der Pläne, auch syrischen Flüchtlingen "subsidiären Schutz" zu gewähren.

"rf-news": Täglich gehen neue Meldungen über geplante oder angeblich bereits angewiesene Verschärfungen für Flüchtlinge in Deutschland durch die Medien. Die neueste Meldung aus dem Hause von Innenminister Thomas de Maizière von gestern ist die Mitteilung, auch für syrische Flüchtlinge das sogenannte "Dublin-Verfahren" wieder zu praktizieren. Was bedeutet das?

Frank Jasenski: Die derzeit geltende "Dublin-III-Verordnung" regelt unter anderem, welches Land der EU für die Bearbeitung des Asylantrags eines Flüchtlings zuständig ist. In aller Regel ist dies das Land, über das er in die EU eingereist ist, es sind aber auch Länder, in denen er auf seinem Weg nach Deutschland als Flüchtling registriert worden ist. Wird ein solches Land ermittelt, erhalten die Flüchtlinge Bescheide, in denen Deutschland die Durchführung eines Asylverfahrens ablehnt und die Abschiebung in das Land androht, das nach "Dublin III" zuständig sei.

Hier kann man den Betroffenen nur raten, sich so schnell wie möglich Hilfe bei Anwälten, kritischen Organisationen, örtlichen oder regionalen Flüchtlingsräten zu suchen und gegen diese Bescheide vor den Verwaltungsgerichten zu klagen. Diese Bescheide sind oft genug fehlerhaft, da das direkt dem Bundesinnenministerium unterstehende Bundesamt für Migration und Flüchtlinge penetrant sogenannte "strukturelle Mängel" im Asylverfahren bestimmter Länder wie z.B. Ungarn oder sonstige unzumutbaren Verhältnisse wie zum Teil in Italien ignoriert oder gesundheitliche Beeinträchtigungen, die eine Abschiebung verbieten, nicht berücksichtigt. Wichtig ist auf jeden Fall, die Frist von zwei Wochen für Klagen gegen diese Bescheide einzuhalten.

"rf-news": Innenminister de Maizière hatte ja auch geplant, syrischen Flüchtlingen nur noch den Status "subsidiärer Schutz" zu gewähren. Was bedeutet dieser Status überhaupt?

Frank Jasenski: Flüchtlingen aus Syrien soll zukünftig dieser Status zuerkannt werden. Derzeit werden sie in aller Regel als Flüchtlinge im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention anerkannt, erhalten einen sogenannten Flüchtlingspass und eine Aufenthaltserlaubnis für drei Jahre. Der Status "subsidiärer Schutz" liegt noch darunter. Er wurde eingeführt auf der Grundlage einer EU-Richtlinie mit dem Ziel, solchen Flüchtlingen einen besseren flüchtlingsrechtlichen Schutz zu gewähren, als er zuvor im Rahmen bloßer "Abschiebeverbote" z.B. in Bürgerkriegsländer bestand. Subsidiär Schutzberechtigte erhalten zunächst allerdings nur eine Aufenthalterlaubnis für ein Jahr.

"rf-news": Was steckt hinter der Forderung nach Einschränkung oder Aussetzung des Familiennachzugs für Flüchtlinge?

Frank Jasenski: Das wäre eine massive Verschlechterung der Rechte aller Flüchtlinge – gefordet ausgerechnet von CDU und CSU, die sich sonst immer gern als Hüterin der Familie aufspielen. Es ist das selbstverständliche Recht jedes Menschen, zusammen mit seinem Ehepartner und seinen Kindern leben zu können – verankert z.B. in Art. 6 Grundgesetz oder Art. 8 der Europäischen Konvention für Menschenrechte.

Seit dem 1. August wurde sogar eine Verbesserung für "subsidiär Schutzberechtigte" im Aufenthaltsgesetz in Kraft gesetzt, mit der sie beim Familiennachzug ausdrücklich Asylberechtigten und Flüchtlingen nach der Genfer Konvention gleichgestellt sind. Danach können Kinder und Ehepartner "subsidiär Schutzberechtigter" unter erleichterten Voraussetzungen nachkommen, wenn ein entsprechender Antrag in den ersten drei Monaten nach Anerkennung gestellt wird. Die Flüchtlinge müssen weder "ausreichenden Wohnraum" nachweisen noch ein Einkommen, mit dem sie die Familie unterhalten können, die Nachziehenden keine Deutsch-Kenntnisse. Wird die Frist von drei Monaten versäumt, läuft der Familiennachzug aber unter den gleichen Voraussetzungen wie bei allen anderen Migranten in Deutschland.

"rf-news": Welche Möglichkeiten haben betroffene Flüchtlinge und ihre Helfer, den Familiennachzug durchzusetzen?

Frank Jasenski: Dazu müssen sie sofort nach Anerkennung als "subsidiär Schutzberechtigte" zur Ausländerbehörde gehen und ausdrücklich den Antrag dafür stellen. Momentan werden die Flüchtlinge oft hingehalten und versäumen dann – auch aus Unkenntnis – die Dreimonatsfrist. Bei den Ausländerbehörden bzw. den deutschen Konsulaten in den Ländern, in denen sich die Familien befinden, dauert es dann oft sechs, neun oder zwölf Monate, bis die Familien endlich die Genehmigung erhalten, nach Deutschland zu kommen. Man muss verlangen, dass die Anträge zügig bearbeitet werden und die Genehmigung rasch und unbürokratisch erteilt wird. Die geplante Einschränkung des Familiennachzugs hätte natürlich auch zur Folge – und das weiß auch die Bundesregierung ganz genau – dass die Familien gezwungen wären, vermehrt höchst gefährliche Fluchtwege zu nutzen, um zu Ehepartnern oder Eltern zu kommen.

"rf-news": Vielen Dank für das Interview!