Politik

Generalangriff auf Flüchtlingsrechte

Generalangriff auf Flüchtlingsrechte
Thomas de Maizière (foto: Stephan Röhl / Flickr)

11.11.15 - Wie gestern bekannt wurde, hat Innenminister Thomas de Maizière schon seit dem 21. Oktober angewiesen, das Dublin-Verfahren für Flüchtlinge wieder in Kraft zu setzen - unter anderem auch für syrische Flüchtlinge. Es war seit August angesichts der wachsenden Welle von Flüchtlingen und der großen Solidarität unter der Bevölkerung von der Regierung faktisch ausgesetzt worden. Das Verfahren legt fest, dass diejenigen EU-Länder, in denen sich die Flüchtlinge zuerst registrieren ließen, das Asylverfahren durchführen müssen.

Zwar wird vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) weiterhin im Einzelfall überprüft, ob die "Rücküberstellung" in die Erstaufnahmeländer überhaupt möglich sei. Gegenüber Griechenland wird derzeit generell darauf verzichtet, weil Gerichte dies wegen der Überlastung des Landes verboten haben. Dennoch bedeutet De Maizières Erlass eine weitere Verschärfung der reaktionären Abschiebepolitik aus Deutschland.

Es ist erst wenige Tage her, dass de Maizière eine weitere Anordnung unterzeichnet hatte: auch für syrische Flüchtlinge, die bisher als Bürgerkriegsflüchtlinge auf Grundlage der Genfer Konvention anerkannt wurden, soll zukünftig der Status von "subsidiär Schutzberechtigten" gelten. Angeblich soll damit der Familiennachzug unterbunden werden. Dazu müsste die Regierung allerdings das Aufenthaltsgesetz ändern, in das erst am 1. August ausdrücklich das Recht auf Familiennachzug für "subsidiär Schutzberechtigte" aufgenommen wurde. Nach Intervention aus dem Kanzleramt zog de Maizière die Anweisung erst einmal zurück. Dabei herrscht durchaus parteiübergreifende Einigkeit in der Koalition, dass der Familiennachzug von Flüchtlingen einzuschränken sei (siehe "rf-news"-Kurzmeldung).

Strahlende Flüchtlinge mit "Mutti Merkel"-Schildern, die Kanzlerin beim Selfie mit einem Flüchtling – diese Bilder sind noch gut in Erinnerung. Viele Flüchtlinge und ehrenamtliche Helfer verlieren inzwischen ihre Illusionen in die angebliche "Willkommenskultur" der Bundesregierung und es mehren sich die Proteste dagegen. So heißt es in einer aktuellen Stellungnahme von "Pro Asyl": "Die Aussetzung des Familiennachzugs würde ... unendliches Leid produzieren. Nicht nur syrische, sondern auch afghanische Flüchtlinge und andere ..., die subsidiären Schutz erhalten, werden sich mit der gesamten Familie auf den Weg über die tödlichen Routen nach Deutschland machen. ... Die Große Koalition und insbesondere der Innenminister tragen die politische Verantwortung für das Sterben an den Grenzen."

Tatsächlich war die groß gefeierte "Willkommenskultur" der Bundesregierung vom ersten Tag an verlogen, ein propagandistisches Zugeständnis an die breite Solidarität in der Bevölkerung mit den Flüchtlingen. Seit Sommer, von Beginn der großen Flüchtlingsbewegung an, ist das ohnehin schon weitgehend ausgehölte Asylrecht ständig weiter eingeschränkt worden (siehe "rf-news"-Artikel vom 19. September, vom 24. Oktober und 7. November). Selbst nach Afghanistan sollen Flüchtlinge jetzt verstärkt abgeschoben werden! Wie "sicher" dieses Land ist, darüber gibt das Auswärtige Amt Aufschluss: "Vor Reisen nach Afghanistan wird dringend gewarnt ..." (www.auswaertiges-amt.de, 10.11.15).

Zum Teil werden diese Maßnahmen schon angewendet, zum Teil sind sie beschlossen oder werden erst noch vorbereitet. Zusammengenommen bilden sie einen Generalangriff auf die Rechte der Flüchtlinge, insbesondere der syrischen Flüchtlinge. Angesichts der gesellschaftlichen Polarisierung wächst zugleich der Streit in Koalition darüber, wie schnell und wie offen diese Verschärfungen durchzusetzen sind. Hektisches Vorpreschen und Rückzieher der verschiedenen Minister und Behörden folgen in immer kürzeren Abständen. Das Gezeter der SPD richtet sich vor allem dagegen, dass sie angeblich nicht informiert worden sei. In der Grundrichtung sind sich alle Regierungsparteien einig. Sie haben vor allem Angst vor der Reaktion der Masse der Menschen, die mit den Flüchtlingen solidarisch sind.

Es war genau diese Politik, die an der Welle der solidarischen Hilfsbereitschaft von über 9,5 Millionen Menschen gescheitert ist. Jetzt will die Regierung diese gescheiterte Politik auch noch verschärfen. Das muss auf den entschiedenen Protest aller demokratisch gesinnten Menschen stoßen. Die Scharfmacherei von De Maizière gilt es dabei genauso anzugreifen wie die Heuchelei von Angela Merkel.

Die MLPD zeigt dagegen klar Flagge. Sie steht für ein uneingeschränktes Asylrecht auf antifaschistischer Grundlage. Sie steht für die Forderung nach Schaffung ordentlicher Lebensbedingungen für alle Flüchtlinge. Sie steht aber auch dafür, dass Flucht die zugrundeliegenden Probleme nicht löst. Dafür muss der gemeinsame Kampf zur Überwindung des imperialistischen Weltsystems durch die Errichtung vereinigter sozialistischer Staaten der Welt aufgenommen werden.

Die MLPD unterstützt das Projekt eines "Hauses der Solidarität", das in Truckenthal (Thüringen) entsteht und in dem syrische Flüchtlinge im Sinne der internationalen Solidarität aufgenommen werden. Mehr zur Flüchtlingspolitik der MLPD in der Broschüre "Zehn Argumente".