Politik
Anton Schlecker: Angeklagt wegen vorsätzlichen Bankrotts
15.04.16 - Die Stuttgarter Staatsanwaltschaft hat Anklage gegen Anton Schlecker, seine Frau und seine beiden Kinder sowie zwei Wirtschaftsprüfer von Ernst & Young Anklage wegen vorsätzlichen Bankrotts erhoben. In den 1970er Jahren begann der damalige Wurstfabrikant Schlecker den Aufbau eines milliardenschweren Drogeriemarkt-Imperiums mit zuletzt 14.000 Filialen und 50.000 Mitarbeiter(inne)n. Was als "Erfolgsgeschichte im europäischen Einzelhandel" bejubelt wurde, fußte auf einer besonders ausgefeilten Ausbeutung der Beschäftigten, meist Verkäuferinnen, und rigorosen Unterdrückungsmaßnahmen.
1998 wurde das Ehepaar Schlecker vom Landgericht Stuttgart zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten auf Bewährung und zu einer Geldstrafe in Höhe von einer Million Euro verteilt, weil den Schlecker-Beschäftigten vorgetäuscht worden war, sie würden nach Tarif bezahlt. Aber das war nur die Spitze eines Eisbergs von gnadenlosem Umgang mit den Kolleginnen und Kollegen. Bespitzelung, geheime Kamera-Überwachung, Entlassung und Wiedereinstellung in die hauseigene Leiharbeitsfirma zu Hungerlöhnen (6,78 Euro) usw. Das sollte nicht vergessen werden, wenn Schlecker jetzt wegen seiner betrügerischen Machenschaften angeklagt wird.
2012 – auf dem Höhepunkt der Weltwirtschafts- und Finanzkrise – schrumpfte der Markt für Drogerieartikel. Schlecker wurde Konkurrenten wie "Rossmann" und "dm" geopfert, die zu finanzstarken Übermonopolen gehören und dadurch bereits 2012 jeweils mehr als 10 Prozent Umsatzsteigerung erzielen konnten (siehe "rf-news"-Artikel vom 2.6.2012).
Als die Insolvenz drohte, brachte Anton Schlecker für sich und seine Familie die Schäfchen ins Trockene. Während die entlassenen 23.400 Verkäuferinnen in die Arbeitslosigkeit geschickt wurden und nur ca. 9.000 von ihnen nach einem Jahr wieder Arbeit hatten, begann Anton Schlecker ein Geschacher um den Erhalt seines Privatvermögens. Seit Jahren schon bezahlte er seiner Frau ein "Einkommen" von 60.000 Euro im Monat, übertrug das luxuriöse Familienanwesen in Ehingen auf sie und übertrug "verdächtige unentgeltliche Vermögensübertragungen auf Familienangehörige", wie es im Durchsuchungsbeschluss der Stuttgarter Staatsanwaltschaft von 2012 heißt. An seine Kinder übertragene, ausgelagerte Firmen erwirtschafteten rekordverdächtige Kapitalrenditen von über 40 Prozent - auf Kosten der Drogeriemärkte.
Die "Schlecker-Frauen" und ihre fantasievollen Kampfaktionen wurden zu einem geflügelten Begriff. Gemeinsam mit ihrer Gewerkschaft ver.di setzten sie in hartnäckigen Auseinandersetzungen Tarifverträge und bessere Arbeitsbedingungen durch. Die Insolvenz von Schlecker und Vernichtung tausender Arbeitsplätze konnten sie nicht verhindern. Die Anklage gegen Anton Schlecker und seine Familie hört sich nach "später Gerechtigkeit" an, umfasst aber nur einen zweistelligen Millionenbetrag.
Schlecker ist ein exemplarisches Beispiel für kapitalistische Profitgier, hemmungslose Bereicherung, rücksichtslose Ausbeutung und Unterdrückung - verkauft im Gewand des "schwäbischen Biedermanns". In den bürgerlichen Medien wird er teilweise als bedauerlicher "Einzelfall" dargestellt.
Im Vergleich zu den führenden Monopolen des allein herrschenden internationalen Finanzkapitals ist Schlecker jedoch nur ein "kleiner Fisch". Sie verschieben ständig völlig legal Milliardenbeträge aus ihren Profiten zwischen verschiedenen Standorten hin und her, um mit angeblichen "Verlusten" Massenentlassungen zu rechtfertigen und sich der Zahlung von Steuern in den jeweiligen Ländern zu entledigen. Die Enthüllungen über die "Panama Papers" zeigen, dass Steuerhinterziehung in diesen Kreisen zum "guten Ton" gehört. Strafverfolgung haben sie nicht zu befürchten.
Viele Gründe, über dieses System hinauszudenken und für die Abschaffung jeder kapitalistischen Ausbeutung und Unterdrückung im echten Sozialismus einzutreten.