International
Frankreich: Wachsende Protestbewegung "Nuit debout"
18.04.16 - In Frankreich spitzt sich die Auseinandersetzung um die von der Regierung geplanten Änderungen des Arbeitsgesetzes zu. Seit Wochen gibt es Streiks und Demonstrationen gegen drohende Verlängerung der Arbeitszeit bis zu 12 Stunden pro Tag, verschärfte Ausbeutung minderjähriger Lehrlinge, Schwächung der Gewerkschaften u.a. Am Donnerstag brachte Präsident François Hollande das Fass zum Überlaufen. In einer Fernseh-Debatte lehnte er nicht nur die Rücknahme seiner Pläne ab, sondern provozierte mit der Behauptung: "Frankreich geht es heute besser". Damit verhöhnte er die Zuschauer im ganzen Land, die kurz vorher von einer Rekord-Arbeitslosigkeit erfahren hatten samt Jugendarbeitslosenquote von 25%.
Hollande versucht mit den neuen Arbeitsgesetzen eine Art französische Agenda 2010 zu installieren. Mit dieser berüchtigten Reform, zu der auch die Hartz-Gesetze gehören, hat die Schröder-Fischer-Regierung im Jahr 2004 in Deutschland auf breiter Front Niedriglöhne, Leiharbeit und befristete Arbeitsverträge eingeführt. So konnten Monopole und Unternehmen die Ausbeutung steigern, das Arbeitslosengeld senken usw.
Die bürgerlichen Medien waren voll von Berichten über ca. 300 Jugendliche, die jetzt durch die Pariser Innenstadt zogen und Schaufenster und Autos zerstörten. Kaum etwas liest man allerdings über Provokationen der Polizei gegenüber der Protestbewegung, die sich in den letzten Tagen häuften. So schüttete die CRS-Polizei am 11. April einen Riesen-Suppentopf einer von den Demonstranten selbstorganisierten Kantine auf der besetzten Pariser Place de la République Paris in die Gosse.
Hunderte Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Bewegung "Nuit debout" ("Die Nacht über wach") besetzen seit dem 31. März jede Nacht die Place de la République. Die Bewegung wächst weiter. Inzwischen gibt es auch im südfranzösischen Toulouse eine permanente Platzbesetzung und in über 100 Städten für mindestens eine Nacht in der Woche. In ganz Frankreich werden die Debatten und Aktionen während dieser Nächte im Internet verfolgt.
Am 13.4. haben Eltern in Saint Denis 200 Schulen besetzt aus Protest gegen Lehrermangel, Unterrichtsausfall, aber auch allgemein gegen die "Spar-Politik".
Die Redner auf den Plätzen rufen immer öfter zu "Convergence de luttes" auf, v.a. zum Zusammenschluss mit den Arbeitern in den Betrieben. Vor der ersten Beratung des neuen Arbeitsgesetzes am 3. Mai im Parlament gerät die französische Regierung in die Defensive.
Bisher protestieren v.a. jugendliche Schüler, Studenten, Beschäftigte in Mini- und Gelegenheitsjobs. Sie haben "ras-le-bol" (die Nase voll), dass sich ihre Lage immer weiter verschlechtert, und über die Arroganz der Herrschenden. Ein Schüler im Interview: "Wir sind hier, weil wir gehört werden wollen, nicht um Polizisten zu verprügeln." Neu ist, wie selbstbewusst Forderungen gestellt werden. Ein Hashtag der Demonstranten lautet: "Nous valons mieux que ϛa". Also: "Wir sind mehr wert als das" (was die Herrschenden mit uns machen).
Eine Korrespondentin in Paris berichtet ihre Einschätzung an rf-news: "Die Bewegung 'Nuit debout' verbreitert die Protestbewegung in Frankreich. Die Stärke der Bewegung ist mit Schwächen eng verbunden: Zugleich mit dem Streben nach Demokratie werden nötige Prinzipien abgelehnt. Beschlüsse werden kaum gefasst. Weil man alles anders machen will, dürfen Parteien nicht auftreten, auch wenn sie sich links positionieren. Gerade die stärkeren bürgerlichen Parteien können so aber Einfluss nehmen, ohne offen aufzutreten. Ist es Zufall, dass sich die Diskussionen manchmal weit vom gegenwärtigen Kampf entfernen? Der gehört doch in den Mittelpunkt: Wenn die Regierung tatsächlich gezwungen würde, den Gesetzentwurf zurück zu ziehen, wäre das eine große Ermutigung und gute Voraussetzung, die Kämpfe weiter zu treiben. Aufgabe der Marxisten-Leninisten ist es, hierbei auf die Rolle der Arbeiterklasse zu orientieren und sie zu stärken sowie den grundsätzlichen Ausweg aus der gesellschaftlichen Krise im Sozialismus zu propagieren."
Weltweit beleben sich in den letzten Monaten gerade unter der Jugend die Proteste (siehe rf-news 2.4.16). Immer wichtiger wird es, dass die Marxisten-Leninisten und revolutionäre Jugendorganisationen "mitten" in der Bewegung sind und ihr zugleich Zielrichtung, Klarheit und Perspektive geben sowie ihre Organisationskraft stärken. Die Auseinandersetzungen gehen mehr und mehr um die Frage, was statt Kapitalismus möglich ist. Die "Spezialisten" für die Beantwortung dieser Frage sind die Marxisten-Leninisten, die nicht für Tagträumereien und Phantasiegesellschaften eintreten, sondern für die revolutionäre Überwindung des Kapitalismus und den echten Sozialismus, in dem Lehren aus Erfolgen und Niederlagen der früheren sozialistischen Länder gezogen werden.
Genauso hat der REBELL, die Jugendorganisation der MLPD, kürzlich an der 2. Weltfrauen-Konferenz teilgenommen und sich besonders mit den teilnehmenden jungen Frauen aus aller Welt zusammengeschlossen. Demnächst sind auch das Rebellische Musikfestival und das Sommercamp des REBELL internationale Begegnungen.