Betrieb und Gewerkschaft
Wachsende Mobilisierung im Tarifkampf der Metaller - VW-Arbeiter vorne dran
12.05.16 - Bisher beteiligten sich schon 700.000 Metaller an Warnstreiks in der laufenden Tarifauseinandersetzung mit der Forderung nach 5 Prozent Lohnerhöhung. Welche Kraft in den Arbeitern steckt, wenn sie kämpfen, zeigten gestern die 61.000 VW-Beschäftigten aus mehreren VW-Werken in ihren Warnstreiks, obwohl der eigene Haustarifvertrag für VW bis Ende Mai Friedenspflicht vorsieht. Von "Frieden" keine Spur, im Gegenteil!
In Salzgitter besetzten 7.500 Kolleginnen und Kollegen unter anderem von VW, MAN und Salzgitter AG die von ihnen so benannte "Kreuzung der Metallerinnen und Metaller". In Hannover demonstrierten 8.000 Beschäftigte von VW, Wabco, Hanomag, Johnson-Controls und anderen Betrieben. In Wolfsburg zogen 30.000 Kolleginnen und Kollegen des VW-Hauptwerks vor die Hallen. Die Beteiligung so vieler VW-Beschäftigter lässt sich nicht allein aus der Tarifrunde und dem Kampf für höhere Löhne erklären. Eine große Rolle spielt die zunehmend bewusste Verarbeitung der VW-Krise, ihrer gesellschaftlichen Ursachen und Folgen - wozu nicht zuletzt mehrere Tausend in den letzten Wochen verteilte VW-Broschüren der MLPD beigetragen haben.
Während die Vorstände sich Gehälter bis 14,5 Millionen Euro genehmigen, zogen die Großaktionäre Porsche, Piech und Katar am Dienstag auch die Zusage zur Auszahlung einer "Anerkennungsprämie" an die Belegschaften zurück. Diese Prämie war anstelle eines tarifvertraglich vorgesehenen Erfolgsbonus angekündigt. Angesichts der Gier und Dreistigkeit der Vorstände wächst das Selbstbewusstsein, jetzt erst recht eigene Forderungen aufzustellen, wie unter anderem nach der sofortigen Übernahme der Leiharbeiter. In Kassel fordert die IGM-Fraktion im Betriebsrat mit einer Unterschriftenliste: "Wir haben die Abgas-Krise nicht verursacht! ... Wir wollen die Anerkennung, die uns zusteht! ... Und wir wollen sichere Jobs, auch für unsere KollegInnen aus der Leiharbeit!"
"In Kassel-Baunatal fand eine einstündige kämpferische Kundgebung vor dem Haupttor von VW statt", berichtet ein Korrespondent. "Es nahmen ca. 6.500 Kolleginnen und Kollegen teil, was bemerkenswert viele sind. Teils waren Fahrgemeinschaften aus der Region extra zur Spätschicht früher gekommen. Sie protestierten gegen das provokative Null-Angebot des Konzerns in der Tarifrunde zum Haustarifvertrag und gegen das Abwälzen der Folgen der VW-Krise auf die Belegschaften. Die Stimmung war kämpferisch. Bei den offiziellen Rednern waren außer kämpferischen Tönen immer wieder Angebote an die Geschäftsleitung zu hören, man wolle ja gerne zusammen mit ihnen die Zukunft gestalten, aber so ginge das nicht. Die Montagsdemo Kassel übergab eine Solidaritätserklärung. Kollegen zeigten ein Transparent für den Verbleib einer schwerbehinderten Kollegin in Baunatal. Insgesamt konnten wir ca. 750 VW-Broschüren verbreiten, die gerne genommen wurden."
"Es müsste einen richtigen Streik geben, so wie früher, als wir die B6 blockiert haben", sagte eine Gruppe hannoverscher VW-Arbeiter. Etliche Kolleginnen und Kollegen sind allerdings nicht mit vor das Tor gegangen, weil sie aus der Erfahrung fauler Kompromisse der Vergangenheit meinen, es sei schon alles ausgehandelt. Es entfaltet sich aber auch die Auseinandersetzung mit dieser fatalistischen Haltung. Ein Kollege forderte den gemeinsamen Kampf der VW-Belegschaften: "Jetzt müssen alle bei Audi, Porsche, MAN, VW zusammen streiken. Dann würden die nach einem Tag einknicken."
Dagegen versucht die VW-Betriebsratsspitze um Bernd Osterloh, die Belegschaften zu spalten. Sie erklärte die Bereitschaft, "gemeinsam die Karre aus dem Dreck zu ziehen und VW wieder stark zu machen", und verhandelt über einen "Zukunftspakt" für die deutschen Standorte. Ein "Zukunftspakt" gemeinsam mit Managern, die mit kriminellen Betrügereien - unterstützt von Bundes- und Landesregierung die Vergiftung der Atmosphäre und Schädigung der Gesundheit von Millionen Menschen auf die Spitze treiben? Ein solcher "Zukunftspakt" würde nur im weiteren beschleunigten Übergang zur globalen Umweltkatastrophe und der weiteren Unterordnung der Belegschaften unter die Profimaximierung der Konzernspitze enden. Passend dazu wurde das von der Betriebsratsspitze im Herbst verbreitete Motto "VW - Ein Team - eine Familie" auf einem Transparent kurzerhand zu "Kein Team - keine Familie" abgewandelt.
Die VW-Broschüre der MLPD, von der VW-Kolleginnen und -Kollegen schon über 8.200 Exemplare genommen haben, wird von vielen als eine große Hilfe empfunden, die vielen Fragen klarer zu kriegen. Sie regt grundsätzliche Diskussionen um den Sozialismus als Alternative zum verkommenen staatsmonpolistischen Kapitalismus an. Eine Kollegin brachte das auf den Punkt: "'Höchst kriminelle Machenschaften' ist ein sehr treffender Titel."