International
Türkei: ICOR-Resolution zum Putschversuch - Erdogan entfaltet "Gegenputsch"
20.07.16 - Die revolutionäre Weltorganisation ICOR (Internationale Koordinierung revolutionärer Parteien und Organisationen) hat als sofortige Reaktion auf den gescheiterten Putschversuch von Teilen des Militärs in der Türkei (siehe rf-news) eine Resolution verabschiedet. Insgesamt unterzeichneten innerhalb weniger Tage 35 ICOR-Mitglieder und eine Nicht-Mitgiedsorganisation. (Stand vom 18. Juli 2016).
Die ICOR bewertet den fehlgeschlagenen Putschverusch unter anderem so: "An vielen Orten der Türkei gingen Massen für und gegen Erdogan auf die Straße. Gegen 4 Uhr morgens verkündete Erdogan die Niederschlagung des Putschversuchs. Mindestens 265 Menschen sollen dabei umgekommen und 1440 verletzt worden sein. Das Erdogan-Regime begann umgehend mit großangelegten Säuberungen, Verhaftungen und Hinrichtungen im Militär. Im Unterschied zu den Militärputschen von 1971 und 1980 putschten diesmal nicht die extrem reaktionären und faschistischen Kräfte gegen die fortschrittliche und revolutionäre Bewegung. Bei dem gescheiterten Putschversuch geht es um eine scharfe Auseinandersetzung innerhalb der türkischen Bourgeoisie. Teile des Militärs rebellierten gegen die zunehmende internationale Isolation der Türkei, die sich durch Erdogans Kurs der aggressiven innen- und außenpolitischen Verschärfung und Vertretung seiner eigenständigen machtpolitischen Interessen entwickelte. Das unterstreicht die demagogische Erklärung der Putschisten, die den 'Schutz der verfassungsmäßigen Ordnung, Menschenrechte und Freiheiten, Einhaltung der Gesetze' und die 'Wiederherstellung der allgemeinen Sicherheit' versprach. ...
Die Erdogan-Regierung bezeichnet inzwischen den Putsch als 'Geschenk Gottes' und praktiziert mit faschistischen Methoden umfangreiche Säuberungen im Militär- und Staatsapparat sowie gegen kritische, fortschrittliche und revolutionäre Kräfte. Das zielt darauf ab, die autokratische Herrschaft des Erdogan-Regimes auszubauen."
Die ICOR-Mitgliedpartei Marxistisch-Leninistische Kommunistische Partei der Türkei/Nordkurdistan (MLKP) erklärte gegenüber rf-news, dass es konkret bereits zu Versuchen gekommen sei, traditionell als oppositionell und links bekannte Stadtteile in Istanbul durch nationalistisch-islamistisch aufgehetzte, teils bewaffnete Gruppen, die von Polizeieinheiten begleitet wurden, anzugreifen. "Diese Versuche wurden durch die Bevölkerung zurückgeworfen", so die MLKP.
Es gab mindestens 7.500 Festnahmen, darunter 6 038 Soldaten. Weiterhin hat das Erdogan-Regime 30 000 Staatsangestellte vom Dienst suspendiert. Es hat alle Universitäten angewiesen, Akademikern die Ausreise aus der Türkei zu verbieten, und die Akademiker im Ausland zurückzurufen. 24, angeblich seinem Konkurrenten Gülen nahestehende, Radio- und Fernsehstationen ließ Erdogan mittlerweile schließen. 30 Gouverneure sitzen in Haft. Das Erdogan-Regime geht aber nicht nur gegen Gülen-Anhänger vor, sondern nun verstärkt gegen Revolutionäre, Aleviten und andere fortschrittliche und kritische Menschen und Organisationen.
Wichtig ist es jetzt, den Protest gegen den Militärputsch und Erdogans faschistische Maßnahmen auf die Straße zu tragen. Die Demonstrationen, die heute und in den nächsten Tagen zum ersten Jahrestag des Massakers des IS in Suruc vom 20. Juli 2015 stattfinden werden, sind dazu eine gute Gelegenheit! Im Rahmen dieses Massakers wurden 34 revolutionäre Jugendliche, die zum Teil der sozialistischen Jugendorganisation Sosyalist Gençlik Dernekleri Federasyonu (Föderation der sozialistischen Jugendverbände der Türkei: SGDF) angehörten, ermordet. Sie waren auf dem Weg, im west-kurdischen Kobanê Aufbau-Hilfe zu leisten.
Hier geht es zu den Terminen der Proteste gegen das Massaker in Suruc!
Hier kann die komplette Resolution der ICOR gelesen werden!
Mehr zum Thema gibt es im Rote Fahne-Magazin, das am Freitag, 22. Juli, erscheinen wird. Es kann hier bestellt werden!