International
Regierungsstreit über Flüchtlingspolitik verschärft sich erneut
19.01.16 - Erneut verschärft sich der notdürftig beigelegte Streit um die Flüchtlingspolitik innerhalb der Großen Koalition. 44 Mitglieder der CDU-Bundestagsfraktion haben Unterschriften unter einen "Merkel-kritischen" Brief gesammelt, um ein härteres Vorgehen gegen Asylsuchende durchzusetzen. Begründet wird das mit der angeblich drohenden "Überforderung" Deutschlands. So sollen Ängste und Vorbehalte geschürt werden. Tatsächlich wurde, gestützt auf die breite Solidarität mit den Flüchtlingen unter den Massen, der bisherige Flüchtlingsstrom durchaus bewältigt. Darum geht es weder den reaktionären Scharfmachern in der CSU noch den Spitzen der Regierung. Das Schicksal der Flüchtlinge interessiert sie genauso wenig wie die Beseitigung der Fluchtursachen, für die sie selbst maßgeblich verantwortlich sind.
Auch die CSU-Führung stellt der Kanzlerin ein Ultimatum, dass sie bis zum März 2016 eine "Wende in der Flüchtlingspolitik" durchführen müsse. Gemeint ist: die Flüchtlinge noch schneller abschieben bzw. sie gar nicht hereinzulassen, verschärfte Grenzkontrollen usw. Dabei sind sie sich im Kern der reaktionären Abschottungspolitik mit der Bundeskanzlerin einig. Unter ihrer Führung wurden zuletzt erhebliche Verschärfungen in der Flüchtlingspolitik durchgesetzt.
Dazu arbeiten Merkel und Außenminister Steinmeier eng mit der reaktionären Erdogan-Regierung zusammen. Unter anderem mit EU-Geldern und der zugesagten Drei-Milliarden-Spritze baut die Türkei Abschiebegefängnisse an der Grenze zu Syrien und schickt Flüchtlinge direkt in die syrischen Kriegsgebiete zurück. Die Fassade der "Willkommenskultur" der Merkel-Regierung bröckelt zunehmend.
Auch die SPD rückt nun deutlich nach rechts und fordert massive Maßnahmen, um den Zustrom von Flüchtlingen einzudämmen. Selbst Sahra Wagenknecht fordert die Einschränkung der Flüchtlingszahlen. O-Ton: "Wer sein Gastrecht missbraucht, der hat sein Gastrecht eben auch verwirkt." Mit der Bezeichnung der Flüchtlinge als "Gäste" begibt sie sich auf das Niveau eines gönnerhaften bürgerlichen Humanismus. Offenbar hat sie "vergessen", dass die übergroße Mehrheit der Flüchtlinge zur Masse der Unterdrückten gehört, denen das imperialistische System ihre Existenzgrundlage raubt.
Die Arbeiter und breiten Massen in Deutschland haben dasselbe Interesse wie die Flüchtenden, den Kampf zur revolutionären Überwindung dieses überkommenen Systems aufzunehmen. Darauf hinzuarbeiten, ist ein Kern der internationalistischen Flüchtlingspolitik der MLPD. Sie zielt deshalb unter anderem auch darauf ab, den Flüchtlingen möglichst zu helfen, in ihre Heimatländer zurückzukehren und dort den Kampf selbst gegen die herrschenden Verhältnisse (wieder)aufzunehmen.
Als Begleitmusik zu weiteren geplanten und geforderten Verschärfungen wird seit Wochen von reaktionären Politikern und Medien eine massive Stimmungsmache gegen Flüchtlinge betrieben. Die massenhafte und organisierte sexuelle Gewalt an Frauen zu Silvester in Köln, die entschieden zu verurteilen ist, wird dafür zum Vorwand genommen, aber auch insgesamt kriminelle Umtriebe mafiöser Banden aus Nordafrika und anderen arabischen Ländern.
Die MLPD protestiert entschieden gegen die Stimmungsmache in den Medien
und dagegen, dass faschistische Kräfte weitgehend
ungehindert "Bürgerwehren" aufbauen, Flüchtlinge verfolgen
Flüchtlingsheime angreifen. Dem stellen sich bereits in vielen Städten
Demokraten, fortschrittliche Menschen und Revolutionäre entgegen (siehe
dazu auch die Berichte in "rf-news" vom 7.1., 8.1., 9.1.). So protestierten in Stuttgart am 16. Januar an die 10.000 Menschen gegen "Hetze und Gewalt an Flüchtlingen". Ein Korrespondent berichtet:
"Unter dem Motto 'halt!zusammen' hatte der DGB zur Kundgebung am 16. Januar aufgerufen. Über 80 Organisationen hatten sich angeschlossen, einschließlich dem Unternehmerverband, dessen Vertreter Wolf auch auf dieser Kundgebung öffentlich am Stuhl der Kanzlerin sägte. In diesen Tagen, in denen die Medien pausenlos über eine angeblich kippende Stimmung gegenüber Flüchtlingen berichten, war diese Kundgebung dennoch eine wichtige Demonstration der internationalen Solidarität. Das zeigte sich auch in der Aufgeschlossenheit gegenüber der MLPD, die an die 1.000 ihrer Broschüren für eine proletarische Flüchtlingspolitik verbreitete. Eine ältere Demonstrantin, die der Broschüre zunächst mit den Worten 'Ihr könnt viel schreiben – es kommt aber darauf an, was man tut' skeptisch begegnete, konnte mit den Projekten in Kobanê und Truckenthal von der Einheit von Wort und Tat überzeugt werden."
Die Broschüre kann hier bestellt und heruntergeladen werden!)