International
Farbenfrohe, kämpferische und internationalistische Demonstration für Demokratie und Freiheit in der Türkei
30.07.16 - Über 400 Menschen beteiligten sich heute an der Demonstration des Bündnisses internationalistischer, klassenkämpferischer, antifaschistischer und revolutionärer Organisationen und Einzelpersonen in Köln. Auf dem Haupttransparent hieß es: "Gegen Militärputsch und Errichtung einer faschistischen Diktatur in der Türkei – Für Freiheit, Demokratie und Sozialismus!" Sie setzte ein Zeichen gegen den AKP-Aufmarsch, der morgen in Köln stattfinden soll, aber auch gegen eine (deutsche) faschistische Demo, die morgen geplant ist. Pünktlich um "5 vor 12" ging es los.
Peter Weispfenning als Mitglied des Koordinierungskreises des Bündnisses und Anna Schmidt vom Jugendverband REBELL begrüßten die Delegationen vielfältiger Organisationen: Die (Migranten-)Organisationen ATIK, Partizan und die TIKB aus der Türkei, Freunde und Genossen aus Kurdistan, Komala/Kommunistische Partei Iran, aus dem Umfeld der Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP), von der Kommunistischen Partei Chiles, MLPD, Jugendverband REBELL, die Bonner Jugendbewegung, das Linke Forum Radevormwald, die Soldaritätskomitees für Rojava aus Berlin, Hamburg und Stuttgart, Solidarität International, Frauen vom Frauenverband Courage, Gewerkschafter von IG Metall, ver.di, und anderen. Auch von der Antifaschistischen Aktion aus Köln war eine Fahne zu sehen.
Aufgrund der Urlaubszeit, der knappen Vorbereitungszeit, aber auch weil die Jugendverbände gerade Sommercamps durchführen, waren oft Delegationen angereist, die sehr gut sichtbar mit Fahnen, Rednern oder auch Parolen auftraten - mit einem ausgeprägten Zusammengehörigkeitsgefühl und in großer Solidarität.
Bevor es losging, wurden die Prinzipien der Demonstration vorgestellt, unter anderem sich an die Masse der Bevölkerung zu wenden, auf antifaschistischer Grundlage gleichberechtigt und auf Augenhöhe zusammenzuarbeiten, nicht zu provozieren und sich nicht provozieren zu lassen. Ein Grußwort überbrachte Riad Salamah für die PFLP.
Während der gesamten Demonstration wurde auf dem Lautsprecherwagen ein offenes Mikrofon organisiert, unterbrochen von Liedern und gemeinsam gerufenen Parolen. Gesungen wurden deutsche und türkische Lieder wie Bir Mayis (1. Mai), das Einheitsfrontlied oder das Lied vom Wind, der zu den Befreiungskämpfern zieht. Ein Vertreter von Komala/KP Iran war froh, "auf den Straßen von Köln so viele rote Fahnen zu sehen".
Die Rednerinnen und Redner forderten, sich einzureihen, weil es Zeit ist, Flagge zu zeigen gegen den Militärputsch in der Türkei genauso wie dagegen, dass der türkische Präsident Erdogan diesen nun einen faschistischen Gegenputsch ausnützt. 15.000 sind bereits verhaftet worden, fast täglich werden weitere bürgerlich-demokratische Rechte und Freiheiten abgeschafft oder beschnitten - ein qualitativer Sprung im Prozess der Errichtung einer faschistischen Diktatur in der Türkei.
Ein Stahlarbeiter aus Duisburg berichtete von den entfalteten Auseinandersetzungen mit seinen Kolleginnen und Kollegen. Er betonte: "Als aktiver Gewerkschafter ist es wichtig, für die internationale Arbeitereinheit einzutreten."
Die kämpferische, kulturvolle, optimistische und disziplinierte Atmosphäre der Demonstration hatte große Ausstrahlung - und stand in krassem Kontrast zu den Warnungen der staatlichen Behörden, am Wochenende seien nur "Krawalle" zu erwarten. Immer wieder blieben Passanten stehen, zigtausende hörten in der gut besuchten Kölner City kurz zu, viele zückten ihr Handy, um Fotos oder Videos machen. Häufig grüßten Deutsche und Türken mit nach oben zeigendem Daumen oder dem Victory-Zeichen.
Andere kamen ans Fenster, um zu schauen, was da los ist. Und nicht wenige entschlossen sich spontan, mitzumarschieren. Dass sie überrascht waren, hängt auch damit zusammen, dass die bürgerlichen Medien aus Köln und bundesweit im Vorfeld eine Mediensperre über diese Demonstration verhängt hatten – während sie gleichzeitig alle andere Aktionen, auch wenn sie nur 20 Teilnehmer anmeldeten, ausführlich darstellten.
Diese Demonstration war selbst organisiert, selbst erkämpft und deshalb umso bedeutsamer. Nach eineinviertel Stunden Demonstration traf der Zug schließlich auf dem belebten Heumarkt ein, auf dem die Abschlusskundgebung stattfand vor den Demonstranten und hunderten Zuhörern in den Cafes.
Mustafa Ucar und Süleyman Gürcan von der Migrantenorganisation ATIF berichteten auf deutsch und türkisch über die Situation in der Türkei. Sie erinnerten daran, dass zehn ihrer Genossinnen und Genossen in Deutschland seit Monaten inhaftiert sind und auf Grund eines Antrags Erdogans und einer Anweisung der deutschen Regierung an die Justiz in München vor Gericht stehen. Sie sind anklagt, weil sie Revolutionäre, Kommunisten sind - ein "Geschenk von Merkel an Erdogan". Sie endeten mit den Worten: "Angela Merkel, hören sie gut zu! Die Revolutionäre aus der Türkei sind nicht allein."
Gabi Gärtner sprach für das Zentralkomitee der MLPD. Sie klagte "den faschistischen Terror in der Türkei an, den Erdogan religiös verbrämt. Er richtet sich damit gegen den Kampf um Freiheit und Demokratie in der Türkei und der ganzen Region. Die besondere Aggressivität des türkischen Staates nach Innen und Außen rührt nach Meinung der MLPD daher, dass die Türkei sich zu einem neuimperialistischen Land entwickelt. Wir wissen aus der Geschichte Deutschlands und Europas, dass diese neuen imperialistischen Länder besonders aggressiv agieren.“ Sie forderte unter großem Beifall die Arbeiterinnen und Arbeiter auf, sich mit allen Unterdrückten der Welt zu vereinigen für revolutionäre, sozialistische Veränderungen.
Fritz Ullmann vom Linken Forum betonte, dass auch in Deutschland, sogar im kleinen Radevormwald AKP-Anhänger Oppositionelle bedrohen. Dagegen gilt es eine solidarische Kleinarbeit zu entwickeln und sich gegenseitig zu unterstützen. Grüße wurden auch überbracht von Hamide Akbayir als Vertreterin des kurdischen Dachverbands Nav-Dem, die auch Stadträtin der Linkspartei in Köln ist. Martina Stalleicken sprach für den Frauenverband Courage und berichtete von der Frauendelegation vor wenigen Tagen ins türkisch-kurdische Diyarbakir.
Die Bonner Jugendbewegung, vertreten durch Verena und Miran¹, kritisierten faktenreich und engagiert die militärische und NATO-Zusammenarbeit zwischen der Bundesregierung und der Erdogan-Regierung. Wanja Lange vom Jugendverband REBELL forderte, sich nicht mit der faschistischen Entwicklung in der Türkei abzufinden, sondern sich hier wie dort zu organisieren für eine sozialistische Zukunft. Er überbrachte Grüße des Sommercamp des REBELL aus Thüringen.
Nina Herbert und Ulja Schweitzer, IG Metallerinnen von Ford Köln, berichteten, dass über 50 Nationalitäten gemeinsam bei Ford arbeiten. Sie riefen zur Arbeitereinheit auf und erinnerten, dass die Spaltung der Arbeiterbewegung 1933 zur Niederlage gegen den Hitler-Faschismus führte.
Am Ende wurde eine stolze, positive Bilanz gezogen: "Unser Bündnis hat binnen weniger Tage diese Demo auf die Beine gestellt. Das ist gelungen und zeigt, dass wir mit ihrem Grundgedanken richtig liegen - dass sich die Revolutionäre, die Internationalisten, die Antifaschisten und Klassenkämpfer aus der Arbeiter- und Frauenbewegung weiter zusammenschließen müssen."
Vorgestellt wurde auch die Kandidatur des Bündnisses zu den Bundestagswahlen als Internationale Liste/MLPD. Die Demonstration wünschte anderen morgigen antifaschistischen Aktionen in Köln viel Erfolg und riefen dazu auf, sich nach Kräften daran zu beteiligen. Der Veranstaltung endete mit dem gemeinsamen Singen der "Internationale" in vielen Sprachen, mit dem Schwenken vieler Fahnen, stolz und voller Begeisterung.
Amateur-Mitschnitt der Rede von Gabi Gärtner (MLPD) auf der Abschlusskundgebung auf Youtube
Weitere Videos sollen heute oder morgen noch veröffentlicht werden.
¹ Der bisher hier veröffentlichte Name war leider falsch, wie uns die Genossinnen und Genossen der Bonner Jugendbewegung mitteilten. Wir bitten diesen Fehler zu entschuldigen und danken für den Hinweis.