Politik
Altersarmut: Kapitalistenverbände befürchten "brandgefährliche Debatte"
05.08.16 - Ein Jahr vor den Bundestagswahlen haben die im Bundestag vertretenen Parteien die Renten als Wahlkampfthema entdeckt. Die IG Metall will ihre Forderungen im Herbst vorstellen. Die Kapitalistenverbände warnen „vor einer brandgefährlichen Debatte“.¹
Die Entwicklung der Lage einer wachsenden Zahl von Rentnerinnen und Rentnern enthält für die Kapitalisten und ihre Regierung brisanten politischen Sprengsatz. Deutschland ist eine der größten Industrienationen der Welt – das Rentenniveau hingegen ist in Europa und auch unter den OECD-Ländern eins der niedrigsten. Immer mehr Menschen müssen nach 35 bis 40 Jahren harter Arbeit im Alter jeden Euro umdrehen. Sie können immer weniger am sozialen, kulturellen und politischen Leben teilnehmen.
Die Durchschnittsrente für Männer betrug im Jahr 2014 1.013 Euro, für Frauen 762 Euro. Alle bürgerlichen Parteien, von CDU, CSU, SPD, GRÜNE bis hin zur FDP haben gemeinsam dafür gesorgt, dass das Rentenniveau systematisch gesenkt wird. Betrug das Rentenniveau 1977 noch 59,8 Prozent des Nettoeinkommens, ist es 2015 auf 47,5 Prozent gesunken und soll 2030 nur noch 43 Prozent ausmachen.
Schon 2013 hatte der Vorsitzende der MLPD, Stefan Engel, dazu analysiert: „Schon seit längerem beantworten die bürgerlichen Politiker die Staatsverschuldung auch mit einem dreisten Griff in die Kassen der Sozialversicherungen bzw. verringern ihre Zuschüsse dafür. Die Folgen hat die Masse der Versicherten zu tragen: mit steigenden Anteilen an der Krankenversorgung, mit real massiv sinkenden Renten auf ein Nettorentenniveau von etwa 43 Prozent im Jahr 2030 usw. Die Folge wird eine wachsende Altersarmut sein – insbesondere bei Alleinerziehenden, Frauen, Migranten und den jetzt schon über 6 Millionen Hartz-IV-Empfängern.“²
An dieser Situation ändern auch die private Rentenversicherungen wie z.B. Riesterrente für die Masse der Werktätigen kaum etwas. Denn gerade die Masse der Geringverdiener (rund 24 Prozent der Beschäftigten), Alleinerziehende usw. können sich diese Versicherung gar nicht leisten. Die Altersversorge wird damit privatisiert und die Kapitalisten aus der Pflicht genommen. Für Versicherungskonzerne ist "Riester" eine sprudelnde Geldquelle, während die Einzahler Probleme haben, wenigstens den eingezahlten Betrag zurück zu erhalten.
Die angebliche Sorge der bürgerlichen Parteien um die „Altersarmut“ ist demagogisch, denn die CSU will - offen volksfeindlich - das Rentenniveau auf dem jetzigen Niveau „stabilisieren“; die SPD fordert wie die rechte IG Metall-Führung eine Anhebung auf 50 Prozent. Wenig glaubhaft für Parteien, die in den letzten Jahrzehnten genau die Politik betrieben haben, die für die Misere verantwortlich ist. Hier wirft der Bundestagwahlkampf seine Schatten voraus.
Auch Dietmar Bartsch von der Linkspartei ist mit einem Rentenniveau zufrieden, das „in Richtung 50 Prozent geht“. Einig sind sich dabei alle, auch die Linkspartei, dass dies mit einem Anstieg des Rentenversicherungsbeitrags von heute 18,7 Prozent bis zu 23, bzw. 25 Prozent verbunden ist!
Daran hat das allein herrschende internationale Finanzkapital wiederum kein Interesse. Sie fordern deshalb eine Anhebung des Renteneintrittsalters. Das Institut der Deutschen Wirtschaft hält 73 Jahre für angemessen. Der Internationale Währungsfonds schlägt eine Anhebung entsprechend der steigenden Lebenserwartung vor. Derartig volksfeindliche Zukunftspläne vertreten auch Finanzminister Schäuble und große Teile der CDU.
Die MLPD fordert als einzige Partei eine Senkung des Rentenalters: Für Männer auf 60 und Frauen auf 55 Jahre ohne Rentenkürzung. Hinzu kommt die Forderung nach vollständiger Übernahme der Sozialversicherungsbeiträge durch die Kapitalisten entsprechend ihrem Umsatz! Diese Forderungen gehen von den Lebensinteressen der Masse der Arbeiterinnen, Arbeiter und Angestellten aus und müssen auf Kosten der Profite der Großkonzerne durchgesetzt werden! Diese Forderung nach einer circa 6-prozentigen Umsatzsteuer für die Sozialbeiträge nimmt die riesigen Monopole mit einem geringen Lohnanteil am Umsatz verstärkt in die Verantwortung. Kleinere Unternehmen mit höherem Lohnanteil am Umsatz werden entlastet.
Für die MLPD sind die Rentnerinnen und Rentner kein „Kostenfaktor“. Dass die Menschen immer länger leben, ist Ausdruck des gesellschaftlichen Fortschritts. Dass sie im Kapitalismus zu einem Problem werden, ist Ausdruck der Krise dieses abgewirtschafteten und überlebten Systems. Ihre Erfahrungen, ihr soziales und politisches Engagement sind eine Bereicherung der Gesellschaft und für den Kampf um eine von Ausbeutung befreiten Gesellschaft unersetzlich!
¹) Handelsblatt, 2.8.2016
²) Rote Fahne, Nr. 33/2013