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Ein strahlender Himalaya, harte Streiks und eine offene politische Krise in Nepal

Ein strahlender Himalaya, harte Streiks und eine offene politische Krise in Nepal
Foto: fotolia.com 127943411 | Urheber: Dutourdumonde

10.12.16 - Der Winteranfang in Nepal gestaltet sich in diesem Jahr strahlend: blitzeblauer Himmel über dem majestätischen Himalaya, sonnig-warme Tage und eiskalte Nächte. Doch das politische Klima ist erhitzt: Im Bundesstaat Nr. 5 (unter anderem Butwal, Phutan) sind Massenbewegungen und Massenstreiks gegen eine von der Regierung geplante Verfassungsänderung entstanden. Mit ihr soll eine neue Grundrichtung für die umstrittene und in der Verfassung bisher ausgesparte föderale Aufteilung Nepals festgeschrieben werden.

Statt einer Aufteilung der Bundesstaaten, die jeweils eine Berg-, eine Hügel- und eine Flachlandregion enthalten soll, strebt die Regierung jetzt eine Separierung der zusammen mit dem Kathmandutal bevölkerungsreichsten und wirtschaftlich entwickeltsten Region des Terrai an. Aus diesem Gebiet im Süden Nepals sollen eigenständige Bundesländer entstehen mit weitreichenden Autonomierechten bis hin zum Recht der Lostrennung von Nepal. In diesem Zusammenhang würde im bisherigen Bundesland "Staat Nr. 5" die Region Butwal Teil eines solchen Terraistaates und von den Hügel- und Bergregionen abgetrennt.

Doch damit kommt die Regierung nicht durch, im Gegenteil wächst der Widerstand unter den Massen und quer durch alle Parteien! Die angestrebten Terrai-Bundesländer liegen voll auf der Linie der expansionistischen Politik des neoimperialistischen Indien, das sich die Region am liebsten einverleiben würde. Seit der Verabschiedung der demokratischen Verfassung Nepals im September 2015 mit den Grundlinien eines säkularen Staates, entwickelter Frauenrechte und bürgerlich-demokratischer Freiheiten versucht Indien, diesen riesigen Fortschritt rückgängig zu machen.

Der faschistoiden Mohdi-Regierung schwebt gar ein Hindustaat unter indischer Vorherrschaft vor. Diesem langfristigen Ziel diente bereits die illegale Blockade Indiens gegenüber Nepal im Jahr 2015. Diese Methode der Erpressung ist gescheitert. Die Blockade wurde abgebrochen und Indien versucht nun systematisch, auf anderen Wegen seine Ziele zu erreichen. Dem unterwirft sich die derzeitige Regierung aus der befremdlichen Koalition aus der Partei CPN (Maoist centre), Nepali Congress und der neu vereinigten königstreuen Partei mehr und mehr.

Die Propagierung des Föderalismus für Nepal ist ein wichtiges weltanschauliches und politisches Instrument, um Zersplitterung und Konkurrenz zwischen den Regionen zu schüren und Indiens Einfluss Spielraum zu geben. M.B. Singh, Generalsekretär der NCP (Mashal) ist demgegenüber von Anfang an exponierter Kritiker des föderalen Gedankens in Nepal: Nepal als multikulturelles, -ethnisches, -linguales Land braucht Stärke durch Einigung, nicht durch Aufsplitterung und Verfechtung von Einzelinteressen. Dem vielfach auch aus NGO-Kreisen vorgebrachten Argument, man müsse besondere ethnische Interessen berücksichtigen, hält er entgegen, dass in keiner Region mehr als ein Drittel der Ursprungsethnie/ -bevölkerung lebt.

Diese anfängliche Minderheitsposition gewinnt inzwischen immer mehr an Unterstützung. So sprach bei der aktuellen Parlamentsdebatte am 6. Dezember nicht nur Chitra Bahadur K.C.,  sondern auch der frühere Ministerpräsident der CPN UML - K.P.Oli - gegen die Regierungspläne und grundsätzlich kritisch gegenüber dem Förderalismus. Prompt titelte am nächsten Tag eine Zeitung: "UML ist nun auf dem Kurs von M.B. Singh."

Da die Arbeiterklasse in Nepal noch schwach herausgebildet ist, verlaufen Streiks hier anders: Streiks in den relativ wenigen Betrieben werden verbunden mit Straßenblockaden, durch die alle Straßen gesperrt werden, es läuft keinerlei Straßenverkehr mehr, auch der öffentliche Nahverkehr steht, Schulen und Läden sind geschlossen – kurz: das öffentliche Leben wird lahmgelegt. Es finden Massenversammlungen und  Massendemonstrationen statt. So sprach Durga Paudel, Parlamentsmitglied der National People's Front (NPF) und eine der Koordinatorinnen der Weltfrauenkonferenz der Basisfrauen vor 100.000 Menschen!

Doch nicht nur die NCP (Mashal) – vor allem auch die zweitgrößte Partei Nepals, die UML, und etliche andere kleinere Parteien tragen die Bewegung. Selbst die regionalen Führungspersönlichkeiten der Regierungsparteien der Koalition aus der Region lehnen die Veränderung ab und sprachen auf der Großkundgebung.

Man kann von einem regelrechten Generalstreik in der Region sprechen. Jeden Tag wird der Streik von 16 Uhr nachmittags bis 6 Uhr früh ausgesetzt und damit ermöglicht, dass die Bevölkerung ihr Leben organisieren kann. Hauptforderung ist, dass die geplante Verfassungsänderung gar nicht zur Abstimmung gelangt. Der Regierung fehlen deutlich Stimmen zur notwendigen Zweidrittelmehrheit für ihre Absichten. Momentan gehen aufgrund der Massenproteste eher eigene Anhänger von der Fahne und wächst die Massenkritik an dem auch in Nepal ausgeprägten Rechtsruck der Regierung.

Bereits vor dem allgemeinen Start der ICOR-Kampagne zu 100 Jahre Oktoberrevolution ab dem 1. Januar 2017 laufen in Nepal die Aktivitäten der ICOR-Partei NCP (Mashal) bereits lebhaft an. Auf einem Parteikonvent im Oktober trafen sich Funktionäre und Delegierte der Partei und ihrer Massenorganisationen (in Nepal sind Massenorganisationen in der Regel parteigebunden). Nachdem das Zentralkomitee seine Vorschläge dargelegt hatte, wurden Arbeitsgruppen der einzelnen Regionen zur Diskussion und Erarbeitung von Zielen gebildet. Die waren im Ergebnis sogar noch höher gesteckt als die ehrgeizigen Ziele des Zentralkomitee: dieses hatte z.B. "nur" eine Gewinnung von 200.000 neuen Mitgliedern vorgeschlagen – in der Summe nahmen sich die Regionen stattdessen 270.000 vor!

Jetzt beginnt die Kampagnenplanung in den Regionen. So bildete zum Beispiel der Distrikt Kaski mit der Region Pokhara vier Kampagnenteams mit je 15 erfahrenen Leuten. Sie gehen für je sechs Monate in eine Teilregion und arbeiten eng mit den örtlichen Aktivisten zusammen. Mit je 75.000 Flugblättern gehen sie von Haustür zu Haustür, werben für den revolutionären Gedanken des Oktober 1917, sammeln Spenden - 300.000 Rupies innerhalb von 15 Tagen; sie laden zu Veranstaltungen mit politischen Beiträgen und Kultur ein. Politisch verbinden sie das mit der aktuellen Auseinandersetzung zur Kritik des Föderalismus und zum Schutz der nationalen Einheit und Souveränität. Schon jetzt wird auch das internationale Seminar in Deutschland im Oktober 2017 bekannt gemacht. Doch leider können daran aus finanziellen Gründen natürlich nur wenige teilnehmen. Als fester Bestandteil der Kampagne werden überall Mitglieder gewonnen. Dann wird ihnen das Parteibuch gebracht und sie werden sofort in Bildungs- und Schulungsprogramme ebenso wie in die praktische Kleinarbeit einbezogen.