International
VW: EU-Kommission Teil des Betrugssystems
16.12.16 - Eine EU Verordnung von 2007 verbietet Vorrichtungen zum An- und Abschalten der Abgasreinigung bei Autos. Mit solch einer Abschaltvorrichtung haben der VW-Konzern und andere die Abgaswerte manipuliert. Die Verordnung verpflichtet die EU-Staaten auch, bei Verstößen Strafen festzulegen und anzuwenden. Obwohl 2009 die Frist zur Umsetzung der Verordnung abgelaufen war, reagierte die EU-Kommission sieben Jahre nicht – erst jetzt, im Oktober 2016. Dabei war die EU-Kommission spätesten seit 2008 über die Manipulationen der Abgaswerte informiert.
Bereits 2008 hat die Gemeinsame Forschungsstelle der EU, das Joint Research Centre (JRC) festgestellt, dass der Stickoxid-Ausstoß von Dieselfahrzeugen im realen Fahrbetrieb um ein Vielfaches höher ist als in Labortests. In einem internen Schreiben der Kommission vom 8.10.2010 wird die Kenntnis einer Diskrepanz zwischen den Emissionen von Diesel-Autos bei der Typenzulassung und im normalen Fahrbetrieb zugegeben. Man weiß auch, woran es liegt: am "verbreiteten Einsatz gewisser Minderungstechnologien in Dieselfahrzeugen".
Günter Verheugen, von 2004-2010 EU-Kommissar für Industrie und Unternehmenspolitik darauf angesprochen: es bestehe kein Grund für Nachforschungen, da der Einsatz von Abschaltvorrichtungen verboten sei. Im Mai 2012 findet eine Tagung der sogenannten RDE-LDV-Arbeitsgruppe zum Thema Abgastestverfahren statt. Die Arbeitsgruppe besteht aus Vertretern der Mitgliedstaaten, des JRC, der Industrie und Nichtregierungsorganisationen unter Leitung der EU-Kommission. Auf dem Treffen leisteten Autohersteller "heftigen Widerstand" gegen die Einführung von Pems-Tests bei der Typenzulassung.
EU-Industriekommissar Antonio Tajani wird im Sommer 2012 vom Autozulieferer Schrader Electronics per Brief und in einem persönlichen Treffen über die Softwaremanipulationen der Autohersteller informiert. Wieder geschieht nichts. In einem Brief vom Februar 2013 warnte der ehemalige Umweltkommissars Potocnik vor Tricks von Autobauern und fordert Tajani zum Handeln auf. Vergebens. Die EU Kommission behauptet bis heute, nichts von illegalen Praktiken gewusst zu haben. "Die Kommission hat niemals einen Hinweis auf den Einsatz von Abschaltvorrichtungen erhalten", erklärt eine Sprecherin.
Um von der Rolle der EU-Kommission im Betrugssystem abzulenken und als Reaktion auf die wachsende öffentliche Kritik schlug die Industrie-Kommissarin weitreichende Gesetzesänderungen vor:
- Danach soll die Kommission künftig Autos prüfen dürfen, die bereits auf dem Markt sind. Bei Verstößen will sie Bußgelder von bis zu 30.000 Euro für jedes einzelne betroffene Auto verhängen, Rückrufe von Modellen bewirken und im Extremfall sogar deren Zulassung widerrufen.
- Die technischen Dienste, die Typzulassungen abwickeln - etwa der TÜV - sollen nicht mehr direkt von den Autoherstellern bezahlt werden.
Diese Änderungen brauchen die Zustimmung des Ministerrates und des EU-Parlaments. Inzwischen wurden die Vorschläge so weit verwässert bzw. es wurde vom Parlament ein Gegenvorschlag ausgearbeitet, so dass man davon ausgehen kann, dass sich am bisherigen Zustand nicht viel ändert.