International
Zunehmende Proteste gegen ultrareaktionären Regierungskurs in Polen
19.12.16 - Polen steckt in einer offenen politischen Krise. In vielen polnischen Städten gehen seit Monaten Tausende gegen die Politik der regierenden ultrareaktionären Partei PiS ("Partei für Recht und Gerechtigkeit") auf die Straßen. Den Anfang machten Proteste gegen die Entfernung kritischer Journalisten aus den staatlichen Medien und ihre Ersetzung durch Anhänger der „PiS“. Es folgten Proteste gegen eine reaktionäre Bildungsreform der polnischen Regierung.
Großes Gewicht haben Massenproteste polnischer Frauen und auch Männer, darunter auch vielen Arbeiterinnen, die sich gegen die weitere Einschränkung des sowieso nur rudimentär vorhandenen Rechts auf Schwangerschaftsabbruch wenden. Gegen diese geplante Verschärfung folgten am 3. Oktober 2016 rund hunderttausend Frauen und auch Männer in 60 Städten einem Aufruf zum Generalstreik. Auf Transparenten stand "My body, my decision" ("Mein Körper, meine Entscheidung"). Viele Ämter, Schulen und Universitäten schlossen ihre Tore, weil nur die Hälfte der Belegschaft anwesend war. (Polen: Großer Sieg der kämpferischen Frauenbewegung)
Dieses Wochenende spitzten sich die Proteste zu. Die Parlamentsverwaltung erließ ohne vorherige Ankündigung und Diskussion eine Vorschrift, Journalisten den Zutritt zum Parlamentsplenarsaal und sogar den Fluren und Nebenräumen zu verbieten. Hintergrund war eine gesendete TV-Aufnahme, die eine Abgeordnete der „PiS“ zeigte, die zweimal abstimmte! Als ein Politiker der liberalen Bürgerplattform gegen den Ausschluss der Medien vor dem Sejm sprechen wollte, wurde ihm einfach das Mikrofon abgestellt. Oppositionspolitiker blockierten daraufhin die Rednertribüne.
Was sich darauf hin entwickelte, erinnert an die Vorgänge bei der Installierung des Faschismus in der Türkei. Die PiS-Abgeordneten zogen in einen anderen Saal um, hinderten Politiker der parlamentarischen Opposition am Zugang, erklärten sich selbst zur Plenarversammlung und winkten so das Haushaltsgesetz 2017 durch. Bürgerlich-demokratische Rechte werden so vollständig mit Füßen getreten.
Es ist der bisherige Höhepunkt der Proteste in Polen, wenn daraufhin letzten Freitag Tausende Demonstranten die Ausgänge des Sejm blockierten und Regierung und PiS-Fraktion faktisch gefangensetzten. Erst massive Polizeieinsätze beendeten diese Blockade. In weiteren Städten wie Danzig, Krakau, Kattowitz, Breslau und Bilaystock kam es zu spontanen Massendemonstrationen.
Die Demonstranten sind sich einig, ihren Protest bis zum Ende der undemokratischen Gesetze und Pläne fortzuführen. Diese Entwicklung stürzt nicht nur Polen in eine tiefe politische Krise, sondern vertieft auch die politische Krise der Europäischen Union. Die Umfragewerte der Regierungspartei „PiS“ sinken rapide. Jüngst traten drei Generäle aus Protest gegen die Regierungspolitik zurück.
Der Widerstand gegen den faschistoiden Kurs in Polen wird auch von kleinbürgerlichen und bürgerlich-demokratischen Kräften getragen, wie dem „Komitee zur Verteidigung der Demokratie“ oder der „Obywatele RP“ (Bürger der Republik Polen). Sie marschieren unter der Losung „Freiheit, Gleichheit, Demokratie“ und fordern den sofortigen Rücktritt der „PiS“-Regierung. Pläne der „PiS“-Regierung gehen dahin, die Versammlungsfreiheit in Polen einzuschränken und das bisher mehrheitlich der Verteidigung bestehender bürgerlich-demokratischer Rechte verpflichtete Verfassungsgericht völlig in „PiS“-Hand zu bekommen. So würde die polnische Regierung nachträglich ihre Praxis legalisieren, Verfassungsgerichtsbeschlüsse einfach zu ignorieren.
Die polnische Regierung ist in der Defensive. Der Widerstand muss sich höher entwickeln und sich mit den sozialen Interessen der Massen, der Jugend und der Umweltbewegung verbinden. Die kampferfahrene polnische Arbeiterbewegung muss zur führenden Kraft werden. Auch in Polen sind z.B. Tausende Kumpels im Steinkohlebergbau von geplanten Zechenschließungen bedroht. Die offizielle Arbeitslosigkeit lag im Februar 2016 bei 10,3 Prozent, aber nur knapp 12 Prozent der offiziell arbeitslos Gemeldeten erhalten noch staatliche Stütze. Polnische Umweltschützer, Bauern und Bewohner betroffener Regionen wehren sich gegen das auch in Polen geplante großflächige umweltzerstörerische Fracking. Im Oktober demonstrierten 7000 Menschen gegen TTIP. Eine ihrer Losungen: "Stoppt die Diktatur der Konzerne!“
Die „PiS“-Regierung stabilisierte sich anfangs mit verschiedenen sozialen Zugeständnissen an ärmere Schichten in Polen. Die materielle Basis für solche Zugeständnisse verringert sich zusehends und damit ihre Möglichkeit, Arbeiter und andere Schichten an sich zu binden.
Die demokratischen Proteste in Polen sind Teil des fortschrittlichen Stimmungsumschwungs der Massen in Europa gegen den Rechtsruck, der hauptsächlich von den europäischen Regierungen und der EU-Bürokratie forciert wird. Sie unterstreichen die Notwendigkeit des Aufbaus einer marxistisch-leninistischen Partei in Polen und des weiteren Aufbaus der revolutionären Weltorganisation ICOR.
Zur Stärkung der demokratischen und revolutionären Opposition in Polen kann auch das Internationalistische Bündnis in Deutschland beitragen, das sich als „Internationalistische Liste/MLPD“ 2017 an den Landtagswahlen in NRW sowie den Bundestagswahlen beteiligen wird. In Deutschland leben und arbeiten viele polnischstämmige Menschen mit vielfältigen Beziehungen nach Polen, die mit einer Unterstützung oder Mitarbeit am Internationalistischen Bündnis auch den Widerstand in ihrem Land bekanntmachen und unterstützen können.
Hier geht es zur Homepage der Internationalistischen Liste/MLPD!