International
"Die Arbeiterklasse der USA hat sich nicht hinter Trump gestellt"
Rote Fahne-Interview mit Mick Kelly vom 4. Januar 2017
Mick Kelly ist Mitglied des Ständigen Ausschusses von "Freedom Road Socialist Organization/Fight Back".
In den deutschen Medien wird vielfach behauptet, dass Trump hauptsächlich von weißen Arbeitern gewählt wurde. Wie schätzt du das selbst ein? Welche Unterstützung bekam er aus den kleinbürgerlichen Mittelschichten?
In den Vereinigten Staaten wurde das Ergebnis der Präsidentschaftswahlen nicht durch die absoluten Stimmen, sondern durch eine undemokratische Institution bekannt als das „Electoral College“ (Wahlkollegium) bestimmt. In der Tat bekam Trump 2,9 Millionen weniger Stimmen als Clinton. Ein Großteil seiner Unterstützung kam aus dem Kleinbürgertum, wie Besitzer kleiner Handwerksbetriebe und Kleinunternehmer. Er hat sicherlich einige Stimmen von den weißen Arbeitern erhalten, besonders in den ländlichen Gebieten. In den USA ist die Arbeiterklasse multinational - so schließt sie Afroamerikaner, Chicanos und Latinos ein. Deshalb wäre es nicht richtig zu behaupten, die US-Arbeiterklasse hätte sich hinter Trump gestellt.
Insbesondere junge US-Amerikaner lehnten nicht nur Trump, sondern auch Clinton ab und blieben der Wahl fern. Dies zeigt unseres Erachtens eine zunehmende Kritik am Kapitalismus und eine wachsende Suche nach einer gesellschaftlichen Alternative. Wie siehst du das?
Es findet in den USA, vor allem bei jungen Menschen, eine Radikalisierung statt. Dies wurde bei der Vorwahl in der Kampagne von Senator Bernie Sanders von der Demokratische Partei deutlich. Sanders ist ein verwässerter Sozialdemokrat. Doch die Tatsache, dass Millionen, vor allem jugendliche Wähler sich als "sozialistisch" bezeichnen, zeigt eine sich entwickelnde Radikalisierung. Clinton, die wie Trump eine Kandidatin der Wall Street war, hat sich durch ihre enge Identifikation mit den Reichen und Mächtigen selbst geschadet.
Mit seinem Programm für die ersten 100 Tage nach seiner Amtseinführung bekräftigt Trump eine Reihe seiner erzreaktionären, protektionistischen und repressiven Pläne, verbunden mit nationalistischer Stimmungsmache. Wie siehst du selbst dies? Was lässt sich jetzt schon über die zukünftig zu erwartende Wirtschafts-, Innen- und Außenpolitik sagen?
Es gibt keinen Zweifel, dass - welcher Agenda er auch immer folgt – es eine reaktionäre sein wird. Er wird eine Politik der staatlichen Kürzungen, von Repression und Krieg fördern.
Wie reagieren die Industriearbeiter und migrantischen Arbeiter auf die Ankündigungen Trumps?
Unter den Migranten, insbesondere den Millionen unregistrierten Menschen in diesem Land, gibt es große Sorge, dass Trump die Menschen ohne legalen Aufenthaltsstatus weiter kriminalisieren wird. Man befürchtet, dass er Massendeportationen durchführen und die Grenze zu Mexiko weiter militarisieren wird. Proteste dagegen haben bereits stattgefunden.
Trump hat in der Umweltpolitik ein Roll Back angekündigt. Wie reagiert die Umweltbewegung darauf? Was ist deine eigene Meinung dazu?
Wie zu erwarten, sind diejenigen, die sich um die Umwelt kümmern, zutiefst besorgt darüber, was Trump und die republikanischen Mehrheiten im Kongress für die Umwelt planen. Trump und seine vielen Kumpane leugnen den Klimawandel und überhaupt wissenschaftliche Erkenntnisse. Ein früher Test für die Trump-Regierung wird auf dem Standing Rock Reservat stattfinden. Dort haben indigene Menschen zusammen Unterstützern den Bau einer großen Pipeline, die die Wasserversorgung gefährden würde, gestoppt.
Unmittelbar nach der Wahl haben in zahlreichen Städten der USA Protestaktionen begonnen. Wer beteiligt sich hauptsächlich daran? Wie haben sich diese seitdem entwickelt? Was ist für den 20. Januar, den Tag seiner Amtseinführung und danach zu erwarten?
Am 20. Januar werden in den Städten der ganzen USA Demonstrationen mit Hunderttausenden von Menschen stattfinden. Freedom Road Socialist Organization hat dazu beigetragen, den Marsch auf den republikanischen Nationalkongress zu führen, wo Trump im Juli die Nominierung erhielt. Wir geben alles für die Organisierung der Proteste am 20. Januar. Bei den Protestaktionen am 20. Januar werden Losungen gegen Trumps rassistische, migranten-, frauen-, muslim- und arbeiterfeindlichen Angriffe aufgestellt, wie auch Losungen gegen die geplanten Angriffe auf die Umwelt. Wir sind der Meinung, dass dieser Widerstand gesteigert werden kann, und dass es das Ziel der Revolutionäre sein sollte, die USA unregierbar zu machen.
Danke für das Interview!