Jugend
"Uns kritt nix klein" - Rosenmontagszüge zeigen Flagge gegen Trump, AfD und Co
27.02.17 - Schon zur Weiberfastnacht letzten Donnerstag eröffneten bundesweit Zehntausende ausgelassen, bunt und fröhlich die tollen Tage. Mit dem Straßenkarneval in vielen Städten wie dem "Geisterzug" in Köln oder dem "Kö-Treiben" in Düsseldorf und besonders den Rosenmontagszügen ist der Karneval auf seinem Höhepunkt angelangt. Millionen waren bzw. sind noch auf den Straßen, als Teilnehmer der Umzüge oder als Zuschauer. In vielen Städten, so auch beim Düsseldorfer "Kö-Treiben" feierten Flüchtlinge und Migranten gemeinsam mit den Wählerinitiativen der Internationalistischen Liste/MLPD den Straßenkarneval.
Wie sich die Stimmung auch an Fasching und Karneval angesichts der gesellschaftlichen Polarisierung ändert, zeigt sich unter anderem daran, dass Mottivwagen mit rückschrittlichen Inhalten kaum noch mitgeführt werden. Weder in Köln, Düsseldorf oder Mainz durften am Rosenmontag Motivwagen fehlen, die Donald Trump oder "Erdowahn" aufs Korn nehmen. Die großen Rosenmontagszüge stehen deutlich im Zeichen des Linkstrends unter den Massen. Der Düsseldorfer Wagenbauer Jaques Tilly, bekannt für seine scharfen satirischen Motive, thematisiert bewusst den Protest gegen faschistoide Politiker, die skrupellos bürgerlich-demokratische Rechte, Pressefreiheit oder Frauenrechte mit Füßen treten. Während einer seiner Motivwagen zeigt, wie Trump eine wütende "Liberty" (die amerikanische Freiheitsstatue) vergewaltigt, zeigt der folgende Motivwagen eine lächelnde "Liberty" die das abgeschlagene Haupt von Trump der Menge entgegenhält. Damit knüpft Tilly bewusst an der oppositionellen Tradition des Karneval an.
Nicht ganz so radikal ging es in Köln oder Mainz zu, aber dennoch eindeutig. Die Kölner zeigen einen Trump, der als Schulbub im Klassenzimmer gemeinsam mit dem russischen Präsidenten Putin mit den atomaren Auslösecodes spielt. Türkeis Präsident Erdogan fährt mit dem Rasenmäher über die Türkei und die letzten demokratischen Rechte hinweg. Die Mainzer karikieren die ultrareaktionäre, faschistoide "Alternative für Deutschland" und andere braune Strömungen. Eine Demo wütender Gartenzwerge fordert "Das Beet ist voll" oder "Macht den (Garten)Zaun höher!". Zum Lachen finden die AfD-Granden und ihre treueste Gefolgschaft solche Satire nicht. Kabarettisten wie Lars Reichow, Andreas Schmitt oder Hans-Peter Betz (alle Mainz) berichten von dutzenden Droh- und Hass-Mails, gerade aus der AfD-Anhängerschaft.
Die Frankfurter Allgemeine Zeitung und die Mainzer Allgemeine Zeitung berichteten, dass der rheinland-pfälzische AfD-Vorsitzende Uwe Jung und sein Begleiter im Laufe der Sitzung von "Mainz bleibt Mainz" von Ordnern dingfest gemacht und aus dem Saal geworfen wurden, weil sie versucht hatten, die Bühne zu stürmen. Aber auch Merkel, Schulz oder Seehofer bekamen ihr Fett weg. Auf einem Düsseldorfer Motivwagen erscheint Martin Schulz, die neue SPD-Hoffnung, als Luftnummer: aufgepumpt durch die Umfragewerte und kurz vor dem Platzen.
Auf dem Düsseldorfer "Kö-Treiben" jedenfalls zog der Handwagen der Wählerinitiative Internationalistische Liste/MLPD jede Menge Jecken und andere Interessierte an. Viele fotografierten den Wagen oder ließen sich damit ablichten, besonders mit der großen Karikatur von Martin Schulz. Dabei fanden auch die Flyer der Internationalistischen Liste/MLPD großes Interesse und wechselten oft den Besitzer. "Uns kritt nix klein-Narrenfreiheit, die muss sein!", so lautet das im April 2016 fast schon prophetisch entwickelte Motto des diesjährigen Düsseldorfer Karnevals.
In Gelsenkirchen nahm eine Fußgruppe des überparteilichen Kommunalwahlbündnisses AUF Gelsenkirchen am Rosenmontagszug teil. Eine Korrespondentin berichtet: „Der Auftritt von AUF Gelsenkirchen mit dem Thema 'Bäderalarm' - also dem Widerstand gegen die von der Stadtspitze geplante Schließung der kommunalen Hallenbäder - ist ein voller Erfolg. Wir sind eine quietschebunte Tanzgruppe, die die Leute vom Straßenrand in den Zug zum Tanzen hereinholt. Das gefällt den Leuten sehr. Probleme wie im vorletzten Jahr, als AUF Gelsenkirchen ja zuerst der Wagen verboten und dann vor Ort auch die Teilnahme untersagt werden sollte, gab es gar nicht. Unsere Gruppe hat sich einfach eingereiht und das läuft bis jetzt sehr gut.' Schon am Wochenende hatte sich eine fröhliche und muntere Fußgruppe der Kinderorganisation ROTFÜCHSE am Kinderumzug beteiligt und eifrig Kamellen geworfen.
Aus Duisburg berichtet eine Korrespondent: „Seitdem Oberbürgermeister Sören Link die Baumschutzsatzung aufheben ließ, erlebt Duisburg ein wahres Baum-Massaker. Zuletzt wurden gegen heftigen Protest im Kantpark über 100 alte Bäume sinnlos gefällt. Beim Rosenmontagsumzug 'dankten' ihm das die Duisburger und die Umweltgewerkschaft durch eine Baumstumpf-Versammlung mit dem schönen Namen Sören-Link-Allee.“
Schon am Sonntag fanden in Köln die traditionellen Schuul- und Veedelszöch statt. Hier berichtet eine Korrespondentin des Jugendverbands REBELL: „Unsere Aktion am Rande der Schuul- und Veedelszöch am Sonntag war insgesamt erfolgreich. Etwa 20 Leute haben sich daran beteiligt. Wir haben gesungen, gefeiert, das Internationalistische Bündnis bekannt gemacht. Es war eine ausgelassene Stimmung unter den Genossen, Freunden, Flüchtlingen, Nachbarn und Kontakten. Unsere neue gesellschaftliche Rolle zeigte sich auch im Auftreten der Polizei, die uns offenkundig schon erwartet hatte. Um ca. 10.30 Uhr kam der Einsatzleiter zu uns und sagte, dass sie gehört hätten, dass wir hier eine Versammlung der MLPD angemeldet haben. Das Auftreten war absichtlich bedrohlich. Hier wurde versucht, unsere Straßenparty zu diskreditieren. Wir haben uns nicht einschüchtern lassen.“