Umwelt
VW-Krise zieht weiter Kreise
06.03.17 - Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH), fordert ein vollständiges Fahrverbot für Diesel in Städten. Dazu sind bundesweit Klagen geplant. Erzielt wurde bereits ein Urteil des Düsseldorfer Verwaltungsgerichtes. Dieses entschied, dass Fahrverbote für Diesel „ernsthaft geprüft und abgewogen“ werden müssten. Die staatliche Pflicht zum Gesundheitsschutz erfordere eine schnellstmögliche Einhaltung des Grenzwertes, der seit 2010 überschritten werde. Die „rot-grüne“ NRW-Landesregierung hat dagegen Revision eingelegt. Jetzt entscheidet das Bundesverwaltungsgericht.
Als einziger bürgerlicher Aschermittwochs-Redner geht der Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann (Grüne), in Biberach überhaupt auf den VW-Skandal ein. Aber nicht um weitere Aufklärung zu verlangen, sondern um das Thema überhaupt für beendet zu erklären: Der „Kollateralnutzen“ bestehe darin, „dass die das nie wieder machen“, und in einem beschleunigten Übergang in die E-Mobilität. Diese betreffe in Baden-Württemberg 260.000 Arbeitsplätze nur im Automobilbereich. Dieser Strukturwandel müsse geschafft werden ohne die Automobilindustrie zu ruinieren. Der Diesel-6 sei dabei eine ganz wichtig Übergangstechnologie. Zu dieser - in seinen Augen sehr umweltfreundlichen - Technologie schreibt Ferdinand Dudenhöfer: „Viele der heutigen Euro-6-Diesel sind im realen Fahrbetrieb in ihren Stickoxid-Emissionen erheblich schlechter als die gesetzliche Norm vorschreibt.“ Laut Kretschmann gehe es um die Rettung des Planeten, darüber werde nicht in Baden-Württemberg entschieden, sondern in Indien, wo er im Januar war. Die globale Verantwortung bestehe aber darin, dass Baden-Württemberg beweise, dass es möglich ist, sowohl etwas für die Rettung des Planeten, wie auch für die Prosperität und die Arbeitsplätze zu tun. „Der Strukturwandel ist nicht nur ökologisch notwendig, sondern auch ökonomisch möglich. Wer, wenn nicht wir in Baden-Württemberg kann das schaffen.“
Weitere Klagen nach dem Aktienrecht von Anlegern, die von VW und Porsche Schadensersatz fordern, können nicht so einfach unter den Teppich gekehrt werden. Die Kläger können sich jetzt auf einen Beschluss des Landgerichts Stuttgart stützen. Darin heißt es, dass nicht nur VW, sondern auch Porsche die Verpflichtung gehabt haben, über die Risiken des Abgasbetruges zu informieren. Außerdem wird festgestellt, dass die Manipulationssoftware nicht nur gegen amerikanisches sondern auch gegen europäisches Recht verstoßen habe - womit VW bisher jede Schadensersatzklage abgewiesen hatte. Vor dem Landgericht Braunschweig fordern Anleger über 8 Milliarden Euro. Auch in Stuttgart sind Klagen gegen Porsche anhängig. Das Gericht bewertet in einem 129-seitigen Dokument „Insiderinformationen“, die den Aktionären nicht hätten vorenthalten werden dürfen. Dazu gehört unter anderem ein Hinweis in der sogenannten Wochenendpost von Martin Winterkorn vom Mai 2014! „Mit der Aufdeckung des serienweisen Einbaus nicht gesetzeskonformer Motorsteuerungssoftware besteht für die Verbraucher ein erhebliches Risiko für den Fortbestand der Betriebserlaubnis. Damit steht der Rechtsverstoß der Volkswagen AG bei der Erfüllung von gesetzgeberischen Umweltstandards als eingetretene Tatsache fest.“ „Die Auffassung der Beklagten und der anderweitig beklagten Volkswagen AG, dass erst am 18. September 2015 in der Mitteilung der US-Umweltbehörde EPA eine Insiderinformation zu sehen sei, ist rechtlich nicht zutreffend.“ „Das Risiko der Aufdeckung der Rechtsverstöße der Volkswagen AG aufgrund der unternehmensexternen Anfragen lag aus Sicht des Vorlagegerichts bereits im Mai 2014 deutlich über 50 Prozent.“¹ Damit wird die Luft für Winterkorn immer dünner.
¹ Alle Zitate aus dem Beschluss; Die Welt 2.3.2017