Politik
Ein Armutszeugnis der Bundesregierung
14.04.17 - Die Bundesregierung hat vorigen Dienstag ihren "Armuts- und Reichtumsbericht" vorgelegt. Sie erklärte dazu, dieser würde die soziale Lage der Menschen in Deutschland zutreffend wiedergeben. Tatsächlich jedoch verharmlost der Bericht die sich in Wirklichkeit erheblich verschlechternde Lage großer Teile der Bevölkerung und verschleiert den Zusammenhang zur gleichzeitigen sprunghaften Zunahme des Reichtums in wenigen Händen. Viele Passagen wurden vor der Herausgabe wieder gestrichen. "Armutsbericht: Zensiert und geschönt", titelt deshalb treffend ZEIT online.
Der Bericht wurde passend zur Behauptung von Bundeskanzlerin Angela Merkel gemacht, den Menschen in Deutschland ginge "es noch nie so gut wie heute". Sie begründet das in erster Linie mit der gesunkenen offiziellen Arbeitslosenzahl und einem Beschäftigungshöchststand von 43,8 Millionen. Die Zahl der Beschäftigungsverhältnisse sagt aber nichts aus über die Entlohnung. Die Zahl der Vollerwerbsarbeitsplätze sank seit 2000 von 25,3 auf 23 Millionen, während die der Teilzeit- und Minijobs von 10,6 auf über 15 Millionen anstieg. „Wenn ich nicht zwei Jobs gleichzeitig hätte, käme ich überhaupt nicht über die Runden. Und das, obwohl ich ja mein Kind versorgen muss“, so eine alleinerziehende Mutter zu rf-news.
Besonders beschönigt der Bericht die zunehmende Kinderarmut. Während real die Zahl der von Hartz IV betroffenen Kinder auf über zwei Millionen gestiegen ist, wird in dem Bericht so getan, als ob sie durch das so genannte „Bildungspaket“ gleiche Chancen hätten. Dabei ist das eine einzige Mogelpackung: Der erbärmlich niedrige Satz für Bildungsangebote reicht nicht einmal dafür, ein Musikinstrument zu lernen.
Auch Sozialministerin Andrea Nahles (SPD) hatte noch im Februar erklärt: "Die Kluft zwischen Arm und Reich nimmt nicht weiter zu." Schließlich wirft die reale Entwicklung ein schlechtes Licht auf die dafür maßgeblich mitverantwortliche Regierungspartei SPD. Nachdem SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz sein Herz wieder für große Versprechungen von "mehr sozialer Gerechtigkeit" entdeckt hat, gibt auch Nahles zu: "Die unteren 40 Prozent der Beschäftigten haben 2015 real weniger verdient als Mitte der 90er Jahre".
Bei der Entwicklung des Reichtums verwischt der Bericht gezielt die Spuren. Demnach gilt schon als reich, wer doppelt so viel verdient wie der Durchschnittsverdiener, also 3.500 Euro im Monat. Mit solchen Definitionen lässt sich natürlich leicht belegen, dass in Deutschland der Reichtum grassiert. Ausgeblendet wird, dass die steigende Ausbeutung der großen Masse der Arbeiterinnen und Arbeiter und Angestellten die Quelle des gigantischen Reichtums einer kleinen Minderheit von Kapitalbesitzern und Großspekulanten ist. Wie sehr sich das an der Spitze konzentriert, wird auch durch die Angabe im Regierungsbericht noch überdeckt, dass die reichsten zehn Prozent der Bevölkerung fast 51,9 Prozent des Nettogesamtvermögens besitzen, während die ärmere Hälfte der Bevölkerung gerade mal auf ein Prozent kommt.
„Ganz offenbar geht es der Großen Koalition von CDU/CSU und SPD weniger darum, die ungerechten Einkommens- und Vermögensverhältnisse statistisch zu erfassen, als darum, sie auf irgendeine Art zu rechtfertigen“, erklärte dazu der Armutsforscher Christoph Butterwegge (focus-online). Fast ein Viertel der Beschäftigten ist heute im Niedriglohnsektor tätig. Das bedeutet ein Leben in oder am Rande der Armut. Es ist Ergebnis einer Regierungspolitik, für die SPD- und CDU/CSU-geführte Regierungen abwechselnd die Verantwortung tragen. Im Interesse des allein herrschenden internationalen Finanzkapitals haben sie das allgemeine Lohnniveau systematisch gesenkt.
Die Internationalistische Liste/MLPD, die an der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen an der Bundestagswahl teilnimmt, sagt der Massenarmut den Kampf an und tritt für eine grundlegende Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse ein. Steigende Ausbeutung der Arbeitskraft und damit einhergehende Zunahme von Armut auf der einen sowie Reichtum auf der anderen Seite sind ein Wesensmerkmal der Entwicklung des Kapitalismus. Erst im Sozialismus - wenn die kapitalistische Ausbeutung und Unterdrückung überwunden ist - wird der gesellschaftliche Reichtum den arbeitenden Menschen und ihren Familien umfassend zugute kommen. Dazu gehören der Ausbau sozialer Leistungen, die Verkürzung der Arbeitszeit, die Verwandlung von Hausarbeit und Kindererziehung in öffentliche Aufgaben der Gesellschaft, der Schutz der natürlichen Umwelt und die bewusste Förderung ihres kulturellen und gesellschaftlichen Engagements.