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Venezuela: Ultrareaktionäre Provokationen und Scherbenhaufen der Illusion vom "Sozialismus des 21. Jahrhunderts"

Venezuela: Ultrareaktionäre Provokationen und Scherbenhaufen der Illusion vom "Sozialismus des 21. Jahrhunderts"
Streikende GM-Arbeiter in Valencia/Venezuela (foto: www.aporrea.org)

21.04.17 - Gewaltsame Massendemonstrationen erschüttern Venezuela. Auf der einen Seite eine wesentlich von Ultrarechten angefeuerte Bewegung, die die gegenwärtige Regierung zum Rücktritt bzw. Neuwahlen zwingen will. Auf der anderen Seite die Maduro-Regierung, die immer noch von sich behauptet, "sozialistisch" zu sein, ihre eigene Massenbasis mobilisiert und schwerst bewaffnete Polizei mit Tränengas und Gummiknüppeln auf die gegnerischen Demonstrationen hetzt. Mindestens acht Tote und viele Verletzte gibt es seit Monatsanfang – unter Demonstranten, Unbeteiligten und Polizisten. Die Situation eskaliert.

In Venezuela stirbt damit ein weiteres Mal der illusionäre Traum vom "friedlichen Weg" zu einem "Sozialismus des 21. Jahrhunderts". Der Regierungsantritt des charismatischen und massenverbundenen Hugo Chavez im Jahr 1998 war ein Fanal des Linkstrends in Lateinamerika. Seine Regierung wurde zum Vorbild weiterer, insbesondere gegen den US-Imperialismus gerichteter Regierungen mit antiimperialistischem Anspruch. Erstmals in der Landesgeschichte wurden die Erlöse der reichen Ölvorkommen für die Verbesserung der sozialen Lage der breiten Bevölkerung eingesetzt, dabei große Fortschritte erreicht.

Von Anfang an war die 15-jährige Regierungszeit von Hugo Chavez aber auch mit einer heftigen Polarisierung verbunden. Die einheimische Reaktion, faschistische Kräfte im Bündnis mit dem US-Imperialismus attackierten die Chavez-Regierung. Mehrere Putschversuche wurden von den Massen und der breiten internationalen Solidarität zurückgeschlagen.

Doch die reformistischen Illusionen, mit parlamentarischen Siegen und Referenden den Sozialismus auf friedlichem Weg erringen zu können, waren von Anfang an ein Irrweg. Auch unter Chavez wurde die Macht der in Venezuela agierenden internationalen Übermonopole – wie z.B. Öl-, Auto- oder Lebensmittelkonzerne – nie angetastet. Und sie ließen keine Erpressungsmöglichkeit aus. Die Ölkonzerne mussten zwar einen Teil ihrer Profite angeben, aber sie wurden nicht enteignet. Vielmehr vergab die Regierung weitere Konzessionen – nun verstärkt an russische und chinesische Monopole. Den bürgerlichen Staatsapparat tastete sie kaum an – schon sehr bald wucherten Bürokratie, Korruption und Misswirtschaft.

Mit dem radikalen Absturz der Ölpreise stürzte auch Venezuela in seine tiefste Wirtschaftskrise. Subventionen für Lebensmittel und soziale Projekte können mittlerweile nicht mehr bezahlt werden. Die nie überwundene neokoloniale Abhängigkeit des Landes schlägt mit voller Wucht zurück. Internationale Banken kennen keine Rücksicht bei der Forderung nach Rückzahlung fälliger Staatsschulden, geben keine Kredite mehr. Die Regale der Supermärkte sind leer gefegt, die Inflation erreicht schwindelnde Höhen von mittlerweile über 700 Prozent – da hält keine Lohnerhöhung, keine Rentenzahlung mehr Schritt. Die Lage der Massen ist verzweifelt. Mehr und mehr wenden sich von der Maduro-Regierung ab.

An die Spitze des Protests beginnen sich die Belegschaften des internationalen Industrieproletariats zu setzen. Die bürgerliche Presse verbreitet eine Erklärung von General Motors, die Behörden hätten das Werk in Carabobo in der Industrieregion Valencia beschlagnahmt. In Wirklichkeit haben die Arbeiter beschlossen, das Werk zu besetzen. Der Grund dafür ist ein Schreiben der Geschäftsführung von GM, die ankündigt, die Produktion einzustellen. Die 2.678 Beschäftigten sollten Abfindungen erhalten. Doch sie beschlossen, gegen die Stillegung und für ihre Arbeitsplätze zu kämpfen. Ihr Kampf braucht internationale Unterstützung (mehr dazu). Kämpferische Ford-Arbeiter aus Valencia in Venezuela nahmen an der 1. Internationalen Automobilarbeiterkonferenz 2015 in Sindelfingen teil. Sie berichteten von Bestrebungen der Automobilarbeiter, sich konzernübergreifend zusammenzuschließen.

Es wird Aufgabe der venezuelanischen Marxisten-Leninisten – darunter auch Mitgliedsorganisationen der revolutionären Weltorganisation ICOR - sein, im Gewoge der Kämpfe geduldig und im Vertrauen auf die Massen die Lehren zu ziehen für eine wirklich revolutionäre Alternative: den Kampf für nationale und soziale Befreiung als Teil der internationalen Revolution. Das Entscheidende dafür ist, den marxistisch-leninistischen Parteiaufbau in Venezuela voranzubringen.