Großbritannien

Großbritannien

Tories verlieren absolute Mehrheit

Die britische „Konservative Partei“ (Tories) - mit Premierministerin Theresa May an der Spitze - hat bei den Wahlen in Großbritannien gestern die absolute Mehrheit im britischen Parlament verloren.

Tories verlieren absolute Mehrheit
Kundgebung während des Wahlkampfs - viele Menschen suchen nach einer grundlegenden Alternative (rf-foto)

Obwohl sie mit 42 Prozent etwa 5 Prozent mehr Stimmen erhielt als 2015, verliert sie aufgrund des britischen Wahlrechts Sitze im Parlament. Damit rutscht die May-Regierung in eine offene Krise und kommt mit ihrem Kurs ins Straucheln. Deutlicher Gewinner war die Labour-Partei, die mit jetzt 40 Prozent der Stimmen fast 10 Prozent dazu gewann. Beide Parteien holten mit ihren Zugewinnen die Stimmen praktisch von der UKIP zurück.

 

Die faschistoide UKIP, die mit rassistischer und nationalistischer Hetze für den Brexit getrommelt hatte, erhielt eine klare Abfuhr. Sie verlor fast 11 Prozent und verlor mit nur noch 2 Prozent Stimmen ihren einzigen Sitz im Parlament. Aber auch die Liberalen, die einzige Pro-EU-Partei, und die Grünen verloren fast 5 Prozent ihrer Stimmen an Labour.

 

Bus mit Wahlwerbung von Labour während des Wahlkampfs (rf-foto)
Bus mit Wahlwerbung von Labour während des Wahlkampfs (rf-foto)

Im Blickpunkt:

  • Tories verlieren trotz Zugewinnen mit 42 Prozent der Stimmen die absolute Mehrheit im Parlament
  • Labour kommt auf 40 Prozent der Stimmen und gewinnt 10 Prozent dazu
  • Die faschistoide UKIP verliert 11 von bisher 13 Prozent und fliegt aus dem Parlament

 

Das Wahlergebnis ist ein Ausdruck der sich vertiefenden Krise der bürgerlichen Parteien, des bürgerlichen Parlamentarismus und seiner Institutionen. Die Massen sind auf der Suche nach einer gesellschaftlichen Perspektive. So hatte die britische Premierministerin sich durch die vorgezogene Unterhauswahl Rückenwind für ihren ultrareaktionären Kurs erhofft, insbesondere für „harte“ Brexit-Verhandlungen mit der EU. Damit ist sie gescheitert. Die britische Presse dazu unisono: "Sie hat gezockt und verloren." Jetzt steht sie vor Riesenproblemen, eine neue Regierung zu bilden.

 

Erzreaktionärer Kurs wird von vielen abgelehnt

 

Vor allem ihre Pläne für einen rigorosen Abbau sozialer Rechte, wie zuletzt für geplante finanzielle Einschnitte bei Rentnern, hatten breite Empörung ausgelöst. May wollte mit dem Ausstieg Großbritanniens aus der EU (Brexit) auch den gemeinsamen europäischen Binnenmarkt und die Zollunion verlassen. Damit verfolgt die Regierung das Ziel, die Rechte der Zuwanderer aus der EU einschränken können. Das trifft Millionen Menschen, unter anderem aus Polen. Die May-Regierung ordnet sich damit in den Rechtsruck der meisten EU-Regierungen ein.

 

Auch Mays erzreaktionärer Kurs gegen Flüchtlinge wird von der Bevölkerung - trotz der letzten islamistisch-faschistischen Anschläge - zunehmend abgelehnt, weil die demagogische Vermengung beider Fragen immer mehr durchschaut wird. Im Einwanderungsland Großbritannien gibt es traditionell ein ausgeprägtes Gefühl der internationalen Solidarität.

 

Stimmungsumschwung

 

Die gewachsene Stimmenzahl für die Labour-Partei ist Ausdruck eines eingeleiteten fortschrittlichen Stimmungsumschwungs, der auch in Großbritannien spürbar ist. Im Gegensatz zum – durch die bürgerlichen Massenmedien erzeugten – Bild, dass die Masse der Bevölkerung in Großbritannien rechts sei. Der Brexit war und ist in erster Linie ein Ausdruck davon, dass die Massen von der Monopolpolitik und dem imperialistischen Staatenbündnis EU genug haben. Es war und ist Teil einer verzerrten Darstellung in vielen bürgerlichen Medien, dass der Protest gegen die imperialistische EU per se rechts sei.

 

Mit Jeremy Corbin ist aktuell an der Spitze der Labour-Party ein linksreformistischer Politiker, der ähnlich wie Bernie Sanders in den USA einzelne fortschrittliche Positionen vertritt und sich volksnah gibt. Dass er nicht von der Parteispitze nominiert wurde, sondern von der Masse der Parteimitglieder zum Vorsitzenden gewählt wurde, macht ihn in den Augen vieler Arbeiterinnen und Arbeiter in Großbritannien zu einer Alternative.

 

Entsprechend groß ist auch die Hetze in den bürgerlichen Blättern und bei den reaktionären englischen Massenblättern. So verglich ihn die Sun mit Stalin und auch andere Blätter wie der Mirror holten die platte Antikommunismus-Keule hervor.

Im Wahlergebnis kommt die Suche nach einer gesellschaftlichen Alternative zum Ausdruck

Korrespondent aus London

Ein Korrespondent aus London schreibt dazu: „Das Wahlergebnis ist ein großer Sieg für die linken Kräfte. Labour-Chef Jeremy Corbyn gilt als aufrechter, geradliniger Sozialist. Im wurde prophezeit, dass er die Wahlen verlieren wird. Das Gegenteil ist eingetreten. Im Wahlergebnis kommt die Suche nach gesellschaftlichen Alternativen und eine neue Anziehungskraft sozialistischer Ideen zum Ausdruck. Zu Anfang stand der Brexit im Zentrum des Wahlkampfs. Das hat sich im Laufe der Wochen geändert. Die wachsende Armut, die Studiengebühren (Studierende verlassen die Unis mit 9.000 Pfund Schulden), die Wohnungssituation, die Gesundheitsversorgung - das waren die Themen für die Massen. Es gibt ein neues Gesetz, das Alzheimer-Kranke verpflichtet, ihre Ersparnisse und ihr Haus zu verkaufen, um die medizinische Behandlung zu bezahlen.“

 

Revolutionäre Alternative stand nicht zur Wahl

 

Natürlich bleibt Labour eine Monopolpartei und auch Corbyn als ihr Vorsitzender ist ein Vertreter dieses Systems: Er vertritt keine sozialistische oder fortschrittliche Alternative, die über die Grenzen des Kapitalismus hinausgeht. Er will die Zuwanderung ebenfalls beschränken und den Sicherheitsapparat finanziell und personell stärken, "mehr Polizei auf die Straße bringen".

 

Durch eine enge Zusammenarbeit mit der EU - sprich dem in der EU ansässigen Teil des allein herrschenden Finanzkapitals - will er den britischen Monopolen Spielraum erhalten. Dem dient seine Forderung nach freiem Zugang zum europäischen Markt.

 

Für die breite Masse der Bevölkerung stand keine wirkliche gesellschaftliche Alternative zur Wahl. Das macht das Fehlen einer starken marxistisch-leninistischen Partei deutlich, die eine klare proletarische Alternative zur Scheinalternative Tories contra Labour darstellt.

 

Es ist notwendig, konsequent den Kampf gegen die imperialistische EU zu führen. Für die internationale Arbeitereinheit in Europa und darüber hinaus, aber auch grundsätzlich gegen die Herrschaft des internationalen Finanzkapitals und für den echten Sozialismus! Der Aufbau einer marxistisch-leninistischen Partei muss auch in Großbritannien energisch angepackt werden – das ist die wichtigste Schlussfolgerung aus dieser Wahl.