Montagsdemo

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Gelsenkirchen: Diskussion mit Bundestagskandidaten

Eine demokratische Diskussion auf Augenhöhe ohne Vorbehalte entfaltete sich mit Bundestagskandidaten bei der 641. Gelsenkirchenener Montagsdemo.

Von Martina Reichmann und Thomas Kistermann
Gelsenkirchen: Diskussion mit Bundestagskandidaten
Freude bei der Gelsenkirchener Montagsdemo über die wieder vereinte Familie aus Syrien (Mitte). Rechts: Die beiden Kandidaten Lisa Gärtner und Andreas Gilles (rf-foto)

Der Einladung gefolgt waren Andreas Gilles vom Kreisverband der FDP in Vertretung für Marco Buschmann und Lisa Gärtner, Internationalistische Liste MLPD. Ingrid Remmers/Linkspartei und Oliver Wittke/CDU hatten Grüße übermittelt und aus Termingründen abgesagt. Keine Antwort gab es von Irene Mihalic/Bündnis 90/Grüne, Markus Töns/SPD entschied sich gegen die Teilnahme.

Aufschlussreicher als viele TV-Scheinduelle

Die einstündige Debatte mit rund 80 Teilnehmerinnen und Teilnehmern und vielen interessierten Passanten war aufschlussreicher als viele TV-Scheinduelle. Der Bogen reichte von der Flüchtlingspolitik, dem Dieselskandal, der Bildungspolitik bis zur Frage der Zukunftsperspektive. Übereinstimmung zeigten die Kandidaten in der Forderung, dass die Verantwortlichen für den Dieselskandal zur Rechenschaft gezogen werden müssen, was viel Applaus bekam, ebenso wie die konsequente Ablehnung der Vorratsdatenspeicherung.

 

Eine kontroverse Debatte gab es zum Thema der von Kanzlerin Merkel beschworenen „Vollbeschäftigung“ und zum „Strukturwandel“. In Redebeiträgen kamen Fakten zur Sprache dass In Gelsenkirchen seit der Einführung von Hartz IV 1.000 Vollzeitarbeitsplätze abgebaut, rund 8.000 Teilzeitarbeitsstellen geschaffen wurden. 23.000 Menschen sind in Minijobs, die in der Gebäudereinigungsbranche Beschäftigten leben fast zur Hälfte auf 450 Euro Basis. Andreas Gilles sieht den Strukturwandel ebenfalls als gescheitert und ist für die Erhöhung der Hartz-IV-Bezüge. „Es muss vor allem möglich sein, Menschen wieder auf dem ersten Arbeitsmarkt zu integrieren. Es kann keine Dauerlösung sein, wenn Menschen bis zum Renteneintrittsalter auf 450 Euro Basis leben.“ Als Hebel sieht er wesentlich Weiterbildungschancen, Stichwort lebenslanges Lernen und staatliche Zuschüsse dafür.

Kontroverse Debatte

Die Zeichen der Zeit für den Strukturwandel und die Digitalisierung dürfen seiner Meinung nach nicht verpasst werden. „Das Problem bei Zeit- und Leiharbeit liegt nicht in zu wenig Bildung“, so Lisa Gärtner. Sie weiß als als Opelanerin, dass die Einführung von Digitalisierung und Robotern zu einem massiven Verlust von hoch qualifizierten Arbeitsplätzen führte. „Wir müssen die Profitlogik der Konzerne angreifen, um die sozialen Problem zu lösen. Mit der 30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich müssen Arbeitsplätze geschaffen und die Arbeit auf mehr Schultern verteilt werden.“

 

Heiß diskutiert wurde auch die Flüchtlingsfrage. Andreas Gilles sprach sich unbedingt dafür aus, alle Verfolgten und Menschen aus Kriegsgebieten aufzunehmen, aber sieht einen Unterschied bei Flüchtlingen aus wirtschaftlichen Gründen. Lisa Gärtner spricht sich für die Internationalistische Liste für das Recht auf Flucht und gegen diese Unterscheidung aus und kritisierte die Doppelmoral der Bundesregierung und Konzerne, dass es für deutsches Kapital keine Grenzen und Regularien gibt, wohl aber für die Menschen, die vor den Folgen fliehen. „Das ist die inhumane Flüchtlingspolitik als Folge des Kapitalismus“