Betriebsversammlungen

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Klärungsprozess unter Stahlarbeitern kommt voran

Am Dienstag, 7. November, fanden an zehn Standorten von thyssenkrupp Steel Europe (tkSE) außerordentliche Betriebsversammlungen statt.

Von be
Klärungsprozess unter Stahlarbeitern kommt voran
Azubis im Stahlbereich brauchen eine Zukunft (rf-foto)

Der Betriebsrat berichtete über die Ergebnisse der drei Treffen der Arbeitsgruppe des Aufsichtsrats zu den Fusionsplänen des Stahlbereichs von tkSE mit dem europäischen Stahlbereich des indischen Konzerns Tata.

Die MLPD steht fest an der Seite der Kolleginnen und Kollegen (rf-foto)
Die MLPD steht fest an der Seite der Kolleginnen und Kollegen (rf-foto)

In Kürze

  • 80.000 Arbeitsplätze stehen in der europäischen Stahlindustrie zur Disposition
  • Mehrheit der Kolleginnen und Kollegen ist gegen die Fusion von thyssenkrupp Steel Europe und Tata Steel
  • Wachsende Stimmung für Streik - nächster Stahlaktionstag am 23. November in Andernach

Sein Bericht bestätigte im Kern nur, dass es dem thyssenkrupp-Vorstand darum geht, sich ganz vom Stahlbereich zu trennen, weil er hier keine Chance auf Weltmarktführerschaft sieht. Tatas Ziel ist, mit der Fusion Kapazitäten durch Anlagen- und Standortschließungen in Europa zu vernichten und zusammen mit der angestrebten Übernahme der indischen Essar Steel Group zum drittgrößten Stahlkonzern weltweit aufzusteigen.

80.000 Arbeitsplätze in Europa in Gefahr

In diesem mörderischen internationalen Konkurrenzkampf stehen 80.000 Arbeitsplätze allein in der europäischen Stahlindustrie zur Disposition. China hat bereits mehrere hunderttausend vernichtet.

 

Thyssenkrupp hatte sich seit Bekanntgabe der Fusion am 20. September sehr viel Mühe gegeben, über Hochglanzbroschüren, Powerpoint-Präsentationen, Briefing von 3.000 Führungskräften, Werksversammlungen an allen Standorten usw., die Belegschaft für die Fusion zu gewinnen und vom Kampf abzuhalten.

Salamitaktik aus Angst vor einem Streik

Im ersten Schritt sollen 4.000 Arbeitsplätze vernichtet werden, verbunden mit der Ankündigung, 2020 alle Standorte und Anlagen zu überprüfen. Aus Angst vor einem Streik der Stahlarbeiter wird dies in die Zukunft verschoben. Die Arbeitsgruppe des Aufsichtsrats wurde nur eingerichtet, um die Betriebsratsspitze einzubinden.

 

Damit sollen die Belegschaften für eine Fusion als angeblich einzige Alternative gewonnen werden. Das konnte zunächst teilweise wirken. Doch diese Taktik bekommt mehr und mehr Risse. Die Kolleginnen und Kollegen glauben dem Vorstand immer weniger.

Erneut "Tod auf Raten"?

Dies kam auch in verschiedenen Redebeiträgen bei den beiden Versammlungen von tkSE Hamborn/Beeckerwerth in Duisburg zum Ausdruck. So fragte ein Kollege, der aus dem bereits geschlossenen Stahlwerk von Outokumpu in Krefeld zu tkSE wechselte, ob hier wieder ein "Tod auf Raten" organisiert wird. Bei ihnen habe es genauso angefangen.


Auch führende Betriebsräte beschwerten sich auf der Versammlung, dass es in der Arbeitsgruppe des Aufsichtsrats vor allem darum gehe, die Fusion auf jeden Fall durchzuziehen.

Applaus für Beitrag zur Oktoberrevolution

Anhand von Erfahrungen mit bisherigen Firmenfusionen und -verkäufen machten Kollegen deutlich: hier wird eine massive Arbeitsplatzvernichtung vorbereitet. Dagegen muss der Kampf vorbereitet und geführt werden. Andere Redner unterstützten das. Einer forderte Streik sofort! Für diese Forderungen gab es breiten Beifall der Versammlung.

Der 7. November vor 100 Jahren war in der Tat ein schwarzer Tag, aber ein schwarzer Tag für den Kapitalis­mus

Peter Römmele, tkSE-Arbeiter und MLPD-Landesvorsitzender

Ein weiterer Kollege führte aus, dass die Fusion ausschließlich der Kapitalistenlogik folge. Eine solche Logik habe überhaupt nichts mit den Interessen der Arbeiter zu tun. Eine Lehre aus der erfolgreichen Oktoberrevolution vor 100 Jahren müsse sein, mit dieser Kapitallogik Schluss zu machen und gemeinsam mit den Kollegen von Tata an allen Standorten zu streiken, bis die Fusionspläne vom Tisch sind. Denn damit treffen wir die Konzerne dort, wo es ihnen weh tut. Dieser Beitrag erhielt den weitaus stärksten Beifall.

Kampfbereitschaft hält an

Bei beiden Versammlungen gab es eine große Zustimmung dafür, dass die Fusionspläne insgesamt vom Tisch müssen. Es ist dem Vorstand nicht gelungen, die Kampfbereitschaft zu zersetzen. Gleichzeitig stellt sich für viele die Frage, wie man dies richtig organisiert.

 

In dieser Situation wechseln Gewerkschaftsführung und Betriebsratsspitze immer offener auf die „soziale“ Ausgestaltung der Fusion. Demnach gehe es um "gute finanzielle Ausstattung" des neuen Unternehmens, dass der Sitz der Gesellschaft in Deutschland bleibe und langfristige Garantien für Standorte, Anlagen und Investitionen notwendig seien. Kein Wort mehr vom Kampf um jeden Arbeitsplatz oder gegen die Fusionspläne überhaupt. 

Antikommunismus verliert an Wirkung

Passend dazu machte der für seinen Antikommunismus bekannte Betriebsratsvorsitzende Günther Back Stimmung gegen das Vorbild der Oktoberrevolution. Für ihn sei der 7. November "einer der schwärzesten Tage in der Geschichte der Welt". Denn davon ausgehend hätten "Millionen von Menschen den Tod gefunden".

 

Das blieb so nicht stehen. Peter Römmele, tkSE-Arbeiter und Landesvorsitzender der MLPD, stellte klar: "Der 7. November vor 100 Jahren war in der Tat ein schwarzer Tag; aber ein schwarzer Tag für den Kapitalis­mus. Und dass der Kapitalismus hunderte Millionen Menschen umgebracht hat, dafür muss sich hier wirklich niemand entschuldigen.“

 

Dabei ging der letzte Halbsatz fast in Zwischenapplaus unter. Dieser Antikommunismus soll die Kollegen nur davon abhalten, konsequent den Kampf um ihre Interessen zu führen. Er soll verhindern, dass in ihnen das Bewusstsein wächst, dass der Kapitalismus als Ursache bekämpft werden muss.

Klärungsprozess kommt voran

Die Positionierung der Mehrzahl der Diskussionsredner für einen „echten“ Kampf, d.h. für Streik, und die wachsende Zustimmung der Versammlung zu diesen Beiträgen zeigt: seit der Betriebsversammlung vom 18. Oktober ist der Klärungsprozess für den notwendigen Kampf gegen die Fusionspläne unter den Stahlarbeitern ein gutes Stück vorangekommen.

 

Es ist zu begrüßen, dass die IG Metall zu einem weiteren Stahlaktionstag für den 23. November am Stahlstandort Andernach in Rheinland-Pfalz aufruft und dafür 8.000 Stahlarbeiter erwartet. Das kann die Vorbereitung eines wirkungsvollen Streiks aller Stahlarbeiter keineswegs ersetzen.

 

In der Auseinandersetzung um die geschichtliche und aktuelle Bedeutung der Oktoberrevolution und die Lehren daraus zeigte sich eine weitere bedeutende Seite des notwendigen Klärungsprozesses: dass nämlich die Kollegen immer besser mit dem Antikommunismus fertig werden. Das macht Mut.