BDI-Forderungen
FDP will Arbeitszeit extrem flexibilisieren
Bei den Sondierungsgesprächen für eine Jamaika-Koalition zeichnet sich der beabsichtigte weitere Rechtsruck der zukünftigen Regierung immer deutlicher ab.
Dafür steht auch der neueste Vorstoß der FDP zur Abschaffung des geltenden Arbeitszeitgesetzes. FDP-Präsidiumsmitglied Michael Theurer findet: "Das Arbeitszeitgesetz ist nicht mehr zeitgemäß und muss flexibler werden."
In Kürze
- FDP fordert in den Jamaika-Verhandlungen die Abschaffung des geltenden Arbeitszeitgesetzes
- Ihr Stichwortgeber ist der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI)
- Kämpferische Tarifrunde und Kampf für 30-Stundenwoche bei vollem Lohnausgleich als Kontrastprogramm
Dazu soll nach dem Willen der FDP die deutsche Gesetzgebung der EU-Arbeitszeitrichtlinie angepasst werden. Diese sieht statt einer täglichen Höchstarbeitszeit von acht Stunden nur eine wöchentliche Maximaldauer von 48 Stunden vor. "Das sorgt für mehr Freiheit und damit Chancen", behauptet Theurer frech.
Schöne neue "atmende" Arbeitswelt?
Unerwähnt lässt er allerdings, wessen "Freiheit" und wessen "Chancen" er meint. Die der Arbeiter und Angestellten wohl kaum. Sie wissen genau, was Theurers arrogante Sichtweise, wonach die "Vorstellung, dass man morgens im Büro den Arbeitstag beginnt und mit dem Verlassen der Firma beendet, veraltet" sei, in der Realität bedeutet.
Fragt man die Kolleginnen und Kollegen in den Betrieben, haben sie längst die Nase voll von der wachsenden Flexibilisierung der Arbeitszeit. Immer mehr Überstunden, Samstagsarbeit und im Wechsel dazu Freischichten und Zwangsurlaub - das ist die Lebensrealität bereits der meisten arbeitenden Menschen. Im Unternehmerjargon nennt sich das "atmende Fabrik".
Dramatische Folgen der Flexibilisierung
Damit nicht genug, wird von ihnen auch die ständige Erreichbarkeit in der Freizeit verlangt, ohne Rücksicht auf die Familiensituation. Die Folgen sind dramatisch: Stress im Beruf ist laut einer Forsa-Umfrage im Auftrag der Techniker-Krankenkasse für 47 Prozent der Befragten Belastungsfaktor Nr. 1. Bei 49 Prozent führt das zu Krankheiten wie Depressionen, Angstzuständen, Magenproblemen, Schlafstörungen, Tinnitus usw.
Dass die FDP sich plötzlich für das Wohlergehen der Arbeiter und Angestellten einsetzt, wird kaum jemand wirklich erwartet haben. Ihre Stichwortgeber sitzen in den Führungsetagen der Unternehmerverbände. Erst am 24. Oktober hat es der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) in seinem aktuellen Zehn-Punkte-Programm zur Bildung der neuen Regierung so formuliert: "Die Politik muss die Belastungen der Unternehmen ... endlich in Angriff nehmen." Das erfordere unter anderem die "1:1-Umsetzung von EU-Recht statt nationaler Alleingänge".
"De-Industrialisierung"?
Der BDI bejammert darin außerdem eine "schleichende De-Industrialisierung". Wenn damit die Vernichtung von immer mehr Industriearbeitsplätzen gemeint ist, dann fällt das allerdings vollständig in die Verantwortung der internationalen Monopole. Sie sind alles andere als Leidtragende der Regierungspolitik. Vielmehr diktieren sie auf vielerlei Weise schon jetzt die Politik der zukünftigen Regierung.
Und sie verschärfen selbst aggressiv den internationalen Konkurrenzkampf. Auf Kosten schwächerer imperialistischer und kapitalistischer Länder, vor allem aber der Arbeiterinnen und Arbeiter in Deutschland selbst.
Gelegenheit für Kampfansage
Dagegen wächst der Unmut in den Betrieben deutlich an. Die begonnene Tarifrunde in der Metall- und Elektroindustrie ist eine gute Gelegenheit zur Kampfansage an die kommende Regierung und derlei Forderungen der Unternehmerverbände.
Am besten durch den Einsatz der vollen gewerkschaftlichen Kampfkraft mit sich steigernden Warnstreikaktivitäten bis hin zu unbefristeten Flächenstreiks. Das trifft die Kapitalisten am wirkungsvollsten und soll deshalb - wenn es nach den Unternehmerverbänden, bürgerlichen Politikern, aber auch reformistischen Gewerkschaftsführern geht - um jeden Preis vermieden werden.
Zurecht verlangen die Metaller nicht nur höhere Löhne und Gehälter, sondern auch Möglichkeiten zur Verkürzung der Arbeitszeit sowie endlich eine Angleichung der Löhne und Arbeitszeiten in Ost und West.
Kontrastprogramm 30-Stundenwoche bei vollem Lohnausgleich
Das offensive Kontrastprogramm zum aktuellen FDP-Vorstoß ist die Forderung nach einer Arbeitszeitverkürzung auf 30 Stunden pro Woche bei vollem Lohnausgleich. Die Auseinandersetzung um die Aufstellung dieser Forderung in der IG Metall wird während und nach der aktuellen Tarifrunde weitergehen.
Gegebenenfalls gilt es dafür auch den gewerkschaftlichen Rahmen zu durchbrechen, z.B. zur konzernweiten Durchsetzung im Kampf gegen die aktuellen Arbeitsplatzvernichtungspläne bei thyssenkrupp oder Siemens.
Rechnerisch acht Millionen neue Arbeitsplätze
Im aktuellen Flugblatt der MLPD zur Metalltarifrunde heißt es dazu: "Statt Vernichtung Tausender Arbeitsplätze auch durch Fusionen, wie von thyssenkrupp mit Tata, PSA mit Opel und angesichts Flexibilisierung und Leistungsverdichtung muss die Arbeitszeit runter – von Montag bis Freitag, und zwar bei vollem Lohnausgleich und auf Kosten der Profite. Rein rechnerisch könnten bis zu acht Millionen neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Das ist auch ein Beitrag für die Zukunft der Jugend und zeigt, was in einer sozialistischen Gesellschaft möglich wäre, in der nicht der Profit regiert, sondern der Mensch in Einheit mit der Natur im Mittelpunkt steht."
Folgende Kundgebungen zum Tarifauftakt finden statt:
15. November in Baden-Württemberg
16. November in Nordrhein-Westfalen
17. November in Bayern
Wir tragen dazu bei, dass diese Kundgebungen zu kämpferischen Tarif-Auftakten werden!