Gerichtsurteil
"Es schleckert ja überall"
Am 27. November 2017 wurde Anton Schlecker, der frühere Inhaber der Drogeriemarktkette „Schlecker“ vom Landgericht Stuttgart zu einer Haftstrafe von drei Jahren - ausgesetzt zur Bewährung - und zur Zahlung von 54.000 Euro verurteilt.
Seine Kinder Lars und Meike Schlecker bekamen zwei Jahre bzw. zwei Jahre und acht Monate Haft wegen Insolvenzverschleppung, Untreue und Betrug. Sie haben Revision gegen das Urteil eingelegt.
In Kürze
- Schlecker steht für die Massenentlassung von 25.000 Frauen
- Abfindungen gibt es nicht, nur aus der Kündigungsfrist von drei Monaten stehen ihnen noch 33 bis 40 Prozent ihres Einkommens zu
- MLPD von Anfang an solidarisch
Nach der Urteilsverkündung setzte sich Anton Schlecker in Begleitung seiner Tochter Meike an das Steuer eines Porsche Cayenne GTS im Neuwert von 90.000 Euro, den er abseits vom Gericht in der Tiefgarage eines Fünf-Sterne-Hotels geparkt hatte.
"Schlecker-Frauen" - fast Wort des Jahres 2012
Schlecker steht für die Massenentlassung von 25.000 Frauen im Jahr 2012 quasi über Nacht. Und der Kampf der Schlecker-Frauen um ihre Arbeitsplätze machte derart Furore, dass der Begriff „Schlecker-Frauen“ fast zum Wort des Jahres 2012 geworden wäre.
Schon 2012 hatte eine von ihnen, Regine Liebich, seinerzeit Betriebsrätin bei Schlecker, gegenüber Rote Fahne News erklärt: „Die Schlecker-Kinder haben immerhin noch ein paar Millionen übrig. Ich dagegen muss mit 61 zum Arbeitsamt und laut Wirtschaftsminister Rösler um eine 'Anschlussverwendung' betteln. Das nach 15 Jahren bei Schlecker! … Mit 40 sieht die Aussicht, einen Vollzeitarbeitsplatz zu finden, trostlos aus. Und über 50 ist praktisch nichts mehr drin. Die wahren Schuldigen bleiben außen vor …“
Nichts mehr da von den Schlecker-Milliarden?
2012 wurde die Öffentlichkeit Zeuge, wie der vormals milliardenschwere Schlecker-Clan versuchte, Mitleid mit ihm wegen der Insolvenz des Konzerns zu erheischen. „Es ist nichts mehr da“, hatte Meike Schlecker damals in die Mikrofone gehaucht.
Mit dieser Behauptung und zur Schau gestellter Naivität ist Anton Schlecker nun anscheinend vor Gericht durchgekommen. Nach Recherchen der Wirtschaftswoche haben sich Lars und Meike Schlecker selbst zu den Großgläubigern von Schlecker erklärt und Forderungen von 176 Millionen Euro angemeldet.
Beschäftigte ausgepresst - dann fallengelassen
Im Vergleich dazu sind die Forderungen der früheren Beschäftigten Peanuts: Abfindungen gibt es nicht, allein aus der ihnen maximal zustehenden Kündigungsfrist von drei Monaten stehen ihnen noch 33 bis 40 Prozent ihres Einkommens zu. Bei einem angenommenen Nettoeinkommen von 1.800 Euro sind das maximal 2.160 Euro pro Person.
In Spitzenzeiten beschäftigte die Firma in Deutschland und in Niederlassungen in Österreich, Niederlanden, Spanien, Italien, Polen, Dänemark, Tschechien, Ungarn, Portugal rund 47.000 Arbeiter und Angestellte. Diese Expansion wurde mit der Ausbeutung der Beschäftigten, vor allem Frauen, ermöglicht und stand immer wieder in der Kritik für ihre Arbeitsbedingungen.
Während der Öffnungszeiten war oftmals nur eine Frau für den ganzen Laden zuständig, Verkäuferinnen beschwerten sich mehrfach über Ausspitzelung unter anderem per Kameraüberwachung. Frau-TV deckte inzwischen auf, dass über zwei Drittel der Beschäftigten in den Schlecker-XL-Läden Leiharbeiter(innen) von „Meniar Personalservice“ waren. Inhaber der Firma waren Lars und Meike Schlecker.
MLPD von Anfang an solidarisch
Die MLPD unterstützte von Anfang an auch den jahrelangen Kampf um bessere Arbeitsbedigungen und Tarife, den die Schlecker-Beschäftigten gemeinsam mit der Gewerkschaft ver.di führten. Nach der Bekanntgabe der Insolvenz ermutigte sie die Kolleginnen und Kollegen, auch gegen deren Folgen und die Abwälzung auf die Belegschaft entschlossen den Kampf aufzunehmen. Rote Fahne News berichtete immer wieder darüber.
Unter anderem in Gelsenkirchen organisierte die MLPD 2012 gemeinsam mit dem Frauenverband Courage eine Protestkundgebung. Es gab Solidaritätsbesuche bei den Betroffenen in ihren Läden. Dabei gab es viele intensive Diskussionen darüber, wie der Kampf höherentwickelt, wie er insbesondere auch gemeinsam mit den Beschäftigten anderer Branchen geführt werden kann.
Dennoch konnte der mutige und einfallsreiche Kampf der Schlecker-Beschäftigten nicht zuletzt aufgrund der Orientierung auf Verzichtsangebote, Auffanggesellschaften und individuelle Lösungen die Folgen der Insolvenz nicht abwenden. Bei manchen Kolleginnen und Kollegen ist ein Gefühl zurückgeblieben, dass der Kampf doch nichts gebracht hat. Umso wichtiger ist es, die richtigen Lehren zu ziehen.
"Es lohnt sich, aufzustehen"
Dazu noch einmal Regine Liebich: „Ich habe mich früher nie groß politisch betätigt. Heute sage ich, da kommt man gar nicht drum herum. Denn es 'schleckert' ja überall. Ich sehe die Zeit bei Schlecker als positiv an. Ich habe sehr viel gelernt, gelernt, auf die Straße zu gehen und Rückgrat zu zeigen. ... Es war für mich eine Lehre 'fürs Leben' und für die Zukunft. … Es lohnt sich, aufzustehen, es lohnt sich, die Stirn zu bieten.“
Vor allem ist es notwendig, solche Einzelkämpfe mit einem gesellschaftsverändernden Kampf zu verbinden, sie als Schule des Klassenkampfes zu führen, indem die Arbeiterinnen und Arbeiter ihr Klassenbewusstsein erhöhen, ihre Organisiertheit stärken und sich für immer härter werdende Klassenauseinandersetzungen im Kampf um den Sozialismus zu stählen. Dies ist eine wesentliche Schlussfolgerung aus dem Klassenurteil zugunsten der Familie Schlecker.