Neue Regierung

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Regierungserklärung von Angela Merkel legt Programm der Großen Koalition dar

Am 21. März gab Angela Merkel ihre erste Regierungserklärung als Bundeskanzlerin der neuen Großen Koalition ab.

Von nek / gis
Regierungserklärung von Angela Merkel legt Programm der Großen Koalition dar
Mitglieder des Jugendverbands REBELL protestieren gegen Abschiebung und gegen den Rechtsruck der Regierung (foto: Jugendverband REBELL)

Eine Stunde lang stellte sie die Grundzüge des Regierungsprogramms für die kommenden vier Jahre vor. Damit ist die Monate dauernde Regierungsbildung abgeschlossen, die längste offene politische Krise in Deutschland seit dem 2. Weltkrieg fürs Erste überwunden. Das ihr zugrunde liegende Dilemma jedoch bleibt bestehen. Die latente politische Krise hat sich in den letzten Monaten weiter vertieft.

 

Will der deutsche Imperialismus im Konkurrenzkampf mit anderen "alten" imperialistischen und den neuimperialistischen Ländern nicht zurückfallen, sind die Monopole auf eine Regierung angewiesen, die verschärfte Angriffe auf die Arbeiterklasse und die Massen in Deutschland und eine aggressive Außenpolitik flankiert.

 

Dabei soll sie jedoch die Methode des Regierens mittels des Betrugssystems der kleinbürgerlichen Denkweise beibehalten. Dieser Spagat prägte schon die ganze Phase der Regierungsbildung, die Regierungserklärung und das Regierungsprogramm.

Kein Wort zu Arbeitsplatzvernichtungsplänen

Hinter den Regierungsplänen, massiv in "Bildung" zu investieren, steckt der Konkurrenzkampf mit den USA und Asien. Die Bildungspolitik wird noch deutlicher an den Interessen der Monopole ausgerichtet. Ob die deutsche Wirtschaft in einigen Jahren weiterhin gut dastehe, sei nicht garantiert.

 

Die Treiber der Digitalisierung, so Merkel, sitzen bekanntlich nicht in in Deutschland oder Europa, sondern in den USA und Asien. Die deutschen "Leitindustrien" Auto, Pharma und Maschinenbau könnten aufgrund von Nachtrab in der Digitalisierung und Fachkräftemangel leicht ins Hintertreffen geraten. Über die Pläne zur Verschärfung der Ausbeutung und massiven Arbeitsplatzvernichtung sprach Merkel hingegen nicht.

 

Die Autoindustrie müsse zu ihrer Verantwortung stehen. Allerdings forderte die Kanzlerin nur mehr Investitionen, unter anderem in Elektrofahrzeuge. Kein Gedanke an Entschädigung der betrogenen Dieselfahrer oder persönliche Haftung der Verantwortlichen für den bewussten und vorsätzlichen Betrug an Gesundheit und Leben von Millionen Menschen.

Rechtsruck in der Flüchtlingspolitik

Alle Welt redet von den Äußerungen des offen reaktionären Scharfmachers Horst Seehofer (CSU) gegen muslimische Flüchtlinge und Migranten und der Hetze des neuen Gesundheitsministers Jens Spahn (CDU) gegen Hartz-IV-Betroffene. Die Bundeskanzlerin hingegen verpackt den Rechtsruck in der Flüchtlingspolitik in typisch Merkelscher Manier.

 

Sie tut so, als ob das geplante Fachkräfte-Zuwanderungsgesetz ein Akt der Menschenfreundlichkeit gegenüber Flüchtlingen und Migranten sei. Tatsächlich wird damit nacktes Aussieben betrieben: Gut ausgebildete Fachkräfte (die in ihren Ländern gebraucht werden!) zur Ausbeutung durch die Monopole rein nach Deutschland - für die anderen Mauern, Zäune, "Ankerzentren", Abschiebung und Ausbau von "Flüchtlingsdeals" mit den reaktionärsten afrikanischen Regierungen nach dem Muster Deutschland - Türkei. Der neue Ministerpräsident in Bayern, Markus Söder, hat als erste Amtshandlung diese Woche angekündigt, eine bayerische Grenzpolizei mit 500 Mann zu installieren und weiter aufzustocken.

 

Die Scharfmacher in der Regierung stimmen im Grundsatz überein mit dem Antrag der AfD an die Bundesregierung, die Grenzen Deutschlands dichtzumachen - und im gleichen Atemzug erweckt die Kanzlerin den Anschein, als ob sie ihre kurzzeitige "Willkommenskultur" von 2015 verteidige. Dabei hat sie diesen Weg längst verlassen, die Flüchtlingspolitik schon mit der alten GroKo Stück für Stück nach rechts gerückt. Jetzt wird der ehemalige BDI-Hauptgeschäftsführer Markus Kerber Staatssekretär von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU). Kerber hatte schon 2015 Merkels „Wir schaffen das“ kritisiert.

Aggressive Außenpolitik

Das Auswärtige Amt unterstützt den Vorstoß des EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker, bei außenpolitischen Fragen nicht länger am Einstimmigkeitsprinzip in der Europäischen Union festzuhalten. Damit werden die kleineren EU-Länder weiter geschwächt. "Der Einstimmigkeitszwang hält uns davon ab, Weltpolitikfähigkeit zu erreichen", sagte Juncker. Dies entspricht der zwischen Merkel und Macron ausgemachten weiteren Aufrüstung der imperialistischen EU.

Kritik an Erdogan Tribut an die große Solidarität

Angela Merkel hielt ihre Regierungserklärung am großen Solidaritätstag "Efrin wird leben". In Deutschland stand nicht nur Erdogan, sondern ebenso die Bundesregierung am Pranger. Merkel reagierte: "Bei allen berechtigten Sicherheitsinteressen der Türkei ist es inakzeptabel, was in Afrin passiert, wo tausende und abertausende von Zivilisten verfolgt sind, zu Tode kommen oder flüchten müssen“, sagte die CDU-Vorsitzende. „Auch das verurteilen wir auf das Schärfste.“

Faschisierung des Staatsapparats

Angela Merkel will einen „Pakt für den Rechtsstaat“ schließen, um die „innere Sicherheit“ zu gewährleisten. Damit ist jedoch nicht die zielgerichtete Verfolgung der Volksverhetzung durch die AfD oder die Aufklärung aller faschistisch motivierten Anschläge gemeint. Die innere Sicherheit, die die Regierungserklärung meint, ist der Ausbau von Bespitzelung und Überwachung linker Kräfte.

Potenzial des Volkswiderstands erkannt

Es gibt Absichtserklärungen, aber auch reale Zugeständnisse an den Protest gegen die wachsende Armut. Tatsächlich ermöglicht die Wirtschaftsentwicklung in Deutschland Zugeständnisse von oben, wie etwa die beschlossene Rentenerhöhung. Doch wo ein Loch gestopft wird, tun sich zwei neue auf. So müssen viele Renterinnen und Renter nach der Rentenerhöhung Steuern bezahlen.

 

Die notwendigen riesigen Investitionen werden durch die weitere Umverteilung des Volkseinkommens zugunsten der Monopole finanziert. Diese Umverteilungspolitik von unten nach oben ist der Grund, warum der soziale Wohnungsbau am Boden liegt, das Renteneintrittsalter auf 67 Jahre erhöht wurde, der Rechtsanspruch auf Krippenplätze nicht eingehalten wird.

Neue Modifizierung des Merkelschen Betrugssystems

In den Mittelpunkt ihrer Antrittsrede stellte Angela Merkel ihre Absicht, die gesellschaftliche Polarisierung zu überwinden. Damit setzt sie am Wunsch vieler Menschen an, die keine Spaltung wollen. Aber die von Merkel proklamierte Überwindung der Polarisierung bedeutet, die Widersprüche zum Rechtsruck der Regierung und die Klassenwidersprüche dämpfen zu wollen.

 

Das ist nicht im Sinne der fortschrittlichen, antifaschistischen, umweltaktiven, internationalistischen und revolutionären Kräfte. Sie wollen keine Spaltung in Flüchtlinge und einheimische Bevölkerung, keine Spaltung der Arbeiterklasse in Arbeitende und Arbeitslose, kein Gegeneinander von Jung und Alt. Mit dem Kampf gegen den Rechtsruck der Regierung und dem Freiheitskampf der Arbeiterklasse für eine sozialistische Gesellschaft entfaltet sich die richtige Polarisierung.