Hartz-IV-Debatte
Die SPD wird ihr Trauma nicht los
Seit seiner Beschlussfassung im Jahr 2004 ist Hartz IV das bestgehasste Gesetz Deutschlands.
Hartz IV ist nicht nur Armut per Gesetz, sondern tägliche Entwürdigung von über vier Millionen direkt betroffenen Menschen - sowie ständige Bedrohung für alle, die noch Arbeit haben. Nach kurzer Zeit mit Arbeitslosengeld I zwingen die Hartz-Gesetze zur Übernahme fast jeder Arbeit zu fast jedem Lohn. Eine drastische Ausweitung von Niedriglohn- und Zeit- wie Leiharbeit war die Folge.
Im November 2017 lag - laut einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linkspartei-Fraktion - der Verdienst von "22,5 Prozent der Beschäftigten unter der Niedriglohnschwelle von 10,50 Euro pro Stunde". "Zwischen 2004 und 2014 hat sich der Anteil der 'working poor' an allen Erwerbstätigen im Alter zwischen 18 und 64 Jahren verdoppelt", analysiert die Hans-Böckler-Stiftung des DGB in einer Studie.¹
Die damalige Regierung um Kanzler Gerhard Schröder und Vizekanzler Joschka Fischer hat diese Gesetze als Geschäftsführung des allein herrschenden internationalen Finanzkapitals durchgedrückt. Die deutschen Monopole verschafften sich damit über Jahre einen internationalen Konkurrenzvorteil.
Schröder/Fischer sind längst abgewählt. Aber seitdem hängt Hartz IV völlig zu Recht wie ein Mühlstein am Hals der SPD und ist ein wesentlicher Grund für ihre anhaltende tiefe Krise. Dafür hat vor allem die Montagsdemo-Bewegung gesorgt, die unter anderem von Mitgliedern der MLPD von Beginn an getragen wird. Im 14. Jahr sind die Montagsdemos regelmäßig örtlich auf den Straßen - teils wöchentlich, teils in längeren Abständen. Einmal im Jahr kommen sie zur Demonstration gegen die Regierung zusammen. Sie haben sich mit verschiedenen fortschrittlichen Bewegungen, wie mit dem kurdischen oder palästinensischen Kampf für Freiheit und Demokratie, verbunden. Ihre Teilnehmerzahl steigt zu verschiedenen Anlässen wie der Atomkatastrophe von Fukushima deutlich an. Dank ihnen ist der Montag für viele Menschen zum "Tag des Widerstands" geworden.Von wegen: bringt doch nichts.
In Kürze
- Montagsdemonstrationen - seit 14 Jahren das soziale Gewissen der Republik
- Das so genannte "solidarische Grundeinkommen" ist ein Etikettenschwindel
- Die Einführung der 30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich ist nötig
Jetzt erleben wir, wie Vertreter der SPD einen neuen Versuch starten, sich der Verantwortung für die Hartz-Gesetze zu entledigen. Der Berliner Regierende Bürgermeister Michael Müller ließ verlauten, dass es „keine gesellschaftliche Akzeptanz für Hartz IV“ gäbe und forderte mit dem Hartz-IV-System „Schluss zu machen“. Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) will mit einem „sozialen Grundeinkommen“ angeblich einen „Paradigmenwechsel“ in der Sozialpolitik einleiten.
Schon der ehemalige Kanzler-Kandidat Martin Schulz (SPD) wurde von den Monopolverbänden BDI und BDA umgehend zurückgepfiffen, als er auch nur zarteste Korrekturen an den Hartz-Gesetzen ankündigte. Inzwischen hat auch Vizekanzler Olaf Scholz im Auftrag dieser Monopole, seine Parteikollegen wieder ausgebremst und erklärte, an den Grundsätzen von Hartz IV werde nicht gerüttelt.
Die SPD will offensichtlich vor allem den Begriff 'Hartz IV' aus der Welt schaffen
Ulja Serway, Bundesweite Montagsdemo
Ulja Seway, eine der Sprecherinnen der Bundesweiten Montagsdemo erklärt: „Dass es auch 15 Jahre nach Einführung der Hartz-Gesetze keine gesellschaftliche Akzeptanz von Hartz IV gibt, dazu haben wir als Montagsdemobewegung und die in ihr aktiven Organisationen maßgeblich beigetragen. Die Debatte über die Abschaffung von Hartz-IV begrüßen wir natürlich. Doch die SPD will offensichtlich vor allem den Begriff 'Hartz IV' aus der Welt schaffen. Das sogenannte solidarische Grundeinkommen ist ein Etikettenschwindel. Selbst wenn von 1.500 Euro Bruttolohn ausgegangen wird, würden nach Berechnungen des Sozialtickers viele Betroffene gerade in Großstädten auf dem Hartz-Niveau verharren.² Statt Arbeitsplätze auf Kosten der Unternehmerprofite zu schaffen, wird der Niedrig(st)lohnsektor ausgebaut. Es soll auch nur ein Teil der Langzeitarbeitslosen im öffentlich geförderten Arbeitsmarkt untergebracht werden. Der Rest der Arbeitslosen bleibt in Hartz IV! Wir werden weiterkämpfen, bis die Hartz-Gesetze vom Tisch sind!“
Das Ganze beruht auf der Lebenslüge des Kapitalismus, dass nicht genug Arbeit da sei. Man schaue sich nur unsere Städte an, den Zustand der Turnhallen, der Brücken und Grünanlagen, ganz zu schweigen vom skandalösen Pflegenotstand! Auch im Bereich Umweltschutz würden viele Arbeitskräfte dringend gebraucht. Die MLPD fordert höhere Löhne und dass die Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich auf 30 Stunden verkürzt wird.
Die Ausbeutung kann im Kapitalismus nicht abgeschafft werden
Die SPD versucht mit dem „sozialen Grundeinkommen“ an der Debatte um ein „bedingungsloses Grundeinkommen“ anzudocken. Die MLPD sieht diese Losung kritisch, weil sie Illusionen weckt, als könne die Ausbeutung durch Lohnarbeit im Kapitalismus abgeschafft werden. Konkret würde es darauf hinaus laufen, dass die Beschäftigten als Steuerzahler die Löhne subventionieren, weil die Kapitalisten das Grundeinkommen als Lohnbestandteil einrechnen könnten.
Wer die Menschheitsplagen Armut, Ausbeutung und Arbeitslosigkeit abschaffen will, muss die Ausbeuter abschaffen - sprich ihr System des Kapitalismus muss auf revolutionärem Weg beseitigt werden. Im Sozialismus wird es keine Arbeitslosigkeit und keine Ausbeutung geben, alle können entsprechend ihren Fähigkeiten arbeiten und werden nach Leistung bezahlt.