Der Fall Carles Puigdemont
Grenzüberschreitende Zusammenarbeit von Polizei und Geheimdiensten
Die deutsche Polizei nahm am Sonntag Carles Puigdemont, den früheren Regionalpräsidenten und Repräsentanten der Unabhängigkeitsbewegung von Katalonien, bei seiner Einreise in Schleswig-Holstein fest.
Grundlage der Festnahme war ein europäischer Haftbefehl wegen „Rebellion“ - ein Straftatbestand, den es zumindest in Deutschland bisher gar nicht gibt.
In Kürze
- Die deutsche Polizei hat Carles Puigdemont in Zusammenarbeit mit dem spanischen Geheimdienst festgenommen
- Massenproteste in Spanien
- "Nein" zum Rechtsruck der spanischen und der deutschen Regierung
Puigdemonts "Vergehen" besteht darin, dass er entgegen einem richterlichen Beschluss an einem vom Regionalparlament Kataloniens beschlossenen Referendum festgehalten hat, das sich mehrheitlich für eine Unabhängigkeit Kataloniens aussprach. Dafür drohen ihm in Spanien bis zu 25 Jahre Haft.
Die rechte Rajoy-Regierung wälzt die Krisenlasten auf die spanischen Massen ab. Zumal Spanien im Konkurrenzkampf zurückgefallen ist und bisher noch nicht den Vorkrisenstand gegenüber 2008 erreicht hat. Katalonien ist eine hochindustrialisierte Region. Bedeutende Zweige sind Chemie (Bayer, BASF, Merck, Henkel ...), Pharmazie, Automobilbau und Textilien. Die Produktion der VW-Automarke Seat erfolgt hauptsächlich in Katalonien. Angesichts wachsender zwischenimperialistischer Konkurrenz will sich der spanische Imperialismus auf keinen Fall sein Filetstück aus den Rippen schneiden lassen. Der Kampf der Massen in ganz Spanien gegen die Rajoy-Regierung ist berechtigt.
Puigdemont und seine Regierung hatten fortschrittliche Ansätze vertreten, aber mit der Illusion verbunden, die gesellschaftlichen Verhältnisse könnten durch die EU und ohne Revolution nachhaltig verändert werden. Aber die Abwälzung der Krisenlasten auf die Massen ist geradezu eine Spezialität der EU, wovon sich jeder in Griechenland überzeugen kann.
Die gesellschaftliche Polarisierung in Katalonien und Spanien, der Kampf zwischen dem fortschrittlichen Stimmungsumschwung unter den Massen und einer rechten Tendenz ausgehend vom Rechtsruck der Rajoy-Regierung, verschärfte sich 2017. Der Kampf um demokratische und soziale Rechte ist wichtige Triebkraft der Proteste für die Unabhängigkeit Kataloniens und gegen die spanische Zentralregierung. Gleichzeitig wohnt den Unabhängigkeitsbestrebungen auch die Gefahr einer Spaltung des Kampfs gegen Rajoy inne, die es unbedingt zu verhindern gilt.
Verhaftung löste heftige Proteste in Spanien aus
Die Verhaftung Puigdemonts in Deutschland löste sofort heftige Proteste vor allem in Spanien aus. Allein in Barcelona gingen am Sonntagabend Tausende auf die Straße. Schließlich hatte Puigdemont die Regionalwahl in Katalonien gewonnen, die nach dem Referendum unter Aufsicht der spanischen Regierung durchgeführt wurden, konnte aber wegen der drohenden Haftstrafe keine neue Regierung bilden.
Diese Wahl am 21. Dezember war vor allem eine deutliche Ohrfeige für den reaktionären spanischen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy und den Rechtskurs seiner Regierung. Dieser richtet sich massiv gegen die Unabhängigkeitsbewegung. Mit Schlagstöcken und Warnschüssen gingen die spanische Polizei und die Bürgerkriegstruppe Guardia Civil, die in der Zeit des Franco-Faschismus „schlagender Arm“ des Systems war, massiv gegen die Demonstranten vor. Das, obwohl diese nur ihre bürgerlich-demokratischen Rechte verteidigten. Es gab mindesten 33 Verletzte und mehrere Festnahmen.
Zusammenarbeit von deutscher Polizei und spanischem Geheimdienst
Die Verhaftung Puigdemonts muss auch in Deutschland auf breiten Protest der demokratischen Öffentlichkeit stoßen. Einerseits macht sich die deutsche Justiz hier zum Handlanger der spanischen Unterdrückung; Belgien, wo sich Puigdemont bis jetzt aufhielt, hatte offensichtlich kein Interesse an der Vollstreckung des international gültigen Haftbefehls aus Spanien. Andererseits erfolgte Puigdemonts Verhaftung zweifellos in enger Zusammenarbeit der deutschen Polizei mit spanischen und wahrscheinlich weiteren europäischen Geheimdiensten.
Diese europaweite polizeiliche, geheimdienstliche und militärische Zusammenarbeit wurde in den letzten Jahren unter dem Schlachtruf des „Kampfs gegen den internationalen Terrorismus“ systematisch ausgebaut und eingeübt. Sie wird hier praktisch erprobt, richtet sich aber im Kern gegen die internationale revolutionäre Bewegung. Sie ist Teil der Faschisierung der Staatsapparate in der EU.
Angeblich richtet sich das zum Schutz der Bevölkerung gegen Terroristen. Aber die verschiedensten faschistischen Terroristen bewegten sich in den letzten Jahren weitgehend ungehindert durch Europa. Festgenommen werden Freiheitskämpfer. So wurde vor einigen Tagen auch der syrisch-kurdische PYD-Repräsentant, Salih Müslim, in Tschechien vorübergehend festgenommen.
Die Marxisten-Leninisten verteidigen im Gegensatz zu den EU-Imperialisten das bürgerlich-demokratische Recht auf Lostrennung. Sie befürworten fortschrittliche, nationale Unabhängigkeitsbewegungen und bringen sie in den antiimperialistischen Kampf ein. So in den gemeinsamen Kampf der Arbeiterklasse und Werktätigen in Europa gegen Ausbeutung, Unterdrückung und den Rechtsruck der Regierungen.
Die Stärkung der revolutionären und marxistisch-leninistischen Kräfte und die Überwindung der Illusionen in die Institutionen der EU und der bürgerlichen Politik ist entscheidend. Rebellion ist gerechtfertigt. Deshalb muss Carles Puigdemont sofort freigelassen werden. Verteidigen wir die bürgerlich-demokratischen Rechte gegen die weitere Faschisierung des Staatsapparats.