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"Kein Schlussstrich": Ein bewegender Besuch bei den NSU-Monologen

Die Reihen im Dortmunder Theater sind voll. Die Theatertechniker haben eigens ihren Streik unterbrochen, um die Vorführung zu ermöglichen. Vor uns sitzt eine Schulklasse. Es wird gequatscht und rumgealbert und wir überlegen kurz, ob wir den Platz wechseln. Aber wir bleiben, und als die Vorstellung beginnt, wird es absolut still im Saal, auch in der Reihe vor uns.

Korrespondenz
"Kein Schlussstrich": Ein bewegender Besuch bei den NSU-Monologen
Demonstranten fordern lückenlose Aufklärung der faschistischen NSU-Morde (Foto: Bühne für Menschenrechte)

Opfer wurden kriminalisiert, terrorisiert und gedemütigt

Auf der Bühne: vier Schauspieler in Alltagskleidung, die in einem Lichtkegel stehen. Die vier repräsentieren Menschen, die teilweise vor Verfolgung in ihrem Heimatland nach Deutschland geflohen sind, friedliche Menschen. Menschen wie Adile Şimşek, die Frau des in Nürnberg ermordeten Enver Şimşek. Sie wird von der Polizei in den Wahnsinn getrieben, täglich befragt. Solange, bis sie selbst an ihrem Mann zweifelt und sein Bild zerreißt.

 

Alle Hinterbliebenen der NSU-Opfer hatten und haben mit ähnlichen Problemen zu kämpfen. Sie werden beschattet, ihre Wohnungen werden durchsucht, Freunde und Verwandte bis in die Türkei verhört. Durch die falschen Anschuldigungen in Richtung organisierte Kriminalität wenden sich Nachbarn, Freunde und Verwandte von ihnen ab. Die größte Demütigung aber ist, so berichtet die Dortmunderin Elif Kubaşık, als eine Nazi-Demonstration direkt an dem Kiosk vorbei marschiert, in dem ihr Mann Mehmet erschossen wurde. Die Polizei ermittelt nicht in Richtung der Faschisten und das, obwohl eine Nachbarin aussagt, sie habe unmittelbar vor dem Mord einen Mann gesehen, der vom Typ her „ein Junkie oder Nazi“ war. Die Angehörigen der Opfer lassen sich trotz allem nicht unterkriegen. Sie organisieren Demonstrationen, gehen an die Öffentlichkeit und fordern immer wieder Aufklärung.

Der Drang, diese Zustände zu ändern, wird gestärkt

Es gibt viele Gänsehautmomente an diesem Abend. Die wortgetreue Wiedergabe der Interviews empört und macht wütend auf die Zustände, in denen so etwas möglich ist. Aber auch der Drang, diese Zustände zu ändern, wird gestärkt.