Exklusiv aus Korea

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Historische Tage - Starke Polarisierung

Rund 50 km nördlich der südkoreanischen Hauptstadt Seoul liegt in der demilitarisierten – und auch entvölkerten – Zone die Militäreinrichtung Panmunjeom. Dort trafen sich am 27. April der südkoreanische Präsident Moon Jae In und der Präsident der Demokratischen Volksrepublik Korea (Nordkorea) Kim Jong Un zu einem innerkoreanischen Gipfel. Ein solchermaßen ausgerichtetes Treffen fand seit Jahrzehnten nicht statt!

Von einer Reisegruppe aus Südkorea
Historische Tage - Starke Polarisierung
Fischmarkt im südkoreanischen Busan (Foto: Ryan Bodenstein - CC BY 2.0)

Masse der Menschen sehr bewegt

Zufällig sind wir als eine deutsche Reisegruppe zur gleichen Zeit in Seoul und erfahren viel über den Hintergrund der Spaltung Koreas und die Haltung der Menschen zur Wiedervereinigung. Unabhängig von der politischen Haltung ist die Masse der Menschen sehr bewegt und glücklich über die mögliche Perspektive von Friedensgesprächen. Es besteht eine tiefe Sehnsucht in der Masse der Bevölkerung nach Wiedervereinigung, v.a. in den auseinandergerissenen Familien und Freundschaften. Geschätzte 10 Millionen Familien wurden durch die Spaltung zerrissen und haben bis auf wenige Ausnahmen keine Möglichkeit, einander zu besuchen oder auch nur miteinander zu telefonieren.

Starke Polarisierung in Südkorea

Die extreme Rechte hetzt dagegen am Tag nach dem Gipfel in zahlreichen öffentlichen - bestens mit Technik und Leinwänden ausgestatteten, aber schlecht besuchten - Kundgebungen. Diese reaktionären Demonstrationen finden unter südkoreanischen, US-amerikanischen und sogar israelischen Flaggen statt. Ein Slogan lautet: Exekutiert den Hochverräter Moon. Kurzum: starke Polarisierung in Südkorea!

Aggressiver Antikommunismus Grundlage des südkoreanischen Staats

Korea war in seiner Geschichte beherrscht von Mongolen und von China, von 1910 bis 1945 war es eine japanische Kolonie. Während der Norden von sowjetischen Truppen befreit wurde, landeten im Süden US-amerikanische Truppen. Während die sowjetischen Truppen bereits 1950 abgezogen wurden, sind US-amerikanische Truppen bis heute in Südkorea stationiert. Der von den USA provozierte Koreakrieg mit dem Ziel der Auslöschung des Kommunismus in China kostete drei Millionen Koreanern und einer Million Soldaten das Leben. Er endete mit der ersten schweren Niederlage der USA und der Spaltung Koreas entlang des 38. Breitengrads. Aufgrund eines fehlenden Friedensvertrags existiert bis heute lediglich ein Waffenstillstandsabkommen.

 

Von Beginn wurde ein extrem aggressiver Antikommunismus Grundlage des südkoreanischen Staats. Zehntausende angebliche Kommunisten wurden ermordet. Bis heute regeln die Nationalen Sicherheitsgesetze eine streng antikommunistische Ausrichtung. Der südkoreanische Geheimdienst überwacht die Gesellschaft. Kommunistische Ansichten oder solche, die als Unterstützung des Nordens ausgelegt werden können, werden mit Verhaftung und Gefängnis bestraft.

Mutige Friedensbewegung

Trotz dieser Repression fordert eine mutige Friedensbewegung seit langem eine Wiedervereinigung von Korea. Die jetzigen Gespräche und Pläne zur Wiedervereinigung haben Rückhalt in der Bevölkerung. Fortschrittliche Freunde und Gewerkschaftsaktivisten machen sich über Präsident Moon Jae In lustig, der die Nationalen Sicherheitsgesetze bricht, wenn er mit Nordkorea verhandelt und sogar die Grenze überschritten hat, während es ihnen verboten ist, sich auch nur irgendwie positiv über Nordkorea zu äußern.

 

Der Hauptaggressor sind nach wie vor die USA, die mit andauernden Militärübungen, deren Inhalt eine Invasion des Nordens ist, und ihrem Atomwaffenmonopol eine ständige Bedrohung für den Frieden auf der koreanischen Halbinsel sind. Seit dem Koreakrieg haben die in Korea stationierten US-Truppen im Kriegsfall den Oberbefehl über die südkoreanischen Truppen. Sie kontrollieren dann nicht nur die rund 30.000 eigenen Soldaten, sondern auch die 600.000 südkoreanischen Soldaten und rund 3 Millionen Reservisten.

Massen erkämpften Rücktritt von Park Geun-hye

Die Bedingungen, unter denen jetzt die Gipfel-Gespräche stattfinden, haben sich die Südkoreaner auch erkämpft. 2016 demonstrierten Millionen Menschen im ganzen Land gegen die Präsidentin Park Geun-hye, die Tochter des früheren faschistischen Militärdiktators Park Chung-hee. Allein am 3. Dezember 2016 2,3 Millionen Menschen bei den sogenannten Kerzenlicht-Demonstrationen. Sie erreichten ihren Rücktritt und sie wurde mittlerweile zu 24 Jahren Gefängnis und einer Geldstrafe von 14 Millionen Euro unter anderem wegen Korruption verurteilt. Der Zorn richtete sich aber auch gegen die Versuche von Park, die Rolle ihres Vaters in koreanischen Schulbüchern zu beschönigen. Mittlerweile ist auch ihr Vorgänger Lee Myung-bak verhaftet worden, der besonders den Geheimdienst auf linke und fortschrittliche Menschen angesetzt hatte, gegen kämpferische Gewerkschaften vorging und Unternehmenssteuern senkte.

Moon Jae In regiert mit System der kleinbürgerlichen Denkweise

Ihr Nachfolger Moon Jae In hat im Wahlkampf damit geworben, dass er sich für eine Annäherung an den Norden einsetze und für eine Distanzierung von den USA. Als bürgerlicher Demokrat steht er im Kontrast zu seinen beiden reaktionären Vorgängern und regiert mit einem spezifischen System der kleinbürgerlichen Denkweise unter den Stichworten Annäherung, Ausgleich, Abrüstung. Offensichtlich haben auch die koreanischen Kapitalisten ein großes Interesse an einer Wiedervereinigung – zu ihrem Nutzen.

Nordkorea bietet großen Markt und wertvolle Rohstoffe

Nordkorea bietet ihnen einen großen neuen Markt, wertvolle Rohstoffe wie seltene Erden. Hinzu kommt die Möglichkeit der Ausbeutung der nordkoreanischen Arbeiterklasse, wie bislang schon von über 50.000 Arbeitern im Industriepark Kaesong im Norden. Die direkten Gespräche zwischen Nord und Süd sind Ausdruck des Strebens nach einer größeren Eigenständigkeit des neu aufstrebenden südkoreanischen Imperialismus und des sich stabilisierenden, aus der Isolation strebenden bürokratischen Kapitalismus im Norden.

Historische Tage in Seoul

Wenn wir durch die Straßen laufen, fällt uns auf, dass die Preise vergleichbar sind mit denen in Deutschland oder sogar höher. Zugleich sind aber die Löhne deutlich niedriger. Der Mindestlohn beträgt 5 Euro, während die durchschnittlichen Arbeitszeiten zu den höchsten der Welt gehören. Die Gesellschaft ist insgesamt sehr politisiert. Mitten in der Hauptstadt und Millionenmetropole Seoul gibt es eine ganze Reihe von Protestaktionen. So ein großes Lager von Pavillons und eine Mahnwache zum Unglück der Sewol-Fähre, bei dem über 300 Menschen, darunter der Großteil Kinder ertranken und bis heute die Ursachen nicht aufgeklärt sind. Es gibt Dauerproteste (rund um die Uhr) vor der amerikanischen Botschaft. Außerdem ein Zeltlager vor der japanischen Botschaft. Hier geht es um ein Mahnmal für die im 2. Weltkrieg von Japan versklavten koreanischen Frauen, die zum Sex mit den Soldaten gezwungen wurden. Wir sehen auch ein Mahnwache-Zelt entlassener GM-Leiharbeiter.

 

Es sind historische Tage in Seoul und das koreanische Volk braucht die Solidarität der Friedensbewegung und des antiimperialistischen Kampfes, damit es nicht Opfer der strategischen Interessen der imperialistischen Länder wird.