Erfolg für Görlitz
Siemens-Vorstand muss einlenken - konzernweit keine Entwarnung
Im Herbst 2017 verkündete der Vorstand des Siemens-Konzerns in der Kraftwerks- und Antriebssparte die Vernichtung von 6.900 Arbeitsplätzen weltweit, davon 3.400 in Deutschland.
Das löste eine Welle des Protests aus, nicht nur bei den unmittelbar Betroffenen. Vor allem die angekündigte Schließung der Werke in Görlitz, Leipzig, Erfurt und Offenbach sorgte bei den Siemensianern für Empörung; hatte der Konzern doch im September 2017 einen Gewinn von 6,2 Milliarden Euro für das zurückliegende Geschäftsjahr verkündet.
In Kürze
- Siemens-Werk in Görlitz soll erhalten bleiben
- Dennoch weiterhin Hunderte Arbeitsplätze und ganze Werke auf der Abschussliste
- Siemens-Betriebsgruppen der MLPD stehen mit an der Spitze des konzernweiten Kampfs der Belegschaften
Die MLPD erklärte sich sofort mit den Beschäftigten solidarisch, ihre Betriebsgruppen übernahmen mit ihrem Know-how eine wichtige Rolle bei der Organisierung des gemeinsamen Kampfs und gaben ihm eine klare Orientierung. Mit der Bekanntgabe von Werksschließungen durch Siemens-Chef Joe Kaeser geriet auch die Politik des Co-Managements mit der IG-Metall-Führung in eine Krise.
Siemens will vom Ausbau der Fracking-Industrie profitieren
Hintergrund der Pläne des Siemens-Vorstandes sind Auftragseinbrüche im Bereich der Gas- und Dampfturbinen für konventionelle Großkraftwerke. Gleichzeitig will Siemens seine Turbinenproduktion in den USA ausbauen und damit von den Steuersenkungen Donald Trumps für Konzerne und dem von ihm forcierten Ausbau der Fracking-Industrie profitieren.
Seit Jahresanfang fanden „Sondierungsgespräche“ zwischen Personalvorstand, Gesamtbetriebsrat und IG-Metall-Vorstand statt. In der Nacht zum 8. Mai haben sie sich auf eine „Rahmenvereinbarung zur Restrukturierung“ der Kraftwerksparte bei Siemens geeinigt. Damit rückte Siemens von der geplanten Schließung des Werkes in Görlitz ab, das zu einer Zentrale für das Industriedampfturbinengeschäft umgebaut werden soll.
Rückzieher in Görlitz
Das ist zweifellos ein Zugeständnis an den herzerwärmenden und entschlossenen Massenprotest der ganzen Region in und um Görlitz. Am 19. Januar fand dort die größte Demonstration und Kundgebung seit der Wiedervereinigung statt. Obwohl die Stadt nur rund 57.000 Einwohner hat, nahmen am Schluss über 7.000 Menschen teil.
Viele Belegschaften von Kleingewerbetreibenden bis hin zum Landratsamt schlossen sich an und vereinigten sich mit den Demo-Teilnehmern. Ebenso ganze Klassen aller Schulen und deren Lehrerinnen und Lehrer. Unter den Menschen entwickelt sich ein Hass gegen die „nimmersatte“ Jagd der international agierenden Konzerne nach Kapitalrendite, die damit eine ganze Region in Arbeitslosigkeit und Armut stürzen wollten (siehe Rote Fahne News).
Dass der Plan zur Schließung des Werks in Görlitz nun aufgegeben wurde, zeigt wie verwundbar der Siemens-Vorstand ist, und macht Mut, was erst mit einem konzernweiten Kampf um jeden Arbeitsplatz möglich wäre. Das ist umso bedeutender, da Siemens insgesamt an seinen Plänen weitgehend festhält.
Arbeitsplatzvernichtung und Werksschließungen weiterhin geplant
So will der Vorstand das Werk in Leipzig verkaufen und das Werk in Offenbach mit 700 Beschäftigten weiterhin schließen. Die Pläne für das „Aus“ des Berliner Dynamowerkes in Spandau und für die Vernichtung von 300 Arbeitsplätzen im Gasturbinenwerk Berlin-Moabit werden neu verhandelt.
Für Erfurt, Mülheim/Ruhr, Duisburg sind umfangreiche „Restrukturierungsmaßnahmen“ vorgesehen – eine kapitalistische Umschreibung für Arbeitsplatzvernichtung. Auch der geplante "Umbau" in Görlitz kann das beinhalten.
Laut der Siemens-Personalchefin im Vorstand, Janina Kugel, plane der Konzern weiterhin, die Profite um einen "großen dreistelligen Millionenbetrag" zu erhöhen. Dazu gehöre auch "Stellenabbau." Sie schließt ausdrücklich die Schließung einzelner deutscher Standorte nicht aus.
Verhandlungen gehen weiter
In den kommenden Monaten soll nun über konkrete Maßnahmen verhandelt werden. Siemens peilt eine Einigung bis zum 30. September an.
Der IG-Metall-Vorstand hebt vor allem hervor, dass Siemens jährlich 100 Millionen Euro zusätzlich für Fort- und Weiterbildung zusagt. Bislang ist aber nichts bekannt, ob in der Rahmenvereinbarung etwas zum Erhalt der Ausbildungsplätze steht. Auch bedeutet „Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen“ nichts anderes als Verzicht auf den Kampf um jeden Arbeitsplatz.
Was soll ein Sozialplan bringen, wenn immer noch Hunderte Arbeitsplätze vernichtet werden?
Ein Kollege aus dem Dynamowerk Berlin
Ein IG-Metall-Kollege aus dem Berliner Dynamowerk sagt zu den Plänen: „Die Meinungen zu dem Zukunftsvorschlag für die Fertigung im Dynamowerk sind geteilt. Es soll eine minimale Fertigung mit 150 plus ... Kollegen erhalten bleiben. Dazu soll jetzt ein Sozialplan ausgehandelt werden. Was soll ein Sozialplan bringen, wenn immer noch Hunderte Arbeitsplätze vernichtet werden? Wir wollen richtig informiert werden.“ Sozial ist an der Arbeitsplatzvernichtung gar nichts.
MLPD-Betriebsgruppen müssen stärker werden
Die MLPD-Betriebsgruppen bei Siemens werden weiterhin bei der Organisierung und Koordinierung des notwendigen konzernweiten Kampfs zur Verteidigung der Arbeits- und Ausbildungsplätze, gegen Werksschließungen und Schließung der Lehrwerkstätten aktiv mit an der Spitze stehen.
Sie treten dabei auch für die Verbindung mit der offensiven Forderung nach der 30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich ein. Sie kann auch ein verbindendes Band für den gemeinsamen Kampf mit den Siemens-Beschäftigten in anderen Ländern werden.
Auch für den Kampf der Siemensianer ist ein entscheidendes Kettenglied, die revolutionäre Arbeiterpartei MLPD und ihre Betriebsgruppen zu stärken. Zumal es sichere Arbeitsplätze und eine Produktion im Einklang mit der Natur erst im echten Sozialismus geben wird.