Von der „Proletenpassion“ zur „Proletendepression“?
Neuinszenierung löst heftige kontroverse Reaktionen aus
Aktuell findet eine Neuinszenierung der „Proletenpassion“ im Grillo-Theater in Essen statt.
Nach der Aufführung stellt sich tatsächlich die Frage: Wer braucht diese Neuinszenierung der „Proletenpassion“? Sie ist trotz eines eindrucksvollen Laien-Massenchors und trotz vier hervorragender Schauspieler eine grobe Verfälschung der „Proletenpassion“ in ihr glattes Gegenteil. In der Originalfassung der Wiener Band „Die Schmetterlinge“ von 1976 wird die Geschichte als die der Klassenkämpfe aus Sicht der Unterdrückten optimistisch und revolutionär auf die Bühne gebracht. Die Neuinszenierung konterkariert den roten Faden der Solidarisierung und des revolutionären Optimismus in Form und Inhalt. Es wird ein absurdes verunsichertes „Ich“ eingeführt, das „in einem Zustand der allgemeinen Relativierung aller Positionen, sozusagen in einer Entsolidarisierung mit sich selbst gefangen“ ist – so nennt es der Dramaturg Florian Heller.
Lähmende Stimmung
Mit diesen minutenlangen bleiernen Monologen wird der mit sich selbst lamentierende Selbstzweifler vorgeführt, der eine lähmende Stimmung und die Unabwendbarkeit der Entsolidarisierung verbreiten soll. Wem nützt die Verstärkung seiner Selbstzweifel und die Entsolidarisierung?
Der Kern der Neuinszenierung ist daher, den Zuschauer in der Zeit der Zechenschließungen, der zunehmenden allgemeinen Kriegsgefahr, des Rechtsrucks der Regierung und Förderung faschistischer Kräfte zu verunsichern, zu vereinzeln und zu lähmen.
Spontan angestimmtes Jalava-Lied vor dem Theater
Es war daher sehr erfreulich, dass vor dem Theater in den Diskussionen dieser Gedanke vorherrschend war, und spontan ein anderes der in der Neuinszenierung gestrichenen Lieder – das Jalava-Lied – gesungen wurde. Besucher stiegen nochmals aus Autos aus. Fast über eine Stunde entspann sich eine kontroverse Massendiskussion vor dem Theater. Ebenso wurden Rote Fahne Magazine und Parteiprogramme der MLPD vertrieben sowie Unterschriften gegen die Schließung der Zechen gesammelt und Einladungen zum Rebellischen Musikfestival verteilt.