Jahrestag des Brandanschlags

Jahrestag des Brandanschlags

Kein Rederecht für Çavuşoğlu in Solingen!

Am 29. Mai jährt sich zum 25. Mal der faschistische Brandanschlag in Solingen von 1993. Dabei wurden fünf Mitglieder der Familie Genç ermordet, 14 zum Teil lebensgefährlich verletzt.

Von hbö
Kein Rederecht für Çavuşoğlu in Solingen!
Protest gegen den Çavuşoğlu-Aufritt bei der DGB-Kundgebung zum 1. Mai (Foto: SOLINGEN AKTIV)

Dieser Brandanschlag war Höhepunkt einer Welle des neofaschistischen Terrors zwischen 1991 und 1993 mit insgesamt 4.700 Übergriffen und Anschlägen wie in Hoyerswerda, Mölln, Rostock-Lichtenhagen. Politischer Brandstifter war die damalige Bundesregierung unter Kanzler Helmut Kohl (CDU) mit ihrer reaktionären Ausländer- und Asylpolitik, gestützt auf eine beispiellose Medienhetze.

Vielfältige antifaschistische Aktivitäten

Als Gegenreaktion entstand damals eine seit dem II. Weltkrieg nicht gekannte antifaschistische Bewegung mit weit mehr als sieben Millionen Teilnehmern, die dem sich steigernden faschistischen Terror Einhalt gebot.

Heute haben wir eine ähnliche Situation: Durch den Rechtsruck der Regierung insbesondere auch gegen Flüchtlinge werden Faschisten und faschistoide Parteien wie die AfD als Wegbereiter des Faschismus wieder „salonfähig“ gemacht. Das hat eine gesellschaftliche Polarisierung hervorgerufen.

Antifaschistisches Mahnmal in Solingen, an dem wie jedes  Jahr auch an diesem 29. Mai die städische Gedenkfeier stattfinden wird (Foto: Frank Vincentz / Eigenes Werk)
Antifaschistisches Mahnmal in Solingen, an dem wie jedes Jahr auch an diesem 29. Mai die städische Gedenkfeier stattfinden wird (Foto: Frank Vincentz / Eigenes Werk)

In Kürze:

  • Als Reaktion auf Brandanschlag von 1993 entstand eine seit dem II. Weltkrieg nicht gekannte breite antifaschistische Bewegung
  • MLPD, SOLINGEN AKTIV und andere fortschrittliche Kräfte machen mobil gegen Auftritt eines Ministers der faschistischen Regierung der Türkei

 

In Solingen kommt das antifaschistische Bewusstsein in der Bevölkerung in vielfältigen Veranstaltungen um diesen Jahrestag zum Ausdruck. So auch in einer regionalen Großdemonstration am Samstag, 26. Mai, die um 12 Uhr ab dem Südpark startet.

Antikommunistisch motivierte Ausgrenzung

Die Aufforderung der kleinbürgerlichen Veranstalter, „ohne Partei- oder Nationalfahnen zu demonstrieren“ und verbotene kurdische Fahnen wie von der PYD oder YPG nicht zu tragen, ist jedoch inakzeptabel. Eine antikommunistisch motivierte Ausgrenzung von Revolutionären, Marxisten-Leninisten und nationalen Befreiungskämpfen darf es im antifaschistischen Kampf nicht geben.


Die Einladung des Außenministers der faschistischen Erdogan-Regierung, Mevlüt Çavuşoğlu, bei der städtischen Gedenkfeier am 29. Mai zu sprechen, bedeutet eine weitere Polarisierung des Jahrestags. Die große Mehrheit der Solinger ist empört darüber, einen Faschisten bei einem antifaschistischen Gedenken sprechen zu lassen.

Keine Wahlkampftribüne für Erdogan!

In Solingen will keiner die Verantwortung dafür übernehmen, wer ihn eingeladen hat. CDU und SPD schieben sich gegenseitig die Verantwortung zu. Inzwischen ist relativ offensichtlich, dass dieser Auftritt eine bewusste Inszenierung zwischen Berlin und Ankara ist, um der faschistischen Erdogan-Regierung für den Wahlkampf in der Türkei eine Bühne zu bieten - unter dem Deckmantel des Gedenkens an türkische Opfer.

 

So sind Anfang dieser Woche schon zwei Eisenringe mit den Namen des deutschen Außenministers Heiko Maas und des türkischen Außenministers Çavuşoğlu zusammengeschweißt und an dem antifaschistischen Mahnmal angebracht worden. Eine empörende Verhöhnung des antifaschistischen Mahnmals!

Protestunterschriften übergeben

Das kommunale Personenwahlbündnis SOLINGEN AKTIV, die MLPD und andere fortschrittliche antifaschistischen Kräfte eines Aktionsbündnisses haben die Initiative gegen diesen Auftritt ergriffen. Hunderte von Unterschriften wurden in kürzester Zeit gesammelt und am gestrigen Donnerstag, den 17. Mai, dem Oberbürgermeister der Stadt Solingen übergeben.

 

Jörn Potthoff, Stadtrat von SOLINGEN AKTIV, forderte in einem Brief an alle Ratsmitglieder und einer Anfrage im Stadtrat auf, die Einladung rückgängig zu machen. Das wurde vom Oberbürgermeister strikt zurückgewiesen. Das Gedenken sei „nicht für politische Spielchen zu gebrauchen". Man sei "gegen jede extremistische Tendenz“. Welche Heuchelei: einen Faschisten lässt man reden und damit die Gedenkfeier missbrauchen, aber der Protest dagegen wird verunglimpft!

Respekt für klare Haltung der MLPD

Viele Solinger bis in die Reihe der kleinbürgerlichen und bürgerlichen Parteien wie der CDU haben Respekt vor der klaren Haltung der MLPD, die sich an die Spitze des Protestes gegen den faschistischen Missbrauch gestellt hat. Aber viele sind noch unentschlossen oder nachdenklich angesichts der unumgänglichen Polarisierung. Sie wollen die Gedenkfeier zum Teil ignorieren, ein SPD-Mitglied will „mit der Faust in der Tasche“ daran teilnehmen. Die DKP schreibt, man wolle „die städtische Veranstaltung, an der er teilnimmt, aus Respekt gegenüber der betroffenen Familie Genc nicht stören“.

Weiterer öffentlicher Druck notwendig

Doch damit wird der faschistische Missbrauch des Gedenkens durch die Erdogan-Regierung kampflos möglich gemacht. Darum muss in den nächsten zehn Tagen alles daran gesetzt werden, den Auftritt durch massiven öffentlichen Druck von antifaschistischen Kräften und Organisationen noch zu verhindern. Wenn das nicht möglich sein sollte, gibt die für den 29. Mai um ca.16 Uhr geplante antifaschistische Kundgebung direkt am Mahnmal die Möglichkeit, in einer angemessenen Form den Protest gegen den Auftritt von Çavuşoğlu zum Ausdruck zu bringen.