Italien

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„Regierung des Wandels“ zur Beteiligung einer faschistoiden Partei

Mit den Parlamentswahlen am 4. März 2018 vertiefte sich die offene politische Krise in Italien. Neuwahlen waren ausgerufen worden, nachdem die bis dahin regierende sozialdemokratische Partito Democratico mit Wahlrechts- und Parlamentsreformen gescheitert war und die neuen Arbeitsgesetze, angelehnt an die deutsche Agenda 2010, auf breiten Widerstand seitens der Gewerkschaften und Arbeiterbewegung stießen.

Von gof / jg
„Regierung des Wandels“ zur Beteiligung einer faschistoiden  Partei
Residenz des italienischen Premierministers. fotolia.com | Datei: #176964299 | Urheber: Gabriele Maltinti

Am 7. Mai schlug der italienische Staatspräsident Sergio Matarella eine sogenannte „neutrale“ Präsidentenregierung vor. Neuwahlen noch dieses Jahr sollen vermieden werden, die Verabschiedung des Staatshaushalts in greifbare Nähe rücken, ebenso die Durchsetzung der Wahlrechtsreform.

 

Luigi di Maio (Mitte), 30-jähriger Spitzenkandidat der
Luigi di Maio (Mitte), 30-jähriger Spitzenkandidat der "Fünf Sterne" (foto: Revol Web)

In Kürze

  • Nach Österreich kommt nun auch in Italien eine faschistoide Partei mit in die Regierung
  • Das Regierungsprogramm enthält ein paar soziale Zugeständnisse ist aber voll auf die italienischen Monopole ausgerichtet
  • Der Aufbau einer starken marxistisch-leninistischen Partei ist besonders wichtig

Die faschistoide „Lega“ und die Partei der „Fünf–Sterne–Bewegung“ lehnten eine solche Präsidentenregierung ab und einigten sich auf eine Koalition und ein „Regierungsprogramm für eine Regierung des Wandels“. Italien ist damit nach Österreich das zweite Land in Europa, in dem eine faschistoide Partei wie die „Lega“ in die Regierung gehievt wird - der nächste  Tabu-Bruch. Die Verstärkung des antifaschistischen Kampfs, aber auch die Wachsamkeit und die Überzeugungsarbeit gegen die Einflüsse der sozialchauvinistische Demagogie ist herausgefordert. Die Hoffnungen auf einen wirklichen Wandel der sich massenhaft verschlechternden Lebensverhältnisse und der sozialen Lage werden sich nicht erfüllen.

 

Der Nimbus der "Fünf Sterne" als eher fortschrittlich verflüchtigt sich. Ein böses Erwachen für leichtfertige Wähler, die ihre Stimme dort platziert hatten, weil auch einige ehemalige Linke die Gründung der "5 Sterne" unterstützten. Der Sterne-Slogan "Weder Rechts noch Links" war bewusste Roßtäuscherei. Jetzt hieven sie eine faschistoide "Lega" mit in die Regierung. So wird laut Regierungsprogramm die Kinderbetreuung künftig nach rassistischen  Gesichtspunkten organisiert: Kostenfrei sind Kindergärten künftig nur noch für Eltern mit italienischem Pass. 500.000 Menschen will die neue Regierung mit höchster Priorität abschieben.

Stärkung der Rolle der italienischen Monopole

Italien ist nach seinem Bruttoinlandsprodukt die drittgrößte Volkswirtschaft der EU, bevölkerungsmäßig das viertgrößte EU-Land. Die Wirtschaft Italiens hat die Folgen der Weltwirtschafts- und Weltfinanzkrise von 2009 noch lange nicht überwunden. Noch Anfang 2017 lag seine Industrieproduktion bei 79,5 Prozent des Vorkrisenstandes.¹ Von 1998 bis 2016 entwickelte sich die Produktivität nur um 3,5 Prozent, in Deutschland zum Vergleich um 47 Prozent.

 

Die sich verschlechternden Lebensverhältnisse lassen sich an einer negativen Geburtenrate sowie an einer anhaltenden Auswanderung ablesen. In den letzten zehn Jahren haben 1,5 Millionen junge, gut ausgebildete Menschen Italien verlassen, weil sie in dem Land keine Berufs- und Lebensperspektive mehr fanden. Die Löhne verharren auf dem Stand des Jahres 1998, was massive Reallohnverluste bedeutet.

 

Das Regierungsprogramm, das Fünf-Sterne-Chef Luigi Di Maio und der Parteivorsitzende der „Lega“, Matteo Salvini, vereinbart haben, versucht mit einzelnen sozialen Zugeständnissen die anhaltenden Arbeiter- und Volksproteste zu beschwichtigen. In seiner Gesamtheit ist es auf die internationale Konkurrenzfähigkeit der italienischen Monopole und vor allem des internationalen Finanzkapitals ausgerichtet:

  • Die Senkung der Einkommenssteuer auf 15 Prozent und der Unternehmenssteuer auf 20 Prozent begünstigt die Unternehmen, mittlere und hohe Einkommen und vor allem die Wählerschaft der „Lega“ im Norden Italiens.
  • Die bisherigen Ankündigungen der beiden Parteien mit einem Ausscheiden aus dem Euro und der EU finden sich in dem Regierungsprogramm nicht mehr, wohl auf Druck der italienischen Monopole.
  • Während sich die neue Regierung ausdrücklich zur NATO-Mitgliedschaft Italiens bekennt, will sie gleichzeitig das Militär-Bündnis gegenüber Russland öffnen und erklärt sich gegen die Sanktionen gegen Russland.

Auch das sogenannte Bürgereinkommen von monatlich 780 Euro für alle Arbeits- und Mittellosen ist keine wirkliche Verbesserung, sondern eine Parallele zum deutschen Hartz IV. Wer drei Stellenangebote ablehnt, bekommt die Mittel gestrichen. Italien würde damit lediglich ein System einführen, wie es in vielen Ländern besteht.

Was Italien wirklich braucht

Die voraussichtliche neue italienische Regierung „für den Wandel“ ist allein ein Wandel hin zur Hofierung und Wegbereitung faschistoider, ultrareaktionären und faschistischer Kräfte in und um die "Lega." Die Aussagen zur Stärkung der NATO und gleichzeitiger Öffnung gegenüber Russland verschärft die zwischenimperialistischen Widersprüche, insbesondere in dem imperialistischen Bündnis der EU.

 

Die Massen und die Arbeiterklasse müssen bewusst den Betrug und die Demagogie dieser „Politik des Wandels“ durchschauen und die Zersplitterung der fortschrittlichen und linken Kräfte in Italien überwinden. In diesem Prozess ist der Aufbau einer revolutionären, marxistisch-leninistischen Partei in Italien besonders wichtig. Nur mit ihr und einem breiten Bündnis antiimperialistischer, antifaschistischer und revolutionärer Kräfte kann für eine wirkliche Alternative gekämpft werden.