Hartz IV
Teilhabechancen-Gesetz: Umverteilung der Arbeitslosigkeit?
Am vergangenen Mittwoch hat das Bundeskabinett den Vorschlag für ein „Teilhabechancengesetz“ von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) verabschiedet. Mit 4 Mrd. Euro will die Bundesregierung von 2019 bis 2022 privaten Firmen, Kommunen oder gemeinnützigen Trägern Lohnzuschüsse für die Beschäftigung von Langzeitarbeitslosen geben.
Das Gesetz ist auch eine Reaktion auf die Wahlschlappe der alten Großen Koalition und auf die nicht leiser werdende Kritik an den Hartz-Gesetzen, wie von der bundesweiten Montagsdemo. Das Gesetz soll das stark ramponierte soziale Image - insbesondere der SPD - aufpolieren und die insgesamte Rechtsentwicklung der Regierung vertuschen.
Nur Förderung für 3 - 5 Prozent?
Allen Erfolgsmeldungen der Regierung zum Trotz gibt es über 1,3 Millionen Menschen, die seit sieben Jahren und länger Arbeitslosengeld II (Hartz-IV) beziehen. 800.000 davon sind nach Angaben der Bundesregierung Langzeitarbeitslose, der Rest sind „Aufstocker“. Die Bundesregierung rechnet mit jährlichen Kosten von durchschnittlich 24.000 Euro pro gefördertem Langzeitarbeitslosen. Rein rechnerisch könnten also gerade mal 40.000 Langzeitarbeitslose gefördert werden - also gerade einmal 3 Prozent der Betroffenen 1,3 Millionen Menschen bzw. 5 Prozent (ohne Aufstocker). Alles andere als ein große Wurf!
In Kürze
- Das Gesetz wird das Lohnniveau insgesamt weiter senken und die Arbeitslosigkeit umverteilen
- Profitieren werden die Unternehmen, ohne dass die Arbeitslosigkeit sinkt
- Die 30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich ist die wichtigste Reformforderung im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit
Lange Arbeitslosigkeit hat unterschiedliche Gründe. Eine Kollege berichtet gegenüber Rote Fahne News: „Ich beziehe seit sechs Jahren Hartz IV. Gelernt habe ich zwei Berufe, kann die aber wegen gesundheitlicher Einschränkungen nicht mehr ausüben“. Wenn man so lange arbeitslos ist, kommt man schnell aus dem Tritt. „Da fällt einem leicht die Decke auf den Kopf. Das hat auch dazu beigetragen, dass meine Familie auseinander gefallen ist. Zum Glück habe ich Freunde, die mich aufgefangen und mir geholfen haben.“
Vom Arbeitsamt hat er schon die verschiedensten Maßnahmen durchlaufen. „Die waren aber nur was für die Statistik“. Seine Frau ist auch schon lange arbeitslos, hangelt sich von einem Ein-Euro-Job zum andern. Trotzdem ist sie froh, was zu tun zu haben und unter Menschen zu kommen. Um Langzeitarbeitslose in Beschäftigung zu bekommen sind besondere unterstützende Maßnahmen unbedingt sinnvoll und notwendig.
Was bringt das Gesetz?
Für die Beschäftigung von Erwerbslosen, die länger als zwei Jahre arbeitslos waren, sollen 75% im ersten und 50% im zweiten Jahr Zuschuss bezahlt werden. Voraussetzung ist eine Weiterbeschäftigung von mindestens einem halben Jahr. Für Langzeitarbeitslose, die mindestens sieben Jahre Hartz IV erhalten, will der Staat 24 Monate 100 Prozent bezuschussen, jedes weitere Jahr 10 Prozent weniger, maximal fünf Jahre. Außerdem übernimmt er die Sozialbeiträge – außer der Arbeitslosenversicherung - und bezuschusst Qualifizierungs- und Ausbildungsmaßnahmen. Sozialverbände und Gewerkschaften kritisieren zurecht die Begrenzung des Lohnkostenzuschuss auf Mindestlohnhöhe statt auf Tariflöhne. Und dass die Betroffenen keine Ansprüche auf das Arbeitslosengeld I erhalten.
Nur auf den ersten Blick positiv
Eine Teilnehmerin der Dortmunder Montagsdemo meint: „Zunächst habe ich mich gewundert, dass Herr Heil als SPD-Minister nach der Agenda-Politik von Schröder mal was für die arbeitslosen Menschen tun will. Dies ist jedoch nur vordergründig, da er damit nur den Unternehmern eine kostenlose Arbeitskraft für zwei Jahre beschafft. Dies dann noch im Niedriglohnbereich ist dann das I-tüpfelchen. Denn je nach Familiensituation muss dieser Arbeiter dann weiterhin zum Staat um aufzustocken.“
Viel gravierender aber ist, dass dieser sogenannte soziale Arbeitsmarkt eine Konkurrenz für reguläre Beschäftigung wird und zum Lohndumping eingesetzt werden kann.Unternehmen stellen Arbeitskräfte ein, um sie auszubeuten und weil sie sie in der Produktion brauchen. Wer sollte also jemanden auf Tarifbasis einstellen, wenn er zwei Jahre einen Beschäftigten von Hubertus Heil nahezu umsonst haben kann?
Profitieren werden vor allem die Unternehmen
So hat das Bundeskabinett ausdrücklich beschlossen, dass die Kriterien „Zusätzlichkeit“, „Wettbewerbsneutralität“ und „öffentliches Interesse“ keine Fördervoraussetzung sind. So ist zu erwarten, dass Kommunen, soziale Träger wie private Unternehmen das Gesetz dazu nutzen werden, reguläre Arbeitsplätze abzubauen bzw. frei werdende mit Langzeitarbeitslosen zu besetzen. So wird der eine oder andere Langzeitarbeitslose Beschäftigung finden, dafür rutschen andere in die Arbeitslosigkeit.
Im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit ist die Verteilung des Arbeitsvolumen auf mehr Schultern entscheidend, aber auf Kosten der Profite, statt durch zig Mini-Jobs und ähnliches. Dafür steht die 30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich (als 6-Stunden-Tag von Montag bis Freitag). Dafür tritt die MLPD seit langem ein. Sie fordert auch eine Erhöhung und unbegrenzte Zahlung von Arbeitslosengeld I - und insgesamt die Abschaffung der Hartz-Gesetze. Statt Spaltung der Arbeiterklasse durch Leiharbeit, Werkverträge, Befristungen, Niedriglöhne usw. fordert die Partei in ihrem Programm einheitliche Tarifverträge in ganz Deutschland!
Besondere Unterstützung und Hilfe für Langzeitarbeitslose darf nicht zu Lasten regulärer Beschäftigung gehen. Warum soll es nicht eine gesetzliche Verpflichtung für Unternehmen zur Beschäftigung von Langzeitarbeitslosen geben, ähnlich wie bei der Beschäftigung von leistungsgeminderten Kolleginnen und Kollegen?