Antifaschismus

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Der inszenierte „Volkszorn“ - dreiste Faschisten-Provokation in Chemnitz

In der Nacht von Samstag auf Sonntag, den 26. August, kam es in Chemnitz am Rande des Stadtfestes zum 875.Jahrestag der Stadtgründung zu einer Messerstecherei, bei der ein Mann getötet und zwei weitere Menschen verletzt wurden. So weit, so schlecht. Die Hintergründe der Bluttat liegen bislang im Dunkeln, ebenso, wer für die Tat verantwortlich ist.

Von gof
Der inszenierte „Volkszorn“ - dreiste Faschisten-Provokation in Chemnitz
Eine der Forderungen auf dem Denkmal der Gedenkstätte Buchenwald bei Weimar lautet "Nie wieder Faschismus". In diesem Sinne muss auch der Widerstand von Chemnitz handeln (foto: Bundesarchiv, Bild 183-J0311-0302-001 / CC-BY-SA 3.0)

Zwei Männer wurden verhaftet, weil sie beim Eintreffen der Polizei flüchteten. Ob sie mit der Messerattacke zu tun haben, ist noch ungewiss. Gerüchte, der Bluttat sei die Belästigung von Frauen vorausgegangen oder es habe sogar einen weiteren Toten gegeben, sind frei erfunden. Die Polizei kippt selbst Öl ins Feuer, wenn sie von einer nächtlichen Auseinandersetzung mit verschiedenen beteiligten Nationalitäten spricht. Denn damit stellt sie selbst „verschiedene Nationalitäten“ in Zusammenhang zu dieser Messerstecherei.

Geölte Propagandamaschine von AfD und Neofaschisten

Am Sonntagmorgen um 3.15 Uhr ereignete sich die Messerattacke. Am Sonntagnachmittag verbreitete die AfD ihre Hetze bereits auf einer Kundgebung (mit gerade einmal 100 Teilnehmern) in der Nähe des Tatorts. Gegen 16 Uhr marschierten im Chemnitzer Stadtzentrum rund 800 auf, angeführt von der faschistischen Hooligan-Gruppe Kaotic Chemnitz. Solche Hooligan-Banden terrorisierten 2014 auch Köln.

 

Mit Sprüchen wie „Ausländer raus!“, „Dies ist unsere Stadt!“ oder „Wir sind das Volk!“ marschierte der braune Mob - von der Polizei weitgehend unbehelligt - durch die Stadt. Sie konnten Hetzjagden veranstalteten auf jeden, „der nicht deutsch aussah“, wie der freie Journalist Johannes Gruhnert dem Spiegel berichtete. Dies war alles andere als eine „Spontan-Demo“, wie es in vielen Medien dargestellt wird. Hier hat sich nicht „spontan“ die Bevölkerung versammelt. Hier kam ein Apparat in Gang, der gezielt Falschmeldungen über angeblich kriminelle Ausländer streut, bewusst solche Vorfälle für die eigenen braunen Ziele missbraucht und in der Lage war, innerhalb einer kurzen Zeit seine Anhängerschaft zu mobilisieren.

Rechtsentwicklung der sächsischen Regierung

Schon seit Jahren entwickeln und festigen sich unter den Augen der verschiedenen sächsischen Landesregierungen, zum Teil geduldet oder sogar gefördert, ultrarechte und faschistische Organisationen und Strukturen. Im sächsischen Staatsapparat können faschistoide Kräfte offenbar ungehindert wirken. Hier sei an Frank Richter erinnert, den Chef der sächsischen Landeszentrale für Politische Bildung. Die Schwesterbehörde des Verfassungsschutz untersteht dem Innenminister. 2015 führte Richter gemeinsame Pressekonferenzen mit Pegida-Gründer Rainer Bachmann durch. Seine Landeszentrale organisierte Gesprächsrunden unter dem Titel "Warum (nicht) zu PEGIDA gehen?". Sie dienten angeblich dem Zweck "sich über die politischen Anliegen, Ziele und Methoden von PEGIDA in sachlicher Atmosphäre auszutauschen." Bis 2017 stand Richter an der Spitze der Behörde.

 

Aktuell, unter dem CDU-Ministerpräsidenten Michael Kretschmer, geht der Prozess, dass der Staatspparat mit Faschisten und Ultrareaktionären durchsetzt wird, ungebremst weiter. Am 16. August konnte ein LKA-Mitarbeiter und Pegida-Anhänger ein Fernsehteam des ZDF anpöbeln - ohne dass die Polizei eingriff. Auf seine Forderung hin ging die Polizei sogar gegen das Team von Frontal 21 vor, das über den Pegida-Aufmarsch berichten wollte, und hielt die Journalisten über eine halbe Stunde fest.

 

Erster Kommentar von Kretschmer auf Twitter zu den Filmaufnahmen: „Die einzigen Personen, die in diesem Video seriös auftreten, sind Polizisten.“ Inzwischen wurde auch bekannt, dass der LKA-Mitarbeiter gemeinsam mit dem Freitaler Faschisten Rene S. gegen das Fernsehteam vorging. Offenbar gibt es eine Verbindung zu der neofaschistischen Terrortruppe "Gruppe Freital". Erst nach massiven öffentlichen Protest schob Kretschmer eine halbseidene Entschuldigung in Richtung ZDF nach. Inzwischen kursiert in ganz Sachsen und vielfach auch im Internet der Begriff Pegizei - angesichts der Verbindungen zwischen Staatsapparat und Pegida.

 

Aktuell berichten nun Zeugen, wie die Polizei den Hooligan-Aufmarsch am Sonntagnachmittag weitgehend unbehindert gewähren ließ - wie beim ersten Aufmarsch in Köln. Die Polizei verbreitet in ihren Statements, man habe diese Demo und ihre Gewaltbereitschaft unterschätzt und deshalb zu wenig Einsatzkräfte vor Ort gehabt (wie vor drei Jahren in Köln). Dies darf deshalb bezweifelt werden. Nicht nur wegen Köln. Sondern, wenn man sich daran erinnert, wie schnell zwei Hundertschaften Polizei im Mai 2018 in Thüringen mobilisiert waren, um das Rebellische Musikfestival in Truckenthal zu unterbinden. Was scheiterte aufgrund der Gegenoffensive von MLPD und REBELL und der raschen Information der Bevölkerung sowie der antifaschistischen, demokratischen Haltung in der Region gegen den Polizeieinsatz.

Fortschrittlichen Stimmungsumschwung fördern und festigen

Faschisten und Ultrareaktionäre beanspruchen schon seit dem Hitler-Faschismus, den „Volkszorn“ zu repräsentieren. In Wirklichkeit lehnt die Masse der Menschen die braunen Rattenfänger ab. Auch in Chemnitz ruft das Bündnis „Chemnitz nazifrei“ heute, um 17 Uhr, zu einer Demonstration im Stadthallenpark auf.

 

2017 in Hildburghausen (Thüringen) antifaschistische Proteste (rf-foto)
2017 in Hildburghausen (Thüringen) antifaschistische Proteste (rf-foto)

In Kürze

  • Neofaschistische Kräfte nutzen tödlichen Zwischenfall für Menschenjagden durch Chemnitz
  • Die Polizei lässt sie wegen angeblich zu geringer Kräfte gewähren
  • Heute antifaschistischer Protest in der Stadt des großen Marx-Denkmals

Notwendig ist, gegen die von den Herrschenden ausgehende Rechtsentwicklung zu protestieren. Aber vor allem, sich zu organisieren. Der Rechtsentwicklung muss sich eine stärkere Kraft entgegenstellen, aus der Arbeiterklasse, der Umweltbewegung, der kämpferischen Frauenbewegung, der rebellischen Jugendbewegung, der Migrantenbewegung und auch der antifaschistischen Bewegung. Dafür steht das Internationalistische Bündnis.

Landesleitung Ost der MLPD: „Kein Fußbreit den Faschisten“

Die Landesleitung Ost der MLPD erklärt zu den Vorkommnissen: „Der Tathergang ist noch im Dunkeln. Aber davon völlig unabhängig, stellt sich die Frage, warum diese faschistischen Kundgebungen nicht sofort untersagt und unterbunden wurden. Auch die für heute von faschistoiden Gruppen angemeldete Kundgebung muss verboten werden! Das sieht auch die Mehrheit der Chemnitzer so. Wir begrüßen, dass sofort Gegenproteste stattfanden und für heute Nachmittag eine Kundgebung von "Chemnitz nazifrei" angemeldet wurde. Es muss gelten: Kein Fußbreit den Faschisten!

 

Die Vorgänge zeigen wieder einmal die Notwendigkeit eines breiten antifaschistischen und fortschrittlichen Zusammenschlusses gegen die Rechtsentwicklung der Regierung und den Aufbau neofaschistischer Gruppen - beides richtet sich gegen die Meinung und Interessen der Masse der Bevölkerung. Der Landesverband Ost und die Chemnitzer Ortsgruppe der MLPD werden diesbezüglich auch mit allen Kräften den antifaschistischen Zusammenschluss und den weiteren Aufbau des Internationalistischen Bündnisses gegen die Rechtsentwicklung der Regierung unterstützen.“

 

MLPD und Internationalistisches Bündnis haben gemeinsam eine Teilnahme an den Landtagswahlen Thüringen in 2019 beschlossen, wo - ähnlich wie in Sachsen - bereits seit Jahren die Faschisten von den Behörden geduldet oder protegiert werden. Wer aktiv etwas gegen diese Rechtsentwicklung unternehmen will, der ist herzlich eingeladen, sich am Aufbau des Internationalistischen Bündnisses oder der MLPD in Thüringen zu beteiligen und diese Wahlbeteiligung mit vorzubereiten und durchzusetzen.