Chemnitz

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Staatsmacht lässt braunen Mob toben – antifaschistischer Widerstand herausgefordert

Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) besucht heute Chemnitz. Am Nachmittag lädt er zum "Sachsengespräch" und möchte, dass auch "wütende Bürger" kommen und über "ihre Sorgen sprechen". Was meint er damit? Dass Flüchtlinge für Armut und Wohnungsnot verantwortlich gemacht, die Menschen gespalten werden sollen? Auf eine klare Verurteilung der faschistischen Ausschreitungen und des völligen Versagen des Staatsapparats wartet man vergebens.

Von Landesleitungen Ost und Thüringen der MLPD
Staatsmacht lässt braunen Mob toben – antifaschistischer Widerstand herausgefordert
Eine Beleidigung des kommunistischen Freiheitsideals: Faschistische Mahnwache vor dem Marx-Monument in Chemnitz (foto: twitter)

Bis heute ist das Motiv des Messermords an Daniel Hillig am vergangenen Wochenende unklar.  Die "Trauer" des rechten Mobs und seiner Stichwortgeber ist pure Heuchelei - nach Trauermärschen sehen die Faschisten-Demos auch nicht aus. Genossen der MLPD unter den Gegendemonstranten berichten von einer aggressiven Stimmung, die von den Faschisten ausgeht. Fakt ist, dass die Situation vor allem dafür benutzt wird, um Vorurteile zu schüren und die Massen zu spalten.

Schnittstellen zwischen Faschisten und Teilen des Staatsapparats

Dass es zahlreiche Schnittstellen zwischen Faschisten und Teilen des Staatsapparats gibt, ist spätestens seit „NSU“, „Pegida" etc. bekannt. Auch der letzte Montag wird als Tag in die Geschichte eingehen, an dem die Polizei es darauf anlegte, den Mob gewähren zu lassen. Anders als die Polizei stellten sich mutig 1.500 Antifaschisten völlig berechtigt dem faschistischen Aufmarsch in den Weg.

 

Chemnitzerinnen und Chemnitzer, die daran teilnahmen, waren in der Minderheit. Sie sind beeinflusst von monatelanger gezielte Hetze seitens der AfD, aber auch der Regierung, allen voran Innenminister Horst Seehofer, weiter Teile der bürgerlicher Politik und vieler Medien: Flüchtlinge seien für ein riesiges Anwachsen der Kriminalität verantwortlich. „Man könne sich nirgends mehr sicher fühlen“, wird als dumpfes Gefühl gesät.

 

 

So auch vom ZDF-Journalist Claus Kleber. Statt der faktenlosen Angstmache Argumente entgegenzusetzen, verharmlost er die faschistischen Demos und rechtfertigt sie. So im Heute Journal am 27. August, als er behauptet, "dass viele, die in den Demos mitgelaufen sind, nicht unbedingt Rechtsradikale sind, aber doch tatsächlich das Gefühl haben: ‚Man muss mal auf die Straße gehen, um dafür zu sorgen, dass der Staat die Bürger schützt.'“

Flüchtlinge nicht krimineller als andere

Das aktuelle Rote Fahne Magazin kommt aufgrund der offiziellen Kriminalstatistik 2017 zu einem ganz anderen Ergebnis: Riesig angestiegen ist vor allem die Wirtschaftskriminalität um 28,7 Prozent. Dafür zeichnen vor allem Konzerne wie VW und andere verantwortlich. Asylbewerber werden im Durchschnitt nicht häufiger straffällig als Deutsche oder andere Migranten. Die einzige Ausnahmen sind Verstöße gegen die reaktionären Aufenthaltsbestimmungen. Solche "Taten" können aber auch nur Asylbewerber begehen.

 

Insgesamt wird nur ein kleiner Teil der Straftaten von Flüchtlingen begangen und sie sind ebenso Opfer von Straftaten. So verdoppelte sich zum Beispiel 2017 die Zahl von Verstößen gegen die sexuelle Selbstbestimmung von Flüchtlingen bzw. Asylbewerberinnen mit mindestens einem tatverdächtigen Deutschen gegenüber dem Vorjahr - eine Schlagzeile war das Kleber und Co. bisher nicht wert.

 

Insgesamt wurden 2017 aber zehn Prozent weniger Straftaten erfasst als im Vorjahr. Einen derart starken Rückgang bei der Kriminalität hat es seit fast 25 Jahren nicht gegeben. Die ganze Debatte um "Sicherheit" und die Nationalitäten von Tätern oder Tatverdächtigen seitens  die Herrschenden zielt vor allem darauf, die Bevölkerung in Deutschland zu spalten und ultrareaktionäre und faschistische Kräfte zu stärken.

AfD-Brandstifter

 „Wenn eine solche Tötungstat passiert, ist es normal, dass Menschen ausrasten“, sagte AfD-Chef Gauland am Mittwoch der „Welt“. Er stärkte auch dem AfD-Bundestagsabgeordneten Markus Frohnmaier den Rücken. Frohnmaier hatte via Twitter geschrieben: „Heute ist es Bürgerpflicht, die todbringende 'Messermigration' zu stoppen!“.

 

Diesen Brandstiftern folgen Taten: Ein 33-jähriger Eritreer wurde heute in Sondershausen (Thüringen) mit Schlägen und Tritten gegen den Kopf schwer verletzt. Zeugen zufolge fielen rassistische Sprüche. Ein Zuwanderer wurde in Wismar (Mecklenburg-Vorpommern) rassistisch beschimpft und mit einer Eisenkette krankenhausreif geprügelt.

Keine spontanen Proteste

In Chemnitz hat sich nicht „spontan“ die Bevölkerung versammelt, berichtete Rote Fahne News bereits am Montag. Hier kam ein Apparat in Gang, der gezielt Falschmeldungen über angeblich kriminelle Ausländer streut, bewusst solche Vorfälle für die eigenen braunen Ziele missbraucht und in der Lage war, innerhalb einer kurzen Zeit seine Anhängerschaft unter den Augen der Polizei zu mobilisieren.

 

Faschisten und Hooligans reisten aus Berlin, Brandenburg, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen an. Außerdem dabei Faschisten des „Dritten Weg aus Bayern“ und bekannte Faschisten Tommy Frenck aus Thüringen, Tony Gentsch, Michel Fischer (Die Rechte), David Köckert (Ex-Thügida) und Patrick Schröder wurden gesehen. Offenbar haben die Faschisten auf so einen Anlass nur gewartet, um bundesweit zu mobilisieren.

 

Die bundesweite Mobilisierung zum Aufmarsch am Montag kann dem Staatsapparat nicht entgangen sein. Inzwischen wurde bekannt, dass der "Verfassungsschutz" bereits am Mittag über überregionale Mobilisierung Bescheid wusste. Eine Frau aus Chemnitz sagte heute im ARD-Morgenmagazin: "Also das kann ich mir überhaupt nicht vorstellen, wie die in so kurzer Zeit in Tausenden hierher gekommen sein sollen, unbemerkt. So viele Zugverbindungen gibt es doch gar nicht."

 

Tatsächlich hat der sächsische Inlandsgeheimdienst in einem "Lagebericht" die Polizei in Chemnitz und weitere sächsische  Polizeibehörden darüber informiert, dass aus ganz Sachsen und anderen Bundesländern viel mehr "Rechtsextremisten", Hooligans, rechte Kampfsportler und weitere Angehörige der faschistischen Szene nach Chemnitz kommen würden als für den Aufmarsch angemeldet gewesen waren. Da stellt sich doch unweigerlich die Frage: Woher wusste der Inlandsgeheimdienst das? Und warum hat die Polizei nicht reagiert?

Antifaschisten wieder klar in der Mehrheit

Bei den folgenden Demonstrationen im Verlaufe der nächsten Tage, hatte sich das Gewicht der Teilnehmerinnen und Teilnehmer aber wieder auf die gewohnten Seiten verlagert. Zu faschistischen Kundgebungen am Dienstag kamen nicht mehr als 100 Teilnehmer. Dem stand jeweils ein Vielfaches an Antifaschisten gegenüber.

Hundert Antifaschisten aus Leipzig kommen am 27. August am Hauptbahnhof an (foto:twitter)
Hundert Antifaschisten aus Leipzig kommen am 27. August am Hauptbahnhof an (foto:twitter)

In Kürze

  • Ministerpräsident Kretschmer stellt sich wiederholt vor seine Polizei und stellt Faschisten und Antifaschisten auf eine Stufe
  • MLPD fördert den antifaschistischen Widerstand in Betrieben, Wohngebieten und auf der Straße
  • Überzeugungsarbeit um mit der Hetze gegen Flüchtlinge fertig zu werden nötiger denn je.

Ministerpräsident Kretschmer muss zurücktreten!

Seit der Wiedervereinigung berichten Antifaschisten, dass antifaschistische Arbeit in Sachsen extrem erschwert wird und die CDU-Landesregierungen eher damit beschäftigt sind, linke Aktivisten zu verfolgen, während das Treiben von Faschisten und AfD-Leuten in den Staatsorganen heruntergespielt wird. Bis zu 25 Prozent AfD-Anhänger werden im Polizeiapparat vermutet. In manchen Revieren und Einheiten bilden sie gar die Mehrheit. Ein Ministerpräsident, der diese Zustände bewusst mitträgt, muss zurücktreten!

MLPD positioniert sich klar

So wie bei „Dresden Nazifrei“ oder den Aktivitäten in Themar oder jetzt Mattstedt muss auch in Chemnitz eine breite antifaschistische Aktionseinheit aufgebaut und gestärkt werden. Die MLPD setzt sich in ihrer Kleinarbeit in den Betrieben und Wohngebieten massenhaft mit den Menschen auseinander. Sie widerlegt dabei die Hetze der AfD aber auch Vorbehalte und hilft damit fertig zu werden.  Sie stärkt eine proletarisch-internationalistische Denkweise und fördert gleichzeitig den aktiven Widerstand auf der Straße. Am Samstag rufen verschiedene antifaschistische Gruppen zu Gegenaktivitäten auf. Für Montag ist ein großes Konzert am „Nischel“ (wie das Marx-Denkmal von den Chemnitzern liebevoll genannt wird) u.a. mit den Toten Hosen, Kraftclub und Feine Sahne Fischfilet geplant.

 

Andrew Schlüter, Landesvorsitzender der MLPD Ost heute zu Rote Fahne News: "Die einhelligen Aussagen von Medien und bürgerlichen Politikern, dass Sachsen rechts wäre, ist reine Spurenverwischung. Das war hier doch kein Volkszorn, sondern eine organisierte Aktion, die auf solch einen Anlass vorbereitet war. Faschistoide bis hin zu faschistischen Kräften konnten sich mit Hitlergruß und Angriffen auf offener Straße auf Menschen anderer Nationalität austoben. Im Fahrwasser der Rechtsentwicklung der Regierung und der medialen Aufwertung der AfD als angeblicher Prostestpartei trauen sie sich auf die Straße. Wir werden beweisen, dass in Chemnitz das antifaschistische Bewusstsein tief verwurzelt und vorhanden ist.
Daher wird der Landesverband Ost mit Freunden und Kräften des Internationalistischen Bündnis am kommenden Samstag verschiedene Aktionen durchführen:

 

  • Ab 10 Uhr werden in Chemnitz (Straße der Nationen/vor dem Roten Turm) das Internationalistische Bündnis und MLPD/REBELL einen Aktionsstand durchführen mit offenem Mikrofon.
  • 11 Uhr Kundgebung der Aktionseinheit zum Antikriegstag mit Ständen.
  • Um 13 Uhr findet dann eine breite antifaschistische Demonstration statt, an der wir uns beteiligen."

 

Die MLPD tritt für folgende Forderungen ein

 

  • Kein Fußbreit den Faschisten!
  • Verbot aller faschistischen Organisationen und ihrer Propaganda!
  • Stoppt die Rechtsentwicklung der Bundesregierung und Landesregierungen!
  • Hoch die internationale Solidarität!