Antikriegstag 2018
Wachsende Beteiligung und großes Bedürfnis nach Diskussion
In vielen Städten Deutschlands fanden traditionell am 1. September Kundgebungen zum Antikriegstag statt. Wachsende Kriegsgefahr, Rechtsentwicklung der Regierenden und braune Aufmärsche mobilisierten mehr Menschen zum Antikriegstag als in den vorherigen Jahren.
Die MLPD ging in ihrem Aufruf auf den Ernst der Situation ein: "Die zwischenimperialistische Konkurrenz prägt das Weltgeschehen. Die führenden imperialistischen Mächte können sich nicht mal mehr auf eine Abschlusserklärung beim G7-Gipfel einigen. Es gibt eine allgemeine Tendenz der imperialistischen Kriegsvorbereitung. Die allgemeine Kriegsgefahr war seit dem II. Weltkrieg nie so groß wie heute! ... Der Kampf um die Aufteilung der Macht- und Einflusssphären in der Welt spitzt sich zu und droht, gewaltsam ausgetragen zu werden. Im Jahr 2017 wurden weltweit 1,74 Billionen Dollar für Aufrüstung ausgegeben. Dies geschieht garantiert nicht für die Erhaltung des Weltfriedens!" (Den ganzen Aufruf lesen)
Die MLPD hatte im Rahmen des ICOR Kampftags gegen Faschismus und Krieg (1) zu den Aktivitäten aufgerufen. 1939, am 1. September, überfiel Hitler-Deutschland Polen - der Beginn des 2. Weltkrieg. (Den Aufruf der revolutionären Weltorganisation ICOR lesen)
In vielen Städten gabe es kleinere und größere Aktionseinheiten. Zugleich riefen Bündnisse zu Kundgebungen und Demonstrationen auf, darunter in 20 Städten die Aktion „Seebrücke statt Seehofer“ und unter anderem in Chemnitz ein Bündnis gegen faschistische Aufmärsche. Auch inhaltlich durchdrangen sich bei den Aktionen die Kritik an der Aufrüstung, der Kriegsvorbereitung mit der Kritik an den neuen Polizeigesetzen, der reaktionären Flüchtlingspolitik und den faschistischen Umtrieben. Gleichzeitig gab es großen Diskussionsbedarf. Denn in vielen Reden, gerade von Gewerkschaftsspitzen oder SPD-Politikern wurde der Imperialismus nicht beim Namen genannt und Illusionen vor allem in Bundesregierung und EU verbreitet.
Appelle oder Kampf gegen den Imperialismus?
Diese Redner orientierten zum Beispiel darauf, die deutsche Regierung zu überzeugen, nicht auf-, sondern abzurüsten. Die Ursachen der Probleme, die im imperialistischen Weltsystem liegen, wurden von ihnen nicht genannt, berichtet der Korrespondent aus Villingen-Schwenningen.
Die EU ist auch ein imperialistisches Bündnis, das aufrüstet ...
Gabi Fechtner (MLPD)
Überall wurde über die nötige Ausrichtung der Friedensbewegung gegen alle Imperialisten diskutiert, gerade wenn in manchen Reden das Wort Imperialismus ausgespart wurde. Gabi Fechtner, die Parteivorsitzende der MLPD, sprach auf der Kundgebung einer Aktionseinheit in Gelsenkirchen gerade zum Thema Imperialismus:
"Viele Menschen machen sich berechtigt große Sorgen, aber es müssen auch noch viele Fragen geklärt werden, was auf der Welt eigentlich los ist. Wir müssen darüber diskutieren, wer eigentlich unser Gegner ist und welchen Charakter er hat. Wir müssen auch heute von Imperialismus sprechen. Entgegen der Propaganda, der Imperialismus sei mit der Kolonialzeit beendet worden. Viel Aufwand wird betrieben, um die EU als Hort des Friedens darzustellen - sie hat sogar den Friedensnobelpreis bekommen. Aber die EU ist auch ein imperialistisches Bündnis, das aufrüstet, das Infrastruktur für den Krieg aufbaut, das die Leute immer mehr auf einen Krieg vorbereitet. Natürlich ist die USA der Hauptkriegstreiber, aber wir müssen uns gegen alle imperialistischen Länder richten."
Sie forderte eine Aufklärungskampagne gegen den Imperialismus und leistete mit ihrer Ansprache dazu einen Beitrag.
Solidarität mit Flüchtlingen
Aus Stuttgart berichtet ein Korrespondent: „Geschätzt 500 Leute (mehr als doppelt so viele wie 2017) nahmen an der Gedenkfeier des DGB am Mahnmal für die Opfer des Faschismus teil. Die verschiedensten Gewerkschafts- und Parteifahnen, sowie Transparente zeugten von der Bandbreite der Aktion. 160 Menschen nahmen an der anschließenden Demo des Internationalistischen Bündnisses teil. Bei der Abschlusskundgebung auf dem Schloßplatz sprachen Vertreter von REBELL, Frauenverband Courage, der ATIK und der MLPD. Viele unterschrieben den Ellwangen-Apell mit der Forderung nach Rückkehrrecht des kämpferischen Flüchtlings Alassa Mfouapon.“
Lebhafte Diskussionen gab es bei der Unterschriftensammlung für den Ellwangen-Appell auch in Rheinfelden, Schwäbisch-Hall, München, Augsburg und Heilbronn.
Viele Blicke gingen nach Chemnitz
Zu einer Kundgebung in Chemnitz unter dem Motto „Herz statt Hetze“ hatte ein breites Bündnis aufgerufen. Antifaschisten aus ganz Deutschland, Gewerkschafter, Mitglieder der MLPD und des REBELL, der Grünen, der Linken und viele weitere nahmen teil und diskutierten, ob es richtig ist, „nur“ eine Kundgebung zu machen und der AfD, Pegida und Pro Chemnitz, unter die sich erneut organisierte Faschisten und rechte Hooligan-Gruppen mischten, die Straße zu überlassen.
Unter den Teilnehmern setzte sich immer mehr durch: „Wir nehmen uns das Recht zu demonstrieren.“ Das war bereits am Mittag einhellige Meinung von rund 100 Teilnehmern der Demonstration anlässlich des Antikriegstags. MLPD und Internationalistisches Bündnis hatten gemeinsam mit Aktivisten der Chemnitzer Friedensbewegung dazu aufgerufen.
Andrew Schlüter, Landesvorsitzender der MLPD Ost, betonte in seiner Rede: „Die reaktionäre Völkerhetze, die aktuell die berechtigte Wut tausender Menschen über den Mord an Daniel H., missbraucht, ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen. ... Auch wenn die offen reaktionäre Richtung heute nicht die Hauptseite der Regierungspolitik bildet, ist eine allgemeine Tendenz der imperialistischen Kriegsvorbereitung bereits fester Bestandteil.“
Am Aktionsstand der MLPD trugen sich über 20 neue Mitstreiterinnen und Mitstreiter für das Internationalistische Bündnis in die Listen ein. Mit ihrer klaren Positionierung gegen die Rechtsentwicklung der Regierung und für eine sozialistische Alternative war die MLPD Anziehungspunkt für Passanten, die u.a. das Parteiprogramm kauften oder sich für die Mitgliedschaft in MLPD und REBELL eintrugen. Der berechtigte Protest gegen die Regierung und ihre sozialen Einschnitte muss links sein.
Wo steht der Staatsapparat?
"Die Polizei kratzte in der BRD alle noch verfügbaren Beamten, Wasserwerfer, Räumpanzer, Reiterstaffeln zusammen", berichtet ein Korrespondent aus Chemnitz. "Das Zweitliga-Spiel Dresden-Hamburg wurde deswegen abgesagt. Wer dachte, es ginge der Polizei darum, die faschistischen Umtriebe zu verhindern, wurde eines Besseren belehrt. Zu spüren bekamen den Polizeieinsatz vor allem Antifaschisten. Einige Hundert Antifaschisten wurden gehindert, vom Bahnhof zur Kundgebung zu kommen. Mehrere Hundert über Stunden eingekesselt. Trotzdem gelang die Blockade, die AfD-Demo musste aufgelöst werden.
Rote Fahne News bedankt sich bei ...
Schlagstöcke für den Werksschutz
Das Internationalistische Bündnis hat in Hannover zu einer gemeinsamen Kundgebung aufgerufen. In der Innenstadt versammelten sich rund 100 Personen. Es beteiligten sich die Organisationen DIDF, ATIF, Nav-Dem, der Frauenverband Courage, YDG, Frauen aus Shengal, MLPD, REBELL und iranische Freunde. Mehrere Organisationen nutzen das offene Mikrofon, um den gemeinsamen Kampf gegen die imperialistische Kriegsvorbereitung zu betonen. Nur wenn das internationale Industrieproletariat das Rückgrat einer neuen weltweiten Friedensbewegung wird, kann der aktive Widerstand konkrete Kriege verhindern. Aber solange der Imperialismus existiert, bleibt der Schrecken des Krieges auf der Welt.
Arbeiterinnen und Arbeiter von VW berichteten von den Auswirkungen des eskalierenden Handelskriegs auf die Arbeiterklasse. Auch die geplanten Polizeigesetze sind eine Vorbereitung auf kommende Auseinandersetzungen. Der VW Konzern begrüßt diese Gesetze und fordert Schlagstöcke für den Werkschutz. Daher wurde auch zur Demonstration gegen diese Polizeigesetze am 8. September in Hannover aufgerufen. (Hier findet man einen Aufruf von Gewerkschaftern). Auch in Frankfurt am Main waren Automobilarbeiter - dort von Opel - bei der Kundgebung und protestierten gegen die Polizeigesetze.
Gegen die NATO in Ulm und anderswo
In Ulm wurde der Antikriegstag auf dem Hans und Sophie Scholl Platz von einer Aktionseinheit getragen, initiiert vom Internationalistischen Bündnis. "Kein NATO- Logistik- Kommando in Ulm und anderswo" war hier lokale Hauptforderung. In Bremen, so unsere Korrespondentin, "richtete sich die Kritik vor allem gegen das Ziel der NATO, die Rüstungsausgaben bis 2024 auf zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu erhöhen. In Gesprächen wurde aber deutlich, dass das vielen Menschen nicht reicht, sondern es sich um eine Illusion handelt, von imperialistischen Staaten eine Abrüstung zu erwarten."
Dies Illusionen sind sogar gefährlich. "Bei allem berechtigten und notwendigen Kampf gegen den US-Imperialismus darf die Friedensbewegung andere imperialistische Mächte wie Russland, China oder Iran nicht in Schutz nehmen, wie ein Teil der Linkspartei oder der DKP das wollen", so die MLPD in ihrem Aufruf. "Wir dürfen nicht zulassen, dass die Friedensbewegung zum Spielball imperialistischer Interessen wird. Ihre Schlagkraft und Geschlossenheit ist dem Ernst der Lage noch lange nicht angemessen."
Wer in dieser Situation Illusionen von vorgeblich "besseren" oder "erträglicheren" Imperialisten verbreitet, desorientiert den nötigen Aufbau einer neuen Friedensbewegung und verbreitetet eine kleinbürgerlich-sozialchauvinistische Denkweise. Der Sozialchauvinismus ist Teil der imperialistischen Kriegsvorbereitung. Der gestrige Antikriegstag war vielerorts ein Beitrag mit diesem Sozialchauvinismus fertig zu werden.