Wohin geht die Bewegung?
Breite Proteste gegen Rechtsentwicklung und Erdoğan-Besuch
Seit Wochen entfaltet sich in Deutschland eine wachsende Bewegung gegen die Rechtsentwicklung der Regierung. Heute und am kommenden Wochenende finden vier große Demonstrationen bzw. Kundgebungen statt, in Hamburg, Berlin, Köln und Frankfurt/M.
Die deutsche Regierung treibt die Rechtsentwicklung weiter voran, mit den neuen Landespolizeigesetzen, neuen Deals auf Kosten von Flüchtlingen in der EU, dem rigorosen und lebensgefährdenden Vorgehen gegen Umweltschützer im Hambacher Wald in NRW. Mit einzelnen sozialen Zugeständnissen versuchen sie diese Rechtsentwicklung zu kaschieren.
Aber diese Woche meldete sich der Präsidenten des Monopolverbands BDI, Dieter Kempf, zu Wort. Er fordert "wirtschaftspolitische Strategien statt sozialer Umverteilung".¹ Die Massen müssen sich also auf eine verstärkte Umverteilungspolitik von unten nach oben einstellen.
Heute wurde Erdoğan von der deutschen Bundesregierung und dem Bundespräsidenten, Frank Walter Steinmeier (SPD) mit höchsten Ehren empfangen. Die Innenstadt von Berlin ist weiträumige abgesperrt, Scharfschützen haben Stellung bezogen, Tausende Polizisten sind im Einsatz. Erdoğan-Freundschaft ist Teil der Rechtsentwicklung der Bundesregierung
Deshalb ist der Protest gegen den faschistischen Staatsbesuch von Recep Tayyip Erdoğan und auch fester Bestandteil des Kampfs gegen die Rechtsentwicklung.
In Kürze
- Die Zusammenarbeit zwischen Erdogan und Merkel ist Teil der Rechtsentwicklung in Deutschland
- Berlin wird wegen des Besuchs eines faschistischen Diktators in eine Bürgerkriegskulisse verwandelt
- "Nein" zu Spaltungsversuchen und Aushöhlung des Koalitionsrechtes in verschiedenen Demo-Bündnissen
Über die heutige – aktuell laufende Demonstration gegen den Erdoğan-Besuch in Berlin berichtet eine Korrespondentin:
„Eine halbe Stunde nach dem offiziellen Auftakt sind rund 5.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer gekommen – es werden bestimmt noch mehr. Es ist ein breites Spektrum von Organisationen, die mit ihren Fahnen und Transparenten das Bild prägen: darunter viele türkische und kurdische Organisationen und natürlich die MLPD und das Internationalistische Bündnis.
Man sieht Transparente mit Aufschriften wie 'Stoppt die Waffenexporte in die Türkei!', 'Schluss mit dem schmutzigen Pakt zwischen Merkel und Erdoğan!', 'Du bist nicht willkommen, Erdoğan!'
Flüchtlinge aus Armenien und Zypern nehmen teil, mit ihren besonderen Anliegen im Protest gegen das Erdogan-Regime. Es gibt eine große Offenheit für das Internationalistische Bündnis, erste neue Unterstützer sind schon gewonnen.“
Auch die Broschüre „Über die Herausbildung der neuimperialistischen Länder“ kam gut an. Sie geht auf die Hintergründe der neuimperialistischen Entwicklung in der Türkei ein.
„Durch die Lage zwischen Europa, Asien und Afrika hat die Türkei eine besondere geopolitische, wirtschaftliche und militärstrategische Bedeutung“, schreibt Stefan Engel, Redaktionsleiter des theoretischen Organs der MLPD, dem REVOLUTIONÄRER WEG, über den Charakter der Türkei als neuimperialistisches Land.² Deshalb baut die Bundesregierung engste Beziehungen zum türkischen Regime auf und aus.
Richtungsstreit in der Bewegung
Es hat sich in den letzten Monaten als ausgesprochene Stärke und Anziehungskraft der Bewegung gegen die Rechtsentwicklung erwiesen, dass eben unterschiedliche Leute, von Revolution bis Religion, von Fußballfans bis zu Feministinnen, von Marxisten-Leninisten bis Sozialdemokraten überparteilich und gleichberechtigt zusammengearbeitet wurde.
Doch genau dagegen richten sich jetzt verstärkt Spaltungsmanöver. In Hamburg wurde der MLPD kurz vor der bundesweiten antirassistischen Demonstration “We'll Come United“ am 29. September „Code of Parade“ (Grundsätze für die Demonstration) ausgehändigt. Er ist nicht einmal auf der eigenen Homepage dokumentiert, aber enthält den Satz: „Als organisierendes Netzwerk betrachten wir National- und Parteifahnen nicht als Teil unseres politischen Ausdrucks und haben uns gemeinsam darauf verständigt, auf sie zu verzichten.“ Als Begründung heißt es, solche Symbole würden „sich erfahrungsgemäß dazu eignen, unproduktive Grabenkämpfe anzuzetteln.“
Damit werden in einer offensichtlich bundesweit organisierten Kampagne bisherige für Demonstrationen und Versammlungen selbstverständliche Standards, demokratischen Rechte damit auch Parteienrechte angegriffen. Dies lehnt die MLPD grundsätzlich ab.
Dagegen protestierte der Landesvorsitzender der MLPD Nord: „Für die Grundrechte als Partei – und noch mehr als Kommunisten bzw. Marxisten-Leninisten - offen auftreten zu können, sich zu versammeln, seine Fahne und Inhalte in die Öffentlichkeit zu tragen – dafür kämpfen die Menschen in vielen Ländern der Welt bis heute. Auch in Deutschland wurde dieses Recht mit der bürgerlichen Revolution erkämpft."
Offenbar aufgrund dieses Protestes gegen das Fahnenverbot wurde der MLPD und dem Internationalistischen Bündnis nun in einem krass undemokratischen Akt kurzerhand die Verantwortung für einen der Parade-LKWs entzogen.
Was geht denn da ab? Wer Kritik übt darf nicht mehr mitmachen? Wer auf seine demokratischen Rechte besteht wird zensiert? Und wer entscheidet eigentlich darüber? Demokratisch legitimiert ist das nicht! Selbst das bürgerliche Versammlungsrecht besagt in §1: „Jedermann hat das Recht, öffentliche Versammlungen zu veranstalten und an solchen Veranstaltungen teilzunehmen“. Für die erkämpften demokratischen Rechte und Freiheiten gibt es derzeit eine Massenbewegung in Deutschland. Mit solchen Maßnahmen werden Kritiker zensiert und unterdrückt.
Damit wird sich der Rechtsentwicklung der Herrschenden, nebst ihrer Unterdrückung fortschrittlicher Kräfte vorauseilend untergeordnet. Tatsächlich richtet sich diese Unterdrückung vor allem gegen die MLPD und andere revolutionäre Kräfte. Denn auf solchen Demonstrationen verschaffen sich die bürgerlichen Berliner Parteien meist entsprechendes Rederecht, können ihre Positionen im Fernsehen ausbauen.
Das Verbieten und Zensieren von kommunistischen Parteien und Symbolen kennt man aktuell aus Ländern wie in Ungarn. Dort wird man verhaftet, wenn man ein kommunistisches Symbol trägt. Und jetzt gibt es in Deutschland Leute die angeblich innerhalb der Bewegung stehen, die sich eine solche Zensur anmaßen.
Wenn es Leute gibt, die Fahnen und Symbole von Andersdenkenden auf antifaschistischer Grundlage nicht „ertragen“ können, dann müssen eben solche Leute, wie zum Beispiel die „Antideutschen“ die regelmäßig für Eklats bzw. Grabenkämpfe auf Demonstrationen sorgen, ausgeschlossen werden. Statt diejenigen zu zensieren, die für ihre Meinung einstehen.
Der Kampf gegen die Rechtsentwicklung der Regierungen muss stark, breit, überparteilich und weltanschaulich offen sein. In wessen Interesse ist es eigentlich, wenn jetzt gespalten wird? Die Rechtsentwicklung der Regierung kann nur gestoppt werden, wenn die Organisierung erheblich gestärkt wird. Diese Richtung wird nun mal wesentlich durch die revolutionären Parteien repräsentiert. Wer hat eigentlich etwas dagegen?
In Köln und Frankfurt/Main³ werden auch Vertreterinnen und Vertreter der MLPD auf den Kundgebungen sprechen - in Köln die Parteivorsitzende, Gabi Fechtner. Die MLPD kritisiert alle Restriktionen für diese Demonstrationen.
Die Masse der Teilnehmerinnen und Teilnehmer - so alle Erfahrungen - begrüßt die große Breite und überparteiliche Grundlage und will gemeinsam gegen die Rechtsentwicklung kämpfen. Für die Spaltungsmanöver hat eine wachsende Zahl von Aktivisten und erst recht die Masse der Bevölkerung, Arbeiter usw. nur Kopfschütteln übrig. Es kommt aber darauf an, dass die Bewegung mit diesen Spaltung fertig wird und ihr Selbständigkeit behauptet und entwickelt.