Philippinen
Mobilmachung gegen „Roten Oktober“
Der philippinische Präsident sieht sich von „Umstürzlern“ bedroht. Philippinen-Experte und Publizist Rainer Werning schätzt dies als Ablenkung von innen- und wirtschaftspolitischen Problemen ein. Den folgenden Beitrag stellte er "Rote Fahne News" exklusiv zur Verfügung.
Als wäre der südostasiatische Inselstaat nicht schon genug gebeutelt von verheerenden Taifunen, steigender Inflation, wachsender Arbeitslosigkeit und Armut, einem brutalen „Antidrogenkrieg“ mit mehreren tausend Opfern und einem Aufstandsbekämpfungsplan, der immer ungenierter Zivilisten ins Visier nimmt!
Präsident Rodrigo R. Duterte sieht sich von politischen Gegnern bedroht
All das ficht den seit Sommer 2016 amtierenden Präsidenten Rodrigo R. Duterte jedoch wenig an. Für ihn existiert einzig ein alles überschattendes Thema: Er sieht sich und seine Regierung zunehmend von politischen Gegnern bedroht, die er und der Generalstabschef der Streitkräfte (AFP), General Carlito Galvez, Jr., unter Mitgliedern der Kommunistischen Partei (CPP), ihrer Guerillaorganisation, der Neuen Volksarmee (NPA), den sogenannten „Gelben“, Anhängern der Liberalen Partei seines Vorgängers Benigno S. Aquino III., sowie Teilen unzufriedener, junger Offiziere ausgemacht haben.
CPP habe angeblich Plan "Roter Oktober" ausgeheckt
Anlässlich eines Senatshearings am 2. Oktober über das vom Verteidigungsministerium vorgelegte Budget für das Fiskaljahr 2019
äußerte sich Galvez detailliert über einen angeblich von der CPP ausgeheckten Plan „Roter Oktober“, dessen Ziel es sei, die amtierende Regierung zu Fall zu bringen. Selbst im Großraum Manila, so der General, hätten die Umstürzler in mindestens zehn Universitäten agitiert und intensiv Propaganda betrieben, um mittels einer Kombination von verstärkten militärischen Angriffen gegen AFP-Einheiten sowie Studenten- und Arbeiterstreiks in Großstädten des Landes Unruhen zu schüren. „Aktuell sind die Umstürzler damit beschäftigt, die Regierung mit dem Marcos-Regime zu vergleichen und sie in schwarzen Farben zu malen.“
Galvez erklärte, die Streitkräfte verfügten über ein Dokument, das beweise, dass der Gründungsvorsitzende der CPP und seit Ende der 1980er Jahre im niederländischen Utrecht im Exil lebende José Maria Sison allein mit seiner früheren Alma Mater, der University of the Philippines, mehrere Konferenzen durchgeführt hätte. Demnach plane die CPP mit ihr sympathisierenden Organisationen die sogenannten Operationen Talsik (Sturz oder Absetzung) und Aklasan (Streik oder Arbeitsniederlegung), in deren Verlauf „sukzessive Massenmobilisierungen und Streiks in den Städten und taktische Offensiven der NPA im Hinterland“ organisiert und durchgeführt werden sollen. Diese Aktionen, so der General weiter, sollen „vom 21. September (dem 46. Jahrestag der Verhängung des Kriegsrecht unter dem Regime von Ferdinand E. Marcos – RW) bis zum 50. Jahrestag der Gründung der CPP Ende Dezember“ dauern.
In einer vom 25. September datierten Erklärung wies die CPP solche Anschuldigungen als eine „typische AFP-Erfindung“ schärfstens zurück. Die CPP attackierte in ihrer Erklärung „das faschistische US-Duterte-Regime“, es wende just jene Methoden an, derer sich einst Marcos bediente. Dieser hatte die landesweite Verhängung des Kriegsrechts am 21. September 1972 unter anderem mit „einer drohenden maoistischen Rebellion” begründet.
International Peoples' Tribunal befindet Duterte für schuldig
Galvez und Verteidigungsminister Delfin Lorenzana bezeichneten derweil das Verdikt der am 18. und 19. September in Brüssel stattgefundenen Sitzung des International Peoples' Tribunal (IPT) als Teil des Plots gegen den Präsidenten. Im Urteilsspruch dieses von zivilgesellschaftlichen Organisationen und Verbänden engagierter Menschenrechtsanwälte durchgeführten Tribunals wurde Duterte aufgrund „zahlreicher Verbrechen gegen das philippinische Volk“ für schuldig befunden.
Die Ergebnisse und das Urteil des IPT wurden zwischenzeitlich dem Europäischen Parlament, dem Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen sowie dem Internationalen Strafgerichtshof (ICC) in Den Haag übergeben. Dort laufen nach Einreichen mehrerer Klagen seit Frühjahr dieses Jahres Voruntersuchungen über Dutertes „Antidrogenkrieg“ und die Menschenrechtslage in den Philippinen. Sehr zum Verdruss von Duterte, der darauf prompt in der ihm eigenen Weise reagierte.
Duterte hetzt gegen den Internationalen Strafgerichtshof (ICC)
Am 22. September bezeichnete er das ICC-Personal in einer Rede vor Teilnehmern der Asia Pacific Association of Gastroenterology in Lapu-Lapu City in den Zentralphilippinen als „einen Haufen von Kriminellen, Bullshits und Idioten.“ Er stehe, so fügte der Präsident hinzu, „einzig Filipinos Rede und Antwort.“ Fünf Tage später sattelte er noch drauf und erklärte vor Regierungsangestellten im Präsidentenpalast zu Manila, seine „einzige Sünde“ seien außergerichtliche Hinrichtungen.
Unverzüglich wiegelten Regierungssprecher Harry Roque und Salvador Panelo, Dutertes Rechtsberater, ab und spielten diese Äußerung als „Witz“ herunter. Doch rasch wurde der Wortlaut des Präsidenten samt Video ebenfalls dem ICC zugstellt. Agnès Callamard, Sonderberichterstatterin für außergerichtliche, summarische oder willkürliche Hinrichtungen beim Hochkommissariat der Vereinten Nationen für Menschenrechte, zeigte sich entsetzt und sprach von einem „außergewöhnlichen Statement eines Staatsoberhaupts.”
In einem zuerst am 13. September in der Tageszeitung BusinessWorld (Manila) veröffentlichten Artikel konstatierte der bekannte Kolumnist Luis V. Teodoro: „Regiert von der verantwortungslosesten Oligarchie in Südostasien, ist unser Land seit 1946 (der Unabhängigkeit von den USA – RW) zur Hölle gefahren. Nach Marcos ist das gegenwärtige Regime enthusiastisch dabei, dass es dort auch tatsächlich ankommt."