Handelskrieg
US-Regierung contra Internationaler Gerichtshof - worum geht es?
Am Mittwoch, 3. Oktober, hat der Internationale Gerichtshof (IGH) in Den Haag in einer einstweiligen Verfügung den USA auferlegt, einen Teil der seit dem 7. August geltenden Sanktionen gegen den Iran aufzuheben. Die faschistische iranische Regierung hatte Den Haag angerufen.
Die humanitäre Hilfe und die Sicherheit des Flugverkehrs dürften nicht gefährdet werden - so die Den Haager Richter in ihrer Urteilsbegründung. Im amerikanisch-iranischen "Freundschaftsvertrag" aus dem Jahre 1955 ist geregelt, dass bei Konflikten zwischen beiden Ländern der IGH eingeschaltet werden darf.
In Kürze
- Internationaler Gerichtshof der UN verurteilt die USA - dazu, ihre Sanktionen gegen das faschistische Regime des Iran aufzuheben
- US-Sicherheitsberater John Bolten erkärt den Gerichtshof für "tot"
- Neue Sanktionsdrohungen verschärfen die Weltkriegsgefahr
Das Gericht in Den Haag ist formal die höchste Rechtsinstanz der Vereinten Nationen. Aber die US-Regierung, mit dem faschistoiden Präsident Donald Trump an der Spitze, denkt nicht daran, dieses Urteil zu akzeptieren. Stattdessen kündigte sie umgehend den "Freundschaftsvertrag". „Der Iran missbraucht den Internationalen Gerichtshof für politische und Propaganda-Zwecke“, so die Begründung von US-Außenminister Mike Pompeo.
Damit wird von der US-Regierung auch das ganze Verfahren des IGH über die Sanktionen nicht als bindend anerkannt. Sie demonstriert damit einmal mehr, dass sie internationale Organisationen nur dann anerkennt, wenn diese unter ihrer Kontrolle stehen. „Wir werden den Gerichtshof sterben lassen. Für uns ist er bereits tot”, so Trumps Nationaler Sicherheitsberater John Bolton. Eine weitere Institution des allein herrschenden internationalen Finanzkapitals gerät so in die Existenzkrise im Zuge der sich verschärfenden zwischenimperialistischen Widersprüche.
Dem Gerichtshof geht es nicht um Flugsicherheit oder gar die Interessen der Massen - sein Versuch zielte auf eine Dämpfung der Widersprüche und Einhaltung bisheriger Regeln und Gepflogenheiten. Mission gescheitert, das Gegenteil ist der Fall.
Im Zuge des von ihm eröffneten offenen Handelskrieg hatte US-Präsident Donald Trump am 8. Mai einseitig und provokativ den Ausstieg aus dem mit dem Iran 2015 vereinbarten „Atomabkommen“ erklärt. Er kündigte scharfe Sanktionen gegen Firmen und Banken an, die künftig noch im Iran investieren oder mit diesem Handel treiben. Weil die iranischen Passagiermaschinen veraltet sind, hatte das Land neue Maschinen bei Boeing, Airbus und ATR geordert. Aber Boeing lieferte keine einzige Maschine, Airbus nur 3 von 100 und ATR 13 von 20 Flugzeugen.
Im August diesen Jahres erklärte Vria Aranan (Kommunistische Partei Iran – CPI) gegenüber Rote Fahne News: „Mit dem Handelsembargo üben die USA Druck aus auf den Iran. Der Iran hat sich stärker militärisch in der Region eingemischt, zum Beispiel im Irak. Wenn die Bevölkerung im Iran Demokratie erkämpft, wird sich das in der Region ausbreiten. Davor haben die USA Angst. Das Embargo hat schon vor dem Atomabkommen die Menschen im Iran in immer größere Armut getrieben. Preise, Mieten gehen immer weiter in die Höhe. Im ganzen Land gibt es Proteste. Besonders in den armen Stadtteilen, in den Fabriken." (Das ganze Statement lesen)
Tatsächlich sind die Kämpfe der Arbeiterklasse und anderer werktätiger Schichten im Iran und in den USA der wirkliche Gegenspieler beider imperialistischer Regime.
Streit unter imperialistischen Rivalen
Die Kontrolle des weltweiten Energiemarkts ist ein wesentlicher Hintergrund der zwischen-imperialistischen Konflikte im Nahen und Mittleren Osten. In beiden Weltkriegen versuchten die kriegsführenden imperialistischen Mächte die dort lagernden Erdölvorkommen für sich zu erobern. Heute kämpfen im Nahen und Mittleren Osten alte imperialistische Mächte, insbesondere die USA, aber auch Frankreich, Großbritannien und Deutschland, mit neuimperialistischen Mächten, wie Russland, China, dem Iran, Saudi-Arabien und der Türkei, um die Vorherrschaft.
Der Iran hat sich von einem ehemals kolonial abhängigen Land zu einem neuimperialistischen Land mit regionalem Vorherrschaftsstreben entwickelt. Das islamisch verbrämte Regime in Teheran mischt mit im Syrien-Krieg, um unter anderem eine Öl- und Gas-Pipeline zum Mittelmeer zu eröffnen. Iranische Elitetruppen kämpfen zusammen mit libanesischen Hisbollah-Kämpfern, auf der Seite des reaktionären Assad-Regimes.
Die aggressiven Töne der US-Regierung gegen den Iran richten sich einerseits unmittelbar gegen den neuimperialistischen Iran, vor allem aber gegen China. Aber auch gegen Russland und die EU. Der Iran ist geostrategisch mit entscheidend für den Aufstieg Chinas mit seiner Strategie der „Neuen Seidenstraße“ zur wirtschaftlichen Supermacht.
Nach der Aufhebung der alten Iran-Sanktionen im Januar 2016 waren die Exporte Deutschlands und der EU in den Iran rasch angewachsen. Das Handelsvolumen der EU mit dem Iran hat sich von 7,7 Milliarden Euro im Jahr 2015 auf 21,0 Milliarden im Jahr 2017 fast verdreifacht. China und der Iran haben 2016 vereinbart, „ihren wechselseitigen Handel in den kommenden zehn Jahren auf 600 Milliarden Dollar mehr als zu verzehnfachen.“
Am 5. November sollen nun in einer zweiten Runde weitere Sanktionen in Kraft gesetzt werden, die auf den für den Iran wichtigen Ölhandel und die internationale Tätigkeit der iranischen Zentralbank zielen. Sie soll vom internationalen Zahlungssystem Swift ausgeschlossen und damit vom internationalen Handel abgehängt werden. Die nach dem US-Rückzug im Atomabkommen mit dem Iran verbliebenen EU-Länder wollen nun ein eigenes Zahlungssystem schaffen, um den Handel mit dem Iran weiter zu ermöglichen. US-Außenminister Pompeo drohte darauf der EU neue Sanktionen an.¹
Indien und China widersetzen sich ebenfalls den Sanktionen gegen den Iran. Indien erklärte, das Ölgeschäft mit dem Iran auszubauen. Das Land engagiert sich auch bei der Entwicklung des iranischen Chabahar-Hafens – Investitionen von einer halben Milliarde Dollar sind zugesagt.²
In Bezug auf Russland und den Iran sei die Situation sehr ähnlich, erklärte US-Innerminister Zinke. Die wirtschaftliche Option bestehe darin, dem Iran und Russland Marktanteile bei Erdöl und Erdgas abzunehmen, erklärte er erstaunlich offen. Im „Wettbewerb mit beiden Ländern“ hätten die USA aber auch eine militärische Option. „Die Vereinigten Staaten haben die Fähigkeit, mit unserer Marine sicherzustellen, dass die Seewege offen sind, und, wenn nötig, sie zu blockieren … um sicherzustellen, dass ihre Energie nicht auf den Markt kommt“, sagte der US-Innenminister.³
Allgemeine Kriegsgefahr wächst
Die neuen Sanktionsdrohungen verschärfen deutlich die Gefahr einer Eskalation der kriegerischen Auseinandersetzungen im Nahen und Mittleren Osten zu einem Flächenbrand bis hin zu einem möglichen Weltkrieg. Außenminister Pompeo und Sicherheitsberater Bolton sind bekannt als aggressive Kriegstreiber gegen den Iran. „Will man den Iran stoppen, muss man ihn bombardieren“, schrieb Bolton vor einiger Zeit in der „New York Times“.
Höchste Wachsamkeit aller friedliebenden Menschen ist geboten. Die Solidarität mit den protestierenden Massen gegen Trump in den USA und gegen Rohani im Iran ist Trumpf. Am Aufbau der antiimperialistischen Einheitsfront, wie sie die revolutionäre Weltorganisation ICOR auf ihrem letzten Weltkongreß vorgeschlagen hat, muss intensiv gearbeitet werden.