Berlin
240.000 Menschen entschlossen und streitbar gegen die Rechtsentwicklung der Regierung - mit Bildreport
Bunt, lautstark und sehr stolz auf ihr starkes Zeichen demonstrierten 242.000 Menschen gegen die Rechtsentwicklung der Regierung.
Die Demonstration #unteilbar mobilisierte viel mehr Menschen als von den Veranstaltern erwartet worden waren. Bei bestem Spätsommerwetter kamen schon bis mittags etwa 150.000 Teilnehmer zusammen - am Ende zählten die Veranstalter 242.0000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Über 6000 Organisationen und Persönlichkeiten hatten aufgerufen und entsprechend groß war die Bandbreite der Teilnehmer.
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Mehr als 50 LKW’S der verschiedenen Organisationen mussten bis zu zwei Stunden warten bis sie losfahren konnten – so lange dauerte es bis sich das Ende des Demonstrationszuges in Bewegung setzte. Zu diesem Zeitpunkt waren an der Siegessäule, wo die Abschlusskundgebung stattfinden soll, bereits 15 – 20.000 Menschen und auch in der ganzen Innenstadt sah man immer wieder Menschen mit Schildern von der Demo.
In Kürze
- Über 242.000 Menschen auf der Demo #unteilbar
- Rund 1000 feste und 1000e sporadische Teilnehmer bei der Auftaktkundgebung der Montagsdemo und des Internationalistischen Bündnisses
- Diskussion über den Weg der Bewegung und wie sich der aktive Massenwiderstand entwickeln kann
Bereits ab 10:30 Uhr hatte die Bundesweite Montagsdemo auf dem Alexanderplatz eine Auftaktkundgebung durchgeführt - kämpferisch und optimistisch. Hier sprachen Vertreter verschiedener Montagsdemos. Ulja Serway und Fred Schirrmacher von der Koordinierungsgruppe der Montagsdemo-Bewegung begrüßten die Teilnehmer und erklärten, dass viele Menschen vollkommen zu Recht kein Vertrauen in die bürgerlichen Politiker mehr haben. Während manche Leute über diesen Vertrauensverlust jammern, muss man das im Gegenteil begrüßen. Nötig ist jetzt eine starke Bewegung gegen die Rechtsentwicklung, die selbständig und überparteilich ist und die eine gesellschaftsverändernde Perspektive braucht.
Trittbrettfahrer
Die Bewegung wuchs aus den verschiedenen Bündnissen gegen die Polizeigesetze. Sie erkämpften sich eine besondere Bündnisbreite unter Einschluss revolutionärer Kräfte als wesentlichem Merkmal des fortschrittlichen Stimmungsumschwung. Aber heute wurde von unsichtbarer Hand eine Regie im Hintergrund organisiert, die diesen selbständigen Charakter beseitigen will. So wurde zu Beginn bekannt, dass führende Politiker der SPD, wie Andrea Nahles oder Heiko Maas in letzter Minute auf den Demonstrationszug aufspringen wollten, indem sie zur Teilnahme aufriefen. Redner von Parteien waren nicht zugelassen, ebenso keine Fahnen an der Spitze.
Es gibt offensichtlich zwei Wege in der Bewegung: Entweder selbständig, überparteilich und mit Platz für einen revolutionären perspektivegebenden Flügel. Oder die Bewegung wird zum Anhängsel der Regierung und der Monopole, um den Widerstand in parlamentarische Bahnen zu kanalsieren.
In diesem Klärungsprozess war das Auftreten der Montagsdemo, des Internationalistischen Bündnisses und mit ihnen MLPD und REBELL der anziehendste, optimistische, kulturvolle, diskussionsfreudigste und bunteste Block. Nach sehr unvollständigem Überblick trugen sich dabei mindestens 190 Menschen in die Listen des Internationalistischen Bündnis ein.
Gabi Fechtner, die Parteivorsitzende der MLPD begrüßte die Demonstration und rief auch die Touristen aus allen Ländern zur Teilnahme auf, denn schließlich ist die Rechtsentwicklung eine internationale Erscheinung, die auch international gemeinsam bekämpft werden muss. Sie warf die Frage auf: „Wie kann der nötige aktive Massenwiderstand gegen die Rechtsentwicklung entstehen und sich höherentwickeln?" Sie begrüßte, wenn Mitglieder von SPD und Grünen heute mitdemonstrieren, aber sie griff Politiker wie Heiko Maas an, der dem faschistischen Erdogan-Regime freundschaftliche Besuche abstattet und die ganze Rechtsentwicklung der Regierung mitträgt und jetzt heuchlerisch von einer solidarischen Gesellschaft spricht. Tatsache ist, dass dieses Ziel mit dem Kapitalismus nicht zu vereinbaren ist. Dafür braucht es eine revolutionäre Veränderung und den Kampf für den echten Sozialismus.
Wer ist der Gegner?
Die Auftaktkundgebung des Bündnisses #unteilbar konnte leider nur von wenigen verfolgt werden, da die Straße über mehrere hundert Meter voller Menschen war, aber die Lautsprecher kaum hundert Meter weit zu hören waren. "Bei den offiziellen Reden dort war eines auffällig", so eine Korrespondentin, "es wurde viel gegen Rassismus, Faschismus und Intoleranz gesprochen, aber die Regierung als Täter kaum benannt. Weder Bundeswehreinsätze kamen zur Sprache, noch die Förderung von Faschisten durch Teile des Staatsapparats. Die großen Konzerne und Monopole als Nutznießer und Ausgangspunkt der Rechtsentwicklung wurden überhaupt nicht ins Visier genommen. Nur die Rynair-Belegschaft kam zu Wort. Nur einmal wurde Seehofer überhaupt nur erwähnt, Merkel schon gar nicht und kein Wort von der SPD." Am meisten Applaus bekam noch der Vertreter der IG Metall, als er erklärte, die Grenzen verliefen zwischen oben und unten und eine Umverteilung von oben nach unten forderte."
Offenes Mikrophon bestens genutzt
Weil die offizielle Auftaktkundgebung nicht zu hören war fanden an einigen der über 50 LKW’s "eigene" Kundgebungen statt, teilweise mit offenem Mikrofon, teilweise auch nur Musik. Die lebendigste und interessanteste war sicherlich die Kundgebung des Internationalistischen Bündnisses.Hier sprachen Vertreter von Konzernbelegschaften wie Opel, Daimler, VW, Bergleute, der Frauenverband Courage, die Umweltgewerkschaft, Siemens, Airbus Pflegekräfte ...
Ein Kollege von Opel Eisenach griff die Spaltung an, ob zwischen Nationalitäten, Standorten oder zwischen Ost und West. Er rief, dass die Parole „Teile und herrsche“ bereits zweitausend Jahre alt ist, dass die Erpressung wie bei Opel / PSA heute also nichts Neues ist, aber die Industriearbeiter international immer besser damit fertig werden.
Fred Schirrmacher von der Bundesweiten Montagsdemo wurde von der Moderatorin Monika Gärtner Engel als ein Beispiel für die Standhaftigkeit der Montagsdemonstranten vorgestellt: Er war bereits in der demokratischen Volksbewegung in der DDR aktiv und ist bis heute in der Koordinierung der Montagsdemos aktiv.
Ein Vertreter der Montagsdemo Köln prangerte den rücksichtlosen Raubbau im Braunkohlerevier an und begrüßte den ersten Erfolg der Bewegung im Hambacher Wald.
Internationalismus ist Trumpf
Kurz nachdem bei der offiziellen Auftaktkundgebung eine Rednerin Kritik an der Politik von Israel und Boykott-Aufrufe gegen Israel als „antisemitisch“ bezeichnete, traten bei der Kundgebung des Internationalistischen Bündnisses Vertreter des palästinensischen Befreiungskampfes an das Mikrophon. Unter großem Beifall riefen sie, dass Deutschland sehr wohl eine besondere Verantwortung hat, sich gegen faschistische Tendenzen zu engagieren – aber diese Verantwortung ist unteilbar, sie muss sich auch gegen Rassismus gegen Palästinenser richten.
Weiter sprachen unter anderem Klaus Dimler, Nachkomme eines Buchenwald-Häftlings, der den Schwur von Buchenwald als Lehre einbrachte; der Jugendverband REBELL war stark vertreten und unter anderem Flüchtlinge aus Ellwangen dabei, die von ihrem Kampf gegen Polizeiterror und Diffamierung berichteten und den „Ellwangen-Appell“ vorstellten; allein die Trupps von REBELL und MLPD aus Gelsenkirchen gewannen acht neue Mitglieder für den REBELL.
Vertreterinnen der Frauenplattform des Internationalistischen Bündnisses, die erklärten: „Überparteilichkeit hört auf, wenn man nicht mit revolutionären Frauen zusammenarbeitet.“
Zwischen den Redebeiträgen kamen immer wieder Lieder, unter anderm von einem christlichen Liedermacher aus Heidelberg. Die ganze Demo war auf beiden Seiten von neugierigen, interessierten, zustimmenden bis begeisterten Passanten gesäumt. Immer wenn auf dem Wagen die Internationale erklang sangen viele am Straßenrand mit. Daumen hoch als Zeichen: ihr lauft auch in unserem Namen. Victoryzeichen. Mindestens 130 kauften auch das Rote Fahne Magazin, um sich weiter zu informieren. Mindestens 220 Parteiprogramme der MLPD und weitere Literatur wurden verkauft. Zehntausende Flugblätter der MLPD gegen die Rechtsentwicklung wurden übergeben. Die MLPD war unübersehbar: beim Auftakt, als Teil des Blocks der Montagsdemo und des Internationalistischen Bündnisses und mit zwei eigenen Hotspots mit großen Transparenten.
Wir müssen die Bewegung weiterführen, bis sich das wirklich ändert
Jugendlicher aus Görlitz
Die MLPD verbreitete mehrere Hundert Exemplare der druckfrischen Broschüre "Antideutsche - links blinken, scharf rechts abbiegen" Ein "heißes Eisen, mit dem sie Klarheit schaffen will gegen diese Spalter der Massenbewegung. Das ist dringend nötig, um die Selbständigkeit der Bewegung zu verteidigen. "Ich bin hier, weil mir nicht passt, was die Regierung mit uns macht", so ein Jugendlicher aus Görlitz. "Wir müssen die Bewegung weiterführen, bis sich das wirklich ändert."
Eine Demonstration kann nur der Anfang sein
Auch Gabi Fechtner von der MLPD sprach kurz bevor sich auch das Ende des Demonstrationszuges in Bewegung setzte noch einmal. Sie begrüßte, dass sehr viele Menschen politisiert und aktiv sind. Diese Menschen brauchen Klarheit über den Hintergrund der Rechtsentwicklung, die nicht aus einzelnen Regierungspersonen zu erklären ist, sondern aus der verschärften Konkurrenz der Imperialisten. Reaktion ist systemimmanent im Imperialismus und die Kriegsvorbereitung steht in allen imperialistischen Ländern auf der Tagesordnung! Um dagegen eine überlegene Kraft aufzubauen müssen wir gut organisiert sein. Es wäre naiv, nur eine schöne bunte Demo zu machen und zu hoffen, dass sich dadurch etwas wesentliches ändert. „Wir sind aber nicht naiv – organisiert Euch!“ Sie forderte zu einer Massendiskussion über den echten Sozialismus auf.
Der Block des Internationalistischen Bündnisses mit Montagsdemo wuchs zwischenzeitlich immer wieder auf mehr als 1000 Leute an. Am offenen Mikro sprachen Vertreterinnen von Konzernbelegschaften und Revolutionäre aus der Türkei, Jemen, Palästina oder dem Iran. Überhaupt war dieser Block am stärksten mit von Belegschaften, Arbeiterinnen und Arbeitern mit ihren Gewerkschaftsfahnen geprägt. Die Breite unter Einschluss der Revolutionäre lag vielen Teilnehmerinnen und Teilnehmern ausdrücklich am Herzen, wie die Redaktion in zahlreichen Interviews erfuhr.
Bis in den Abend lief das antifaschistische und antirassistische Abschlusskonzert, zu dem weitere Besucher hinzukamen. Gleichzeitig fuhren viele optimistisch gestimmte Menschen in ihren Bussen zurück in alle Regionen des Landes. Die Bewegung hat heute ihr Selbstbewusstsein gestärkt. Aber wer Freund ist, wer Gegner, wie ein aktiver Massenwiderstand entsteht und was die Perspektive ist, darüber ist weiter viel Diskussion nötig.