Mallorca
Beim Aufräum-Subbotnik "Freunde der ICOR" gewonnen
Mit vier Mädels machen wir Urlaub auf Mallorca. Bei der Ankunft waren wir erstaunt, dass man kaum noch etwas von den Auswirkungen der immensen Unwetter der letzten Woche sehen konnte.
Aus der Zeitung erfuhren wir, woran das liegt: neben 750 offiziellen Helferinnen und Helfern haben 1.300 Freiwillige bei den Aufräumarbeiten geholfen! Die Behörden zeigten sich vor allem überrascht über die hohe Effizienz. Maurer, Elektriker und Klempner machten letzten Samstag eine wörtlich zu nehmende Subbotnik-Schicht im am stärksten betroffenen Sant Llorenc. Auch unsere Nachbarn, Makeup-Artists, haben ihr Studio in eine Sammelstelle für Spenden umgewandelt.
Urlauberinnen packen kurz entschlossen mit an
So schien es, als sei alles getan. Bis wir beim Joggen 15 Arbeiterinnen und Arbeitern begegneten, die einen der Torrentes (normalerweise trockener Wasserlauf, der bei Überschwemmungen das Wasser aufnimmt, Anm. d. Red.) von Gestrüpp und Geröll befreiten. Nach kurzem Smalltalk cancelten wir unser Programm und verabredeten uns zur Mitarbeit. Eine Stunde später standen wir zu sechst auf der Matte. Die anfängliche Verlegenheit - auch angesichts unserer mickrigen Spanisch-Kenntnisse - verflog bei der Arbeit schnell. Unsere beiden Rotfüchse, die wir aus dem Bett geklingelt hatten, arbeiteten wie die Weltmeister.
Es stellte sich dann heraus, dass einer der Arbeiter schon mal in Nürnberg Deutsch gelernt und ein Franzose in Karl-Marx-Stadt, wie die Stadt Chemnitz in der DDR hieß, die U-Bahn mit gebaut hatte. Im Lauf der Arbeit kommen wir so immer mehr ins Gespräch: eine war dabei, als eine der dreizehn Toten geborgen wurde. Sie berichteten, dass beispielsweise an den Torrentes seit Jahren keine Instandsetzungsarbeiten mehr gemacht worden sind. So war alles verstopft und das Wasser staute sich an. Dabei gäbe es Geld genug - aber wofür wird es ausgegeben?
Schnell wird es politisch ...
Schnell wird es politisch: die Klimaveränderungen sind das Problem, da sind sich alle einig. Wir berichten von RWE und der Umweltbewegung in Deutschland. Für die Monopole - über die verdrehen die Arbeiterinnen und Arbeiter nur die Augen: "capitalista!" - zählt immer nur der Profit.
Eine brasilianische Arbeiterin ergänzt: "Denkt nicht, das wäre nur in Deutschland und Spanien so: bei uns steht die Welt auch Kopf!" Eine andere macht wieder andere Rechnungen auf. So sollte der Mindestlohn in Spanien laut Wahlversprechen von 600 auf 900 Euro erhöht werden. Doch dann wurde von Unternehmern und Medien soviel gejammert, dass die Wirtschaft daran kaputt ginge. So blieben gerade mal 700 Euro übrig.
Wir berichten, dass unter uns auch Leute von der MLPD sind, Marxistas-Leninistas, und zeigen das Lenin-T-Shirt. "Ah, Lenin!". Freudige Augen. Ein Arbeiter aus Uruguay checkt schnell ab, ob wir für Stalin oder Trotzki sind - zwar ist er mit unserer Antwort nicht zufrieden, mit unserer Arbeit aber schon. Wir schenken ihnen ein Buch "Katastrophenalarm!" auf Spanisch als Danke für die Arbeiten in der letzten Woche. Wir zeigen ihnen das Rote Fahne Magazin, was bei einigen auf großes Interesse stößt.
Sechs Freunde der ICOR tragen sich ein
Als wir von der ICOR berichten, der Internationalen Koordinierung revolutionärer Parteien und Organisationen, verneint eine traurig: Nein, auf Mallorca gibt es keine revolutionäre Partei. Doch als wir erzählen, dass es "Freunde der ICOR" gibt, denen man sich anschließen kann, erwidert sie glücklich: "Ich würde gerne zu den Revolutionären gehören!"
Prompt trägt sie sich ein und geht zu jedem am Torrente: "Kennst du ICOR schon?" So tragen sich fünf weitere als Freunde der ICOR ein. Auch sie berichten von einem Rechtsruck ihrer Regierung. "Aber bisher funktioniert keine Partei - wir brauchen endlich etwas, das funktioniert!" In der Pause liest der junge den älteren Arbeitern am Smartphone die Gründungsresolution der ICOR auf Spanisch vor.
Sie freuen sich, dass wir im Urlaub mitarbeiten: "Viele Politiker reden nur, aber ihr verbindet Tourismus mit Arbeit mit den Menschen. Das ist gut. Con Corazon." Eine Urlauberin ruft: "Ja, trabajo, trabajo!" Zuerst lacht die Arbeiterin freudig, doch dann wird sie nachdenklich: "Ja arbeiten ist gut, aber" - sie tippt auf Lenin - "sprechen muss man auch." "Theoria y practica unidad!" radebrechen wir. Ja, das findet sie gut! Zuletzt stellen die Arbeiterinnen und Arbeiter uns noch einer Vertreterin einer Umweltorganisation vor, die uns gerne in den nächsten Tagen noch ein Interview geben will.
Nach dreieinhalb Stunden ist Siesta angesagt. Wir verabreden uns noch für das Benefizkonzert in Arta am Freitag für die Betroffenen in Sant Llorenc. Ein Arbeiter sagt uns zum Schluss: "Meine Kollegin ist glücklich. Sie sieht wieder Licht." Wir sind ebenfalls sehr glücklich über die neuen Freunde und wollen auf jeden Fall in Kontakt bleiben.
Nach einem Kilo Spaghetti Bolo geht es in die wunderschönen Wellen in praller Sonne.