Brüssel
Brexit-Verhandlungen in der Sackgasse
Die gestrigen Verhandlungen in Brüssel über den geplanten Brexit brachten erneut keine Einigung zwischen der britischen Regierung und den restlichen EU-Ländern über die Bedingungen von Großbritanniens Austritt.
Die EU verfolgt bei den Verhandlungen vor allem drei Ziele:
Hoffnung auf neues Referendum?
1. Wichtige Teile des allein herrschenden internationalen Finanzkapitals akzeptieren den Brexit nicht. Er war für sie eine schwere historische Niederlage, die sie nach Möglichkeit wieder wettmachen wollen.
Der Austritt Großbritanniens als zweitgrößte Wirtschaftsnation der EU und stärkste militärische Kraft verschlechtert die weltweiten Konkurrenzbedingungen des EU-Imperialismus zugunsten der USA und der neuimperialistischen Länder. Auch den politischen Vereinigungsprozess der EU und die gemeinsame Militärpolitik warf er zurück.
Um den Austritt noch irgendwie rückgängig zu machen, spielt die EU auf Zeit. Ihre Hoffnungen beruhen unter anderem darauf, ein erneutes Referendum herbeizuführen, wozu sie mit bürgerlichen Gegnern des Brexit in Großbritannien zusammenarbeitet. Ganz nach dem Motto, das Volk solange abstimmen zu lassen, bis das gewünschte Ergebnis herauskommt.
"Übergangslösung" angeboten
2. Sollte das nicht gelingen, möchte man auch nach einem Austritt möglichst alle Regelungen und Standards beibehalten, die innerhalb der EU gelten. Der "Austritt" bliebe mehr oder weniger formal, der Kern der wirtschaftlichen Durchdringung mit Großbritannien wäre gerettet. Dafür reicht den EU-Verhandlungsführern das britische Angebot eines zeitweiligen Verbleibs in der Zollunion nicht aus.
Im Streit um den Status Nordirlands kulminiert gegenwärtig dieser Widerspruch. Die EU bot jetzt als "Übergangslösung" an, dass alle bisherigen Regelungen noch zwei bis drei Jahre weiter gelten.
3. Nicht zuletzt geht es um ein abschreckendes Exempel für alle anderen EU-Mitglieder, was ihnen bei eigenen Austrittsbestrebungen blüht. Das ist ein Hauptgrund dafür, warum die EU-Verhandlungsführer knallhart pokern und zu keinen nennenswerten Zugeständnissen bereit sind.
In Kürze
- Der gestrige Brexit-Gipfel ist ohne Lösung zu Ende gegangen
- Die beteiligten Imperialisten der EU und Großbritanniens versuchen alle, die für ihre Monopole besten Ergebnisse herauszuschlagen
- Rebellion gegen die EU ist und bleibt gerechtfertigt
Die Brexit-Befürworter im britischen Finanzkapital, die in der May-Regierung den Ton angeben, wollen dagegen eine weitgehende Unabhängigkeit Großbritanniens von der EU, ohne die Finanz- und Handelsbeziehungen abzubrechen. Sie streben stattdessen eine engere Anbindung an den US-Imperialismus an - von US-Präsident Donald Trump eifrig gefördert, der damit seinerseits die EU schwächen möchte. Auch von der Wiederbelebung des britischen "Commonwealth", dem Zusammenschluss ehemaliger britischer Kolonien, ist die Rede.
Dabei sind die führenden "Brexiteers" selbst äußerst zerstritten. Premierministerin Theresa May hat wachsende Probleme, zwischen den Befürwortern eines "harten Brexit" - eines Austritts ohne Vertrag mit der EU - und den Mahnern vor den weitreichenden Folgen hin- und herzulavieren. Während May über die nun von der EU angebotene "Übergangslösung" diskutieren will, lehnen die Vertreter des offen konfrontativen Kurses sie ab.
Warnungen vor "Brexit-Delle"
Ein wesentlicher Grund der erbitterten Verhandlungen sind die wachsenden wirtschaftlichen Probleme der imperialistischen Länder. Die Unternehmerverbände in Deutschland warnen bereits vor einer "Brexit-Delle" für den Export. Die derzeit negative Tendenz der weltweiten Schwankenden Stagnation vertieft die Angst der Herrschenden vor dem Ausbruch einer neuen Weltwirtschafts- und Finanzkrise.
Für Deutschland ist Großbritannien der fünftwichtigste Handelspartner. Rund 2.200 Unternehmen aus Deutschland mit etwa 412.000 Beschäftigten sind in Großbritannien tätig. Umgekehrt sind 1.400 britische Unternehmen in Deutschland tätig. Die hohe Exportabhängigkeit ist die Achillesferse der deutschen Wirtschaft.
Konfusion in Regierungen wächst
Dass bisher nicht absehbar ist, wie die "Quadratur des Kreises" der Lösung entgegengesetzter imperialistischer Interessen gelingen soll, vertieft die Defensive der führenden Monopolpolitiker auf beiden Seiten.
EU und britischer Regierung geht es nicht um die "Interessen der Bürger" oder ein "friedliches Zusammenleben der Völker", wie sie immer vorgeben. Sie wollen einzig und allein den imperialistischen Machtblock EU zusammenhalten bzw. versprechen sich Konkurrenzvorteile durch neue imperialistische Bündnisse.
Gegen das reaktionäre Bündnis EU zu protestieren und zu rebellieren, ist vollauf berechtigt. Austritt oder Nicht-Austritt aus der EU ist für die Arbeiter und breiten Massen in Europa keine Alternative (siehe Rote Fahne News).
Die revolutionäre Alternative
Die Arbeiterklasse muss sich selbständig positionieren. Die internationale und europaweite Koordinierung ihrer Kämpfe in Verbindung mit der Kooperation ihrer revolutionären Parteien und Organisationen ist die richtige Antwort auf das imperialistische Bündnis EU.
Die revolutionäre Weltorganisation ICOR und ihre Untergliederung ICOR-Europa setzen sich dafür mit aller Kraft ein. Sie werden auch die Europawahlen im Mai 2019 für die Verankerung und Stärkung der revolutionären Alternative nützen.