Polizeigesetz NRW

Polizeigesetz NRW

So will die Laschet-Regierung kämpfende Arbeiter als "Terroristen" kriminalisieren

Nach den bundesweit wachsenden Massenprotesten gegen die Rechtsentwicklung von Regierungen und bürgerlichen Parteien haben sich die Regierungsparteien in Nordrhein-Westfalen gemeinsam mit der SPD auf Änderungen beim geplanten neuen Polizeigesetz geeinigt. Es lohnt sich, diese Änderungen genauer unter die Lupe zu nehmen.

Von ms
So will die Laschet-Regierung kämpfende Arbeiter als "Terroristen" kriminalisieren
Fronttransparent der großen Demonstration gegen das NRW-Polizeigesetz am 7. Juli in Düsseldorf (rf-foto)

Rote Fahne News sprach darüber mit dem Gelsenkirchener Rechtsanwalt und Experten für Polizei- und Ausländerrecht, Frank Jasenski. Er bestätigt, dass die Änderungen am reaktionären Kern des geplanten Gesetzes nichts Substanzielles ändern:

 

"Der seit dem 10. Oktober vorliegende Änderungsantrag nimmt vordergründig einige kosmetische Änderungen bezüglich der in der öffentlichen Diskussion umstrittenen und kritisierten Einführung der Begrifflichkeit der 'drohenden Gefahr' bzw. der 'drohenden terroristischen Gefahr' vor und ersetzt diese durch eine Regelung, die im Kern noch eine Ausweitung der polizeilichen Eingriffsmöglichkeiten gegenüber dem ursprünglichen Gesetzentwurf bedeutet."1

Die MLPD mittendrin in der Demonstration am 7. Juli (rf-foto)
Die MLPD mittendrin in der Demonstration am 7. Juli (rf-foto)

In Kürze:

  • Überarbeiteter Entwurf für das Polizeigesetz NRW: Kleine Zugeständnisse, kosmetische Korrekturen - reaktionärer Kern bleibt erhalten
  • Vorbeugehaft bis zu vier Wochen möglich
  • Bündnis hält am weiteren Kampf gegen das Polizeigesetz fest

Zur Rücknahme der umstrittenen Begriffe erläutert Frank Jasenski: "Stattdessen soll ein neuer Absatz 4 eingesetzt werden, der einen umfangreichen Katalog von 'Straftaten' enthält, die zu 'terroristischen Straftaten' erklärt werden, wenn sie begangen werden, um 'die Bevölkerung auf erhebliche Weise einzuschüchtern, eine Behörde oder eine internationale Organisation rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt zu nötigen oder die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Staates oder einer internationalen Organisation zu beseitigen oder erheblich zu beeinträchtigen, und sie durch die Art ihrer Begehung oder ihrer Auswirkungen einen Staat oder eine internationale Organisation erheblich schädigen können'.

Streiks bald "terroristische Straftaten"?

Durch diesen Kunstgriff werden auch Straftaten wie Computersabotage, Zerstörung von Bauwerken, sogenannte 'gefährliche Eingriffe' in den Bahn-, Schiffs- oder Luftverkehr und die 'Störung öffentlicher Betriebe' zu 'terroristischen Straftaten' erklärt. Der Verdacht einer solchen Straftat lässt sich selbstverständlich im Zusammenhang mit Streiks, Demonstrationen oder Protestaktionen relativ problemlos konstruieren, um damit entsprechende Protestaktionen zu 'terroristischen Aktionen' zu erklären.

 

Damit wird der in der bürgerlichen Justiz verwendete Terrorismusbegriff weit über die üblicherweise in diesem Zusammenhang gefassten Straftaten wie Mord, Totschlag, terroristische Vereinigung, Geiselnahme oder Sprengstoffdelikte hinaus ausgeweitet."

Strategische Fahndung auf bloße Vermutung

Frank Jasenski schildert, welche Möglichkeiten der Polizei laut der Neufassung von Paragraf 8 Absatz 4 zustehen würden: "Gegenüber dem bisher geltenden Gesetz wird im Paragraf 12 a des neuen Entwurfs die sogenannte strategischen Fahndung neu eingeführt. Darunter fallen auch die Identitätskontrolle auf öffentlichen Straßen, die Durchsuchung von Fahrzeugen und mitgeführten Sachen usw. im öffentlichen Verkehrsraum.

 

Auch hier wurde die Schwelle für entsprechende Eingriffe gesenkt. Wenn es bisher hieß, dass 'aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte anzunehmen ist', genügt es jetzt, wenn 'Tatsachen die Annahme rechtfertigen'. Diese Begrifflichkeiten werden ansonsten im Zusammenhang mit sogenannten 'Gefährdern' verwendet, bei denen es auch ausreicht, dass bestimmte tatsächliche Anhaltspunkte eine Annahme rechtfertigen, also letztlich eine bloße Vermutung.

Erweiterte Telekommunikationsüberwachung, Aufenthalts- und Kontaktverbote

Auch die Überwachung der laufenden Telekommunikation soll auf Personen ausgedehnt werden, für die ein Verdacht konstruiert wird, Straftaten im Zusammenhang mit Demonstrationen, Streiks oder dergleichen zu begehen. Gleiches gilt für Aufenthalts- und Kontaktverbote nach Paragraf 34 b und den Einsatz der elektronischen Fußfessel.

 

Unter die Aufenthalts- und Kontaktverbote fällt auch die Untersagung von Kontakten zu bestimmten Personen oder Personengruppen sowie das Verbot, einen bestimmten Aufenthaltsbereich zu verlassen oder bestimmte Orte aufzusuchen. Verstöße dagegen werden durch Paragraf 34 d zu Straftaten erklärt. Darauf steht eine Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder eine Geldstrafe."

Bis zu vier Wochen in Vorbeugehaft

Frank Jasenski macht darauf aufmerksam, dass die gravierendste Änderung und auch die massivste Verschärfung des jetzt vorliegenden Änderungsantrags gegenüber dem ursprünglichen Gesetzentwurf die Regelung zum sogenannten Gewahrsam darstellt:

 

"Diese Vorbeugehaft wird zwar gegenüber dem Gesetzentwurf von einem Monat auf 14 Tage reduziert, kann von der Polizei zunächst aber immer dann angeordnet werden, wenn es 'unerlässlich ist, um die unmittelbar bevorstehende Begehung oder Fortsetzung einer Straftat von erheblicher Bedeutung für die Allgemeinheit zu verhindern' - also bei jeglicher Straftat. 

 

Die Vorbeugehaft kann durch richterliche Entscheidung bis zu 14 Tagen und durch nochmalige richterliche Entscheidung um maximal weitere 14 Tage verlängert werden. Schon bisher konnte jemand zur 'Verhinderung einer unmittelbar bevorstehenden Straftat von erheblicher Bedeutung für die Allgemeinheit' in Gewahrsam genommen werden, allerdings nur bis zum Ende des auf die Festnahme folgenden Tages. Diese Frist wird jetzt ausgeweitet auf bis zu maximal vier Wochen."

Keinerlei "Entwarnung" für den Widerstand

Auch die Verbannung der Begriffe „drohende Gefahr“ und „drohende terroristischen Gefahr“ aus dem Gesetzentwurf ist nur vorläufig. Dazu Jasenski: "Die Begründung des Änderungsantrags weist ausdrücklich darauf hin, dass auf die Einführung dieser Rechtsbegriffe lediglich vorläufig verzichtet werden soll und nach genauerer Prüfung der verfassungsrechtlichen Voraussetzungen gegebenenfalls eine erneute Änderung beantragt werden soll."

 

Zusammenfassend sieht der Gelsenkirchener Rechtsanwalt keinerlei Anlass zur „Entwarnung“ oder dazu, diesen Änderungsentwurf gar als „Verbesserung“ zu feiern: "Der reaktionäre Charakter des Gesetzes wird voll bestätigt. Die Eingriffsmöglichkeiten der Polizei werden im Kern gegenüber dem Entwurf noch ausgeweitet. Es muss also weiter darum gehen, die Neuregelung des Polizeigesetzes NRW durch den breiten Protest auf der Straße zu Fall zu bringen."

Bündnis hält am Kampf gegen Polizeigesetz fest

Deshalb ist es zu begrüßen, dass das Bündnis "NoPolizeigesetzNRW" - auch gegen Spaltungsversuche - am weiteren Kampf zur Verhinderung des neuen Polizeigesetzes festhält.

 

Auch in Niedersachsen, Berlin-Brandenburg, Bremen und Sachsen gibt es breiten Protest gegen geplante Polizeigesetze und sind entsprechende Bündnisse entstanden. In Bayern hält das Bündnis NoPAG daran fest, das bereits beschlossene Polizeiaufgabengesetz wieder rückgängig zu machen. Der Kampf gegen die Polizeigesetze war schließlich auch ein wichtiges Thema für die 250.000 Teilnehmer bei der großen Demonstration am 13. Oktober in Berlin.

 

Die MLPD setzt sich in ihrer Kleinarbeit dafür ein, dass mit dem Protest gegen die Polizeigesetze der gesamte Kampf gegen die Rechtsentwicklung der Regierungen und bürgerlichen Parteien gestärkt wird (siehe Broschüre ."Weg mit den neuen Polizeigesetzen! Gegen die Rechtsentwicklung der Regierung!") Ein wichtiger Aktivposten dafür ist auch das Internationalistische Bündnis mit seinen inzwischen 31 Trägerorganisationen bzw. -bewegungen und 24.000 schriftlich eingetragenen Unterstützern (mehr dazu).