Baden-Württemberg
Deutschland „wird immer grüner“? Grün-schwarze Landesregierung lässt grüßen!
Bei den Landtagswahlen in Bayern und Hessen haben vor allem die Grünen von der Abstrafung der Rechtsentwicklung der Bundesregierung und ihrer Scharfmacher wie Innenminister Horst Seehofer (CSU) profitiert.
Im Stimmenzuwachs für die Grünen drückt sich der Wunsch vieler Menschen nach einer fortschrittlichen Umwelt- und Flüchtlingspolitik aus. Aufschlussreich über ihre reale Politik ist eine Halbzeitbilanz der grün-schwarzen Landesregierung in Baden-Württemberg unter Ministerpräsident Winfried Kretschmann vom Standpunkt der Arbeiter- und Volksbewegung.
In Kürze
- Stimmenzuwachs für Grüne zeigt Wunsch nach fortschrittlicher Umwelt- und Flüchtlingspolitik
- Bilanz der baden-württembergischen Landesregierung unterstreicht: Grüne sind Monopolpartei
- Zusammenschluss gegen Rechtsentwicklung Gebot der Stunde
Nachdem Kretschmann zu Beginn seiner ersten Amtsperiode noch davon sprach, dass „weniger Autos natürlich besser als mehr“1 seien, wird ihm inzwischen auch von der bürgerlichen Presse vorgehalten, „er liebe Porsche mehr als die Bürger“.2 "Grün-Schwarz" verhindert genauso wie die Bundesregierung wirksame Maßnahmen gegen den kriminellen Abgasbetrug, insbesondere die Nachrüstung mit SCR-Katalysatoren auf Kosten der Autokonzerne.
Widersprüche an der Basis der Grünen
Auch das Milliardengrab "Stuttgart 21" wird gegen alle Widerstände und Bedenken vorangetrieben, die Landesregierung ignoriert alle Alternativkonzepte. Doch die Montagsdemonstranten gegen "Stuttgart 21" - darunter auch Grünen-Anhänger - halten den Widerstand hoch. Am 8. September protestierten wieder tausende.
Es sind kämpferische Gewerkschafter wie Siegmar Herrlinger (Porsche) und die Betriebsgruppen der MLPD, die zusammen mit dem Internationalistischen Bündnis und aktiven Umweltschützern dafür sorgen, dass die Forderung nach wirksamer Nachrüstung von Diesel-Pkw und strafrechtlicher Verfolgung sowie Haftung der Vorstände immer weitere Kreise zieht.
Nach wie vor sind viele Grünen-Mitglieder sowie -Anhänger im Kampf gegen Stickoxid- und Feinstaubbelastung, gegen Atomkraftwerke, Kohleverbrennung usw. aktiv und leisten dafür kompetente Beiträge. Dabei wachsen ihre Widersprüche zur Politik der Landesregierung.
Flüchtlingspolitik auf Linie der Bundesregierung
Doch nicht nur in der Umweltpolitik, auch in der Flüchtlingspolitik fällt deren Bilanz ernüchternd aus. Während Kretschmann und die Grünen-Minister stets ihre „Verantwortung für die Flüchtlinge“ hervorheben, stimmten sie 2014 der Einstufung von Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina als „sichere Herkunftsländer“ zu.
Im Koalitionsvertrag der Landesregierung von 2016 ist festgehalten, dass man im Bundesrat auch der Ausweitung auf Algerien, Tunesien und Marokko zustimmen werde - wenn die "Voraussetzungen" erfüllt sind. Alles Länder, in denen unterdrückerische Regimes herrschen und bürgerlich-demokratische Rechte und Freiheiten äußerst eingeschränkt sind.
Auch die massiven Verschärfungen der Bundesregierung hin zu einer ultrareaktionären, faschistoiden Abschottungs- und Abschiebepolitik trug die grün-schwarze Landesregierung kritiklos mit.
Lob für Polizeieinsatz gegen Flüchtlingsprotest
Nach dem völlig berechtigten Protest gegen die Abschiebung eines Flüchtlings in der Landeserstaufnahmestelle Ellwangen folgte ein martialischer Polizeieinsatz mit 500 Polizisten und brutalen Übergriffen auf die Bewohner. Am 20. Juni verhaftete die Polizei einen der Organisatoren des Protests, Alassa Mfouapon, und schob ihn ebenso brutal nach Italien ab. Kretschmann lobte damals das Vorgehen als "richtigen Weg".3
Dagegen formiert sich seither der Protest um den Ellwangen-Appell. Alassa Mfouapon hat Klage gegen das Land Baden-Württemberg, gegen den Polizeieinsatz am 3. Mai und gegen seine eigene unrechtmäßige Abschiebung eingereicht.
Studiengebühren, höhere Abgeordnetendiäten, Aufrüstung der Polizei ...
Auch in anderen Politikfeldern bleibt in der Praxis vom fortschrittlichen Nimbus der Grüne-geführten Landesregierung nichts übrig. An den Hochschulen des Landes wurden wieder Studiengebühren für Nicht-EU-Ausländer eingeführt, obwohl viele Grünen-Mitglieder dagegen sind.
Unterrichtsausfall ist besonders an Grund, Berufs- und Sonderschulen verbreitet. 750 Stellen können nicht besetzt werden, es gibt null Krankheitsreserve. Sozialminister Manfred Lucha (Grüne) treibt den Konzentrationsprozess von Krankenhäusern voran, der mit dem Neubau von Zentralkrankenhäusern und der Schließung wohnortnaher Krankenhäuser verbunden ist.
Ein Versuch von Grünen, CDU und SPD, die Abgeordneten-Diäten zu erhöhen, scheiterte aufgrund der Empörung; ein im Eilverfahren beschlossenes Gesetz musste zurückgezogen werden.
Der Landtag stattete Polizei und "Verfassungsschutz" mit erweiterten Befugnissen aus und wurde so - noch vor Bayern - zum Vorreiter neuer Polizeigesetze. Landesinnenminister Thomas Strobl (CDU) kündigte bereits weitere Verschärfungen an. Das zeigt, dass auch in Baden-Württemberg der Widerstand dagegen organisiert werden muss.
Illusionen in die Grünen überwinden
Bereits 1988 hat die MLPD nachgewiesen, dass sich die Grünen von einer kleinbürgerlicher Protestpartei zu einer staatstragenden Reform- und Monopolpartei verwandelt haben.4 Sie tragen deshalb die Rechtsentwicklung der Regierungen mit – bei Beibehaltung der kleinbürgerlichen Denkweise als hauptsächlicher Regierungsmethode.
Wohnungsnot, Unterrichtsausfall in den Schulen, der Weiterbau von „Stuttgart 21“ - all das mehr empört immer mehr Menschen und lässt sie aktiv werden. Oft noch verbunden mit Sympathie für Kretschmann, der als "kleineres Übel" oder "volksnäher" im Vergleich zu anderen bürgerlichen Politikern wahrgenommen wird.
Damit sich der fortschrittliche Stimmungsumschwung weiterentwickeln kann, müssen gerade auch solche Illusionen in die Grünen überwunden werden.
Zusammenschluss gegen Rechtsentwicklung der Regierung Gebot der Stunde
Dazu gehören gemeinsame Erfahrungen im Kampf gegen die Rechtsentwicklung von Bundes- und Landesregierungen sowie ihre Verarbeitung. Die MLPD sucht den Zusammenschluss auch mit fortschrittlichen und ehrlichen Kräften der Grünen - genauso wie die solidarische Auseinandersetzung mit ihnen.
Eine klare Abfuhr gebührt dagegen liquidatorischen Kräften, die MLPD und Internationalistisches Bündnis aus breiten Bündnissen gegen Polizeigesetze oder Flüchtlingspolitik auszugrenzen versuchen. Denn auch im Interesse ihrer Perspektive gilt es, vor allem die revolutionäre Richtung im fortschrittlichen Stimmungsumschwung zu stärken.