Wahldebakel in Hessen

Wahldebakel in Hessen

Merkel muss Parteivorsitz aufgeben - jetzt erst recht: Neuwahlen!

Die Hessenwahl markiert einen neuen Höhepunkt der Vertrauenskrise in die Berliner Regierung und die sie tragenden Parteien. Sie war ein Debakel für CDU und SPD.

Von der MLPD-Landesleitung Rheinland-Pfalz/Hessen/Saarland
Merkel muss Parteivorsitz aufgeben - jetzt erst recht: Neuwahlen!
Sitz des hessischen Landtags: das Wiesbadener Schloss (foto: Martin Kraft // photo.martinkraft.com (CC BY-Sa 3.0))

Die SPD verlor fast 41 Prozent ihrer Wähler gegenüber 2013 und die CDU über 35 Prozent. Beide zusammen verloren 815.109 Wähler bzw. 22,2 Prozentpunkte.

Offene Parteienkrisen

Nach der Hessenwahl befinden sich CDU und SPD in offenen Parteienkrisen. Heute Vormittag dann hektisches Krisenmanagement. Bundeskanzlerin Angela Merkel kündigt für den Parteitag im Dezember den Verzicht auf den Vorsitz der CDU an. Schon melden sich mit Friedrich Merz und Jens Spahn als Kandidaten an, die für einen offenen Rechtsruck der CDU stehen.

 

Es steht in den Sternen, ob Merkels Kalkül aufgehen wird, weiter Kanzlerin zu bleiben. Das zeigt die wachsende Labilität der GroKo. Nicht umsonst hatte Merkel über Jahre den Leitsatz, CDU-Vorsitz und Kanzleramt seien untrennbar, wie eine Monstranz vor sich hergetragen. Die latente Krise der Bundesregierung hat sich vertieft.

 

SPD-Chefin Andrea Nahles orientiert auf eine "Halbzeitbilanz" der Regierung Ende 2019, um Zeit zu schinden. Aber auch sie kann einen vorzeitigen Bruch der Koalition nicht mehr gänzlich ausschließen. An der Basis in SPD und CDU brennt es. Verschiedene Parteigliederungen wie die Jusos Frankfurt fordern das sofortige Koalitionsende und einen Rücktritt von Nahles.

 

Die Regierung ist angeschlagen. Jetzt erst Recht: Rücktritt der Merkel/Scholz/Seehofer-Regierung - Neuwahlen sofort!

Wahl gegen die Rechtsentwicklung

Nach der Landtagswahl in Bayern vor zwei Wochen versuchten Politiker der Großen Koalition noch, den tiefen Absturz von CSU und SPD als "bayerische Besonderheit" abzutun. Im Unterschied zu Horst Seehofer (CSU) ist der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) aber voll auf Merkel-Linie.

 

Der gestrige Wahltag in Hessen belegt klar: Die große Mehrheit der Menschen in ganz Deutschland lehnt die Rechtsentwicklung der Regierung und bürgerlichen Parteien ab (siehe erste Analyse vom Wahlabend). Die größte Wählerabwanderung hatte die CDU in Richtung Grüne zu verzeichnen. Die Forderung nach Rücktritt des Innenministers und Scharfmachers Horst Seehofer wird lauter!

 

Unter der Jugend ist der Loslösungsprozess von den bürgerlichen Parteien, dem bürgerlichen Parlamentarismus und seinen Institutionen am ausgeprägtesten. CDU/SPD bekamen unter Jungwählern zusammen nur 33 Prozent. Zwei Prozentpunkte mehr erhielten die vermeintlichen Alternativen Grüne (25 Prozent) und Linkspartei (10 Prozent).

 

Die AfD schnitt mit 10 Prozent unter allen Altersgruppen hier am schlechtesten ab. Die sogenannten Sonstigen erhielten bei den unter 30-Jährigen 13 Prozent, doppelt so viel wie insgesamt.

Von wegen vor allem "schlechte Performance" ...

Die Politiker der Großen Koalition tun in ihren Wahlbetrachtungen so, als ob die desatrösen Stimmenergebnisse an der „schlechten Performance“ der Regierung lägen, die Politik sei ja eigentlich ganz gut, wirke aber zerstritten usw. Eine glatte Fehleinschätzung: sie werden gerade wegen ihrer volksfeindlichen Politik nicht mehr gewählt!

 

Sie SPD hat ihre Führungsposition in punkto angeblicher „sozialer Gerechtigkeit“ an die Linkspartei abgegeben. Ihre Kompetenzwerte beim „bezahlbaren Wohnraum“ sind um 12 Punkte eingebrochen. Die SPD erhält inzwischen bei Beamten bessere Ergebnisse (25 Prozent) als unter der Arbeiterschaft (23 Prozent).

 

80 Prozent der Befragten kritisieren an der Bundesregierung, dass sie „zu viel Rücksicht auf die Interessen der Industrie nimmt“. Immer offener erscheint das Wesen der Bundesregierung als willfähriger Dienstleister der internationalen Monopole.

Tiefe Krise des Reformismus

Der Kern des Absturzes der SPD, aber teilweise auch der CDU, ist die tiefe Krise des Reformismus. Er hat längst die Aufgabe übernommen, den Massen Verschlechterungen ihrer sozialen und ökologischen Lage als „Fortschritt“ zu verkaufen und für die Zukunft eine Veränderung der Politik anzukündigen. Die „Mietpreisbremse“ erwies sich aber als garantierte Mietsteigerung. Die Rentenbeschlüsse sind nicht zurückgenommen und Maaßen ist immer noch Präsident des „Verfassungsschutzes“.

 

Das Wahlergebnis ist eine Massenkritik an der Rechtsentwicklung der Regierung und der bürgerlichen Parteien, an der reaktionären Flüchtlingspolitik, der beschleunigten Faschisierung des Staatsapparats mit neuen Polizeigesetzen und "Linksextremismus"-Kampagne, einer katastrophalen Umweltpolitik, der Verknappung bezahlbarer Wohnungen, der Verarmungspolitik von Rentnern und Hartz-IV-Empfängern, der Ausbeutungsoffensive in den Betrieben, der Aufrüstung der Bundeswehr für imperialistische Kriege in aller Welt usw.

Fortschrittlicher Stimmungsumschwung

Allerdings können bürgerliche Wahlen den fortschrittlichen Stimmungsumschwung unter den Massen nur sehr eingeschränkt zum Ausdruck bringen. Direkt spürbar war der Stimmungsumschwung vor zwei Wochen in Berlin, als 250.000 Menschen gegen die Rechtsentwicklung der Regierung und der bürgerlichen Parteien auf die Straße gingen.

 

Insgesamt waren 2018 ausgehend von den gewerkschaftlichen Kämpfen im Frühjahr schon über 3 Millionen an Arbeitskämpfen und Demonstrationen beteiligt. Es ist ein Erfolg dieser Massenproteste, dass die Regierung und die sie tragenden Parteien ihre Politik nicht mehr so fortsetzen können.

 

Viele geben den Grünen (+ 8,7 Prozentpunkte) ihre Stimme aus ernsthafter Sorge um Klimaschutz und die drohende globale Umweltkatastrophe. Tatsächlich sind sie eine Monopolpartei. In Hessen trugen sie nicht nur den umweltschädlichen Ausbau des Frankfurter Großflughafens mit, sondern auch den Einsatz von „Hessen-Trojanern“ zum Ausspionieren von Computern, was jeden treffen kann. Soviel zu ihrer geheuchelten Kritik an den geplanten Polizeigesetzen.

Faschisten verlieren, AfD unter ihren Erwartungen

Die ultrareaktionäre und faschistoide AfD hat mit 13,1 Prozent einen Zuwachs gegenüber der Bundestagswahl (12,6 Prozent) erzielt, bleibt aber unter ihrem eigenen Ziel von 15 Prozent plus X. Dabei stechen die niedrigeren Wahlergebnisse in den Städten für die AfD heraus: 9 Prozent in Frankfurt am Main, 9 Prozent in Darmstadt, 7,1 Prozent in Gießen. Unter Frauen erhielt die AfD nur 9 Prozent.

 

Das bedeutet auch, dort wo sich der Widerstand gegen die ultrareaktionäre, faschistoide AfD konzentriert, große Massendemonstrationen bereits organisiert und die Auseinandersetzung mit breiter Aufklärung über diese Richtung betrieben wird, hat es die AfD schwerer, sich zu verankern.

 

Noch am Abend gingen mehr als 1.000 meist jugendliche Demonstranten in Frankfurt am Main unter dem Motto „Seebrücke statt Frontex! Nationalismus ist keine Alternative!“ auf die Straße und protestierten damit gegen den Einzug der AfD in den hessischen Landtag. 

 

Ein Desaster erlebte die offen faschistische NPD, die von 1,1 Prozent auf 0,2 Prozent abstürzte. Die faschistische Gruppe „Die Rechte“ trat diesmal erst gar nicht mehr an. Die Faschisten konzentrieren ihre Stimmen auf die AfD.

Zuwächse für kleinere Parteien

Zuwächse erzielten auch kleinere zum Teil fortschrittliche oder als fortschrittlich geltende Parteien, wie die Grauen, Die Partei, ÖDP oder Tierschutzpartei. Letztere erhielt 1 Prozent. Verluste erlitt die Piratenpartei. Die Freien Wähler kamen auf 3 Prozent.

 

Die MLPD hat mit ihrer Kleinarbeit den Widerstand gegen die Rechtsentwicklung der Regierung und der bürgerlichen Parteien gestärkt. Sie rief bei diesen Wahlen zum aktiven Wahlboykott und zur Stärkung des Internationalistischen Bündnisses sowie der sozialistischen Alternative MLPD auf.

 

Das Internationalistische Bündnis will die Kräfte zusammenschließen, um die Rechtsentwicklung der Regierung und der bürgerlichen Parteien zu stoppen und eine gesellschaftliche Alternative zu entwickeln. Dazu gilt es, nach den Wahlen nachzusetzen!

 

Flugblatt der MLPD zu Neuwahlen vom 3.7.2018