Vertrauenskrise
Regierung erhöht Mindestlohn - "Performance" gerettet?
Das Bundeskabinett hat heute den gesetzlichen Mindestlohn von 8,84 Euro auf 9,19 Euro brutto pro Stunde erhöht. In einem weiteren Schritt soll er ab dem Jahr 2020 auf 9,35 Euro angehoben werden. Als ob er nicht in der Regierung wäre, meldet sich heute Olaf Scholz (SPD) zu Wort und fordert einen Mindestlohn von 12 Euro. Was für ein Witz.
Die Bundesregierung setzt damit eine Empfehlung der Mindestlohnkommission vom Juni 2018 um. Der Mindestlohn wird in Deutschland alle zwei Jahre neu festgelegt. 9,19 Euro Mindestlohn bedeuten für einen Vollzeitbeschäftigten etwas mehr als 1.500 Euro im Monat (brutto). Er liegt damit immer noch weit unter dem bundesweiten Durchschnitt abhängig Beschäftigter, die in Vollzeit arbeiten. Dieser lag im letzten Jahr bei knapp 3.800 Euro.
In Kürze:
- Der beschlossene Mindestlohn von 9,19 Euro liegt für Vollzeitbeschäftigte bei etwas mehr als 1.500 Euro im Monat (brutto)
- Die Erhöhung gleicht gerade mal den inflationsbedingten Kaufkraftverlust aus
- Die MLPD fordert höhere Löhne und Gehälter sowie einheitliche Tarifverträge in ganz Deutschland
In vielen Großstädten reichen 1.500 Euro kaum mehr, um neben allen anderen Lebenshaltungskosten auch noch die horrende steigenden Mieten zu finanzieren. Um nicht mit Hartz IV aufstocken zu müssen, müsste laut Berechnungen der Hans Böckler-Stiftung der Mindestlohn zum Beispiel in München bei 12,77 Euro liegen.
Prompt meldete sich Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) kurz vor der Abstimmung zu Wort: „Ich finde, dass 12 Euro Mindestlohn angemessen sind.“
Er griff damit das Stichwort von Bundestagsvizepräsident Thomas Oppermann (SPD) auf, der die SPD angesichts ihrer tiefen Krise zur "Schärfung des linken Profils" aufgefordert hatte.
Alles nur Perfomance?
Nach ihren herben Wahlschlappen in Bayern und Hessen will die SPD nun zum x-ten Mal ihr angeschlagenes Image sozial aufhübschen. Das liegt ganz auf der Linie der "Analyse" der SPD-Vorsitzenden Andrea Nahles, die der "schlechten Performance" der Großen Koalition die Schuld daran gab.
Mit seinem werbewirksamen Auftritt lief Scholz allerdings keine Gefahr, dass ein noch höherer Mindestlohn womöglich Beschlusslage geworden wäre. Wie demagogisch seine Ermahnung an die Unternehmer ist, höhere Löhne zu zahlen, zeigen allein die Streichorgien im öffentlichen Dienst bei Löhnen und Gehältern sowie Planstellen. Es wäre nicht bekannt, das Olaf Scholz daran in seinem Bundeshaushalt irgendwelche Abstriche plant.
Auch 12 Euro Mindestlohn werden der weiteren Senkung des allgemeinen Lohnniveaus wenig entgegensetzen. Zumal jeder Mindestlohn die Unternehmer geradezu auffordert, die Löhne möglichst bis auf dieses Niveau abzusenken.
Die jetzt beschlossene Erhöhung des Mindestlohns war schon seit Juni geplant und gleicht gerade mal den inflationsbedingten Kaufkraftverlust aus. Sieht so das neu entdeckte "linke Profil" der SPD aus?
SPD-Anhänger, die noch einen Funken Hoffnung in eine "soziale" oder anders geartete "Erneuerung" dieser Monopolpartei haben, muss man in Deutschland inzwischen mit der Lupe suchen. Kein Wunder, ist die SPD als Agenda- 2010-Partei doch hauptverantwortlich für die Einführung eines wachsenden Niedriglohnsektors und der Ausbreitung von Leih- und Zeitarbeit. Sie bastelt eifrig mit bei der Verschärfung der Polizeigesetze, trägt in Hessen den Kahlschlag bei Opel mit und beschloss während ihrer Regierungszeit in Nordrhein-Westfalen die Rodung des Hambacher Walds.
Für die Arbeiterklasse nur das Mindeste?
Die MLPD lehnt es grundsätzlich ab, dass sich die Arbeiterklasse mit dem Mindesten begnügen soll. Sie fordert höhere Löhne und Gehälter sowie einheitliche Tarifverträge in ganz Deutschland und dass diese für allgemeingültig erklärt werden. Sie bekämpft die Spaltung der Arbeiterklasse durch Leiharbeit, Werkverträge, Befristungen, Niedriglöhne usw.
Darüber hinaus stellt sie das ganze kapitalistische Lohn- und Ausbeutungssystem in Frage. Im Kapitalismus gibt es keine fairen Löhne. Die Arbeiterinnen und Arbeiter werden grundsätzlich nicht für die geleistete Arbeit bezahlt, sondern ausschließlich für den Wert ihrer Arbeitskraft.
Nur so können sich die Kapitalisten den unentgeltlich geschaffenen Mehrwert - der über den Wert dessen, was die Arbeiter zum Leben brauchen, hinausgeht - aneignen. Um diese Profitmacherei abzuschaffen muss das kapitalistische System abgeschafft und durch das Prinzip "Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seiner Leistung" in einer sozialistischen Gesellschaft ersetzt werden.
Neue Politikerinnen und Politiker braucht das Land
Die Merkel-/Scholz-/Seehofer-Regierung ist und bleibt angeschlagen. Ihre Labilität wächst mit Merkels Rückzug vom CDU-Vorsitz. Jetzt beginnt ein neuer Medienhype um die antretenden Neubewerber für den CDU-Vorsitz. So wie die SPD eine soziale Erneuerung vorgaukelt, versucht die CDU einen personellen Neuanfang vorzutäuschen. Dieser stehen jedoch entweder für ein „Weiter so“ (Annegret Kramp-Karrenbauer und Armin Laschet) oder für eine offen reaktionäre Richtung (Friedrich Merz und Jens Spahn).
Laschet steht für das geplante neue Polizeigesetz und den größten Polizeieinsatz in der Geschichte des Landes zur Unterdrückung der Proteste gegen den Braunkohletagebau. Kramp-Karrenbauer vertritt reaktionärste Positionen in der Flüchtlingspolitik und verteidigt vehement die Kriminalisierung von sachlicher Information über Schwangerschaftsabbrüche.
Spahn hat schon seit Amtsantritt der großen Koalition als ultrareaktionärer Scharfmacher und langjährige Pharmalobbyist vor allem die Beschäftigten in Krankenhäusern und Pflegeheimen gegen sich aufgebracht. Merz musste schon einmal aus dem Verkehr gezogen werden, weil er zu unverfroren für die Interessen der internationalen Monopole eintrat (drastische Steuersenkungen). Seitdem hat er über zahlreiche Aufsichtsratsmandate noch engere Beziehungen zu großen Konzernen geknüpft und ist Aufsichtsratschef von Blackrock Deutschland, Tochter von einem der größten Investmentkonzerne der Welt.
Der Neuanfang der CDU ist so glaubhaft wie die soziale Erneuerung der SPD. Nicht nur die Perfomance, sondern noch viel mehr der Inhalt der volksfeindlichen Regierungspolitik stößt auf wachsenden Protest. Wer wirklich neue Politikerinnen und Politiker sucht, muss selbst aktiv werden. Er findet sie beim Internationalistischen Bündnis und natürlich bei der sozialistischen Alternative MLPD. Unbestechlich und nur den Interessen der Arbeiterklasse und breiten Massen verpflichtet.