Umstrukturierung
Konzernweiter Kampf bei VW - statt Standorterpressung
In den letzten beiden Tagen platzte eine neue Bombe bei VW.
Die Produktion des Passat soll im VW Werk Emden bis 2022 auslaufen. Vom Werk Hannover-Stöcken soll die Transporterproduktion bis 2024 in das Ford Werk in der Türkei verlegt werden (siehe Rote Fahne News).
Im Werk Emden arbeiten zur Zeit 11.000 Beschäftige, im Werk Hannover 16.000. Dazu kommen noch Tausende Arbeitsplätze bei Zulieferern in den beiden Regionen – so hat die Region Hannover nach offiziellen Angaben 23.470 Beschäftigte in der Automobilwirtschaft, in Emden führt bereits heute jeder Tag Kurzarbeit bei VW auch zu Kurzarbeit bei Tausenden Zuliefererarbeitsplätzen.
In Kürze
- VW kündigt das Auslaufen des Passat in Emden und die Verlegung der Transporterproduktion in die Türkei an
- Werksbelegschaften sollen gegeneinander ausgespielt werden
- Stärkung der kämpferischen Kräfte und der Betriebsgruppen der MLPD ist Gebot der Stunde
Windelweich werden Meldungen über den Ersatz durch Arbeitsplätze in der E-Mobilität verbreitet, so soll in Hannover der E-Kleinbus ID BUZZ gebaut werden. Ein Kollege in Hannover sagte dazu: „Ich glaube denen da oben gar nichts mehr. Bevor wir nicht einen ID BUZZ hier bauen, glaube ich nicht, dass der nach Hannover kommt.“
Viele wollen um die Arbeitsplätze kämpfen
Bei Einsätzen vor dem Tor wurde deutlich, dass viele Kolleginnen und Kollegen meinen, dass man um die Arbeitsplätze kämpfen muss. Einer sagte: „Kampf um jeden Arbeitsplatz, natürlich, wir müssen eine ganz große Forderung aufstellen.“ Doch wie und wer muss eigentlich streiken, das ist eine Frage der Kolleginnen und Kollegen.
Einige meinen, das müssen die Betriebsräte machen, und sind enttäuscht von den Forderungen vom Betriebsrat und davon, dass die jede Entscheidung abnicken. Bei Opel haben die Kolleginnen und Kollegen damals auf die Ankündigung von Sedran, das Werk zu schließen, die richtige Antwort gegeben und in der Montage haben 200 Leute angefangen zu streiken. Anderen ist schon klar, dass sie selbst den Kampf führen müssen, aber machen da dann alle mit?
Ein türkischer Kollege meinte: „Das ist doch gut für die Türkei, damit die auch mal Arbeit bekommen. Ihr habt hier genug Chancen.“ Die Arbeitsplätze werden in Deutschland und in der Türkei gebraucht und es muss auch der gemeinsame Kampf der Automobilarbeiter sein. Spaltung nützt nur den Konzernen.
Es geht VW um maximalen Profit
Die Meldungen über die Infragestellung der Werke in Hannover und Emden gehen mit einem Trommelfeuer zur Steigerung der Ausbeutung einher. So erklärte der neue VW-Nutzfahrzeuge-Chef Thomas Sedran, dass es gelte, „die Strukturen zu verschlanken und die Produktivität zu erhöhen“.¹ Das VW-Werk in Osnabrück könne jedes Auto um 1.000 Euro billiger bauen als das Werk in Hannover.
Sedran reicht auch kein normaler Profit – er will Maximalprofit. Obwohl die offizielle öffentlich verkündete Rendite in Hannover höher ist als in anderen VW-Werken (nämlich 7,2 Prozent in Hannover statt 4,1 Prozent im VW-Durchschnitt²) erklärt Sedran: „Wir sind im Kostenvergleich zurzeit teurer als die mitbewerbenden Standorte.“³
Sedran setzt auf gleiche Methode wie bei Opel
Das war auch die Methode, mit der der Vorstand von Opel immer gearbeitet hat, um die konzernweite Arbeitereinheit zu schwächen. Dabei auch Thomas Sedran, von Juli 2012 bis Februar 2013 als Chef von Opel.
Jahrelang wurde versucht, einen Opel-Standort gegen den anderen auszuspielen. Zum Beispiel sollten Modelle vom Opel-Werk in Antwerpen (Belgien) nach Bochum geholt werden, die Bochumer Opel-Kolleginnen und Kollegen sollten gegen die Antwerpener Opel-Kolleginnen und Kollegen ausgespielt werden.
Ein richtiges Lehrbuch, wie man erfolgreich gegen Werksschließungen kämpft, ist die Dokumentation „Was bleibt – 10 erkämpfte Jahre Opel Bochum 2004 bis 2014“. Immerhin zehn Jahre haben die Bochumer Opel-Kolleginnen und Kollegen durch ihre Kämpfe gewonnen. Aber auch aus den heimtückischen Methoden der Widersacher des Kampfes um jeden Arbeitsplatz kann man lernen. Das sollten sich die VW-Belegschaften aneignen.
Auftakt für weitere Strukturkrise in der Automobilindustrie
Diese Ankündigungen sind erst der Auftakt für weitreichende Folgen einer bevorstehenden Strukturkrise in der ganzen Automobilindustrie in der Umstellung auf E-Mobilität. Deren kommende drastische Folgen werden von Regierung und Konzernen noch weitestgehend schön geredet. Alleine bei Zulieferern geht eine IG-Metall-Studie vom Verlust von 75.000 der 210.000 Arbeitsplätzen aus.
An Stelle von Großfusionen wie in den Jahren 2010 bis 2015 sind in den letzten Jahren eine Durchdringung und Beteiligungen in einzelnen Bereichen getreten – wie jetzt zwischen VW und Ford im Nutzfahrzeugbereich – was dann häufig Verschiebungen in neuimperialistische Länder wie jetzt möglicherweise in die Türkei zur Folge hat.
Dies wird sich noch verschärfen, wenn die jetzige schwankende Stagnation in eine neuerliche internationale Finanz- und Wirtschaftskrise übergeht – z.B. in Verbindung mit dem von US-Präsident Donald Trump eingeleiteten offenen Handelskrieg oder durch spekulativen Aufbau von neuen Werken für E-Autos neben weiter produzierenden Werken für Verbrennungsmotoren.
Vertrauensleute erwarten Maßnahmen von der IG Metall
Bereits vor der Bekanntgabe durch Sedran zeigte sich auf der bundesweiten Versammlung von 1.500 Vertrauensleuten aus allen VW-Werken in Braunschweig die Erwartung handfester Maßnahmen der IG Metall gegen die Angriffe des VW Vorstandes. Auch ein breiter Wunsch, zwischen den Werken zusammenzuarbeiten kam zum Ausdruck.
Viele betonten die Forderung nach einer weiteren Arbeitszeitverkürzung und waren über die längere Arbeitszeit im ostdeutschen Werk in Zwickau empört (38 Stunden statt 35 Stunden im Westen). Der Kampf um jeden Arbeitsplatz muss mit der Forderung nach der 30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich verbunden werden!
Die kämpferischen Kräfte im VW-Konzern stärken
Das zeigt, dass ein konzernweiter Kampf gegen die möglichen Werksschließungen nicht nur nötig, sondern auch möglich ist. Dazu müssen die kämpferischen Kräfte im VW Konzern und insbesondere die Betriebsgruppen der MLPD, die Arbeiterplattform des Internationalistischen Bündnisses und andere kämpferische Organisationsformen gestärkt werden. Vor dem Tor gab es jedenfalls schon großes Interesse.